Die Corona-Soforthilfen waren im Frühjahr 2020 das erste und wichtigste Instrument, um Unternehmen und Selbstständigen durch die Pandemie zu helfen. Schnell und unbürokratisch sollte das Geld fließen – und das tat es auch. Doch was damals als Rettungsanker gepriesen wurde, entwickelt sich für viele Empfänger zunehmend zum finanziellen Albtraum. Mehr als jeder fünfte Selbstständige oder Kleinunternehmer, der Corona-Soforthilfen erhalten hat, soll diese ganz oder teilweise zurückzahlen. Die Gründe hierfür sind vielfältig, doch besonders problematisch: Die Bundesländer gehen bei den Rückmeldeverfahren und Rückforderungen höchst unterschiedlich vor.
Corona Soforthilfe-Rückforderung erhalten? Hier informieren und Rückforderung abwehren.
Betrachtet man die Situation in den Bundesländern, offenbart sich ein regelrechter Flickenteppich an Fristen, Verfahren und Anforderungen. In Bayern beispielsweise ist die Frist für Rückmeldungen über das Online-Portal im verpflichtenden Rückmeldeverfahren zum 31.10.2024 abgelaufen. Seit dem 01.01.2025 ist der Link zum Portal deaktiviert, Rückmeldungen sind nicht mehr möglich. Die bayerischen Behörden haben unmissverständlich klargestellt: Keine Rückmeldung hat Widerruf und Rückforderung in voller Höhe zur Folge – selbst wenn der prognostizierte Liquiditätsengpass tatsächlich eingetreten ist.
In Nordrhein-Westfalen hingegen endete die Rückmeldefrist erst am 26. Februar 2025. Auch hier gilt: Die Rückmeldung über das Rückmelde-Formular war für alle hierzu aufgeforderten Empfängerinnen und Empfänger der NRW-Soforthilfe 2020 verpflichtend. Ohne Rückmeldung geht das Land NRW davon aus, dass im Förderzeitraum kein Liquiditätsengpass vorlag und die Soforthilfe nicht benötigt wurde – mit der Konsequenz einer vollständigen Rückforderung.
Brandenburg wiederum hat sein Rückmeldeverfahren bereits 2022 abgeschlossen. Die Frist für Rückzahlungen war der 18. März 2022. Die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) informierte alle Soforthilfe-Empfangenden postalisch mit dem Schreiben: “Prüfung der Antragsvoraussetzungen und Mittelverwendung durch die Antragstellenden”.
Diese unterschiedlichen Zeitpläne und Verfahren führen zu erheblicher Verwirrung bei Unternehmen, insbesondere bei solchen, die in mehreren Bundesländern tätig sind. Die föderale Struktur, die eigentlich Flexibilität ermöglichen soll, erweist sich hier als bürokratisches Hindernis.
Zentral für die Rückforderungsproblematik ist der Begriff des “Liquiditätsengpasses”. Die Soforthilfen wurden auf Basis einer Prognose gewährt und sollten einen Corona-bedingten Liquiditätsengpass überbrücken. Doch was genau unter einem solchen Engpass zu verstehen ist, wurde in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich interpretiert – und diese Interpretation änderte sich teilweise während des laufenden Verfahrens.
In Nordrhein-Westfalen beispielsweise wurden die Online-Informationen “Fragen-und-Antworten” zu den Corona-Soforthilfen zwischen dem 25. März und dem 31. Mai 2020 sage und schreibe 15-mal geändert. Zunächst war zu lesen, dass die Soforthilfe auch dazu diene, das eigene Gehalt und somit den Lebensunterhalt von Solo-Selbstständigen im Haupterwerb zu finanzieren. Drei Tage später war dieser Passus verschwunden.
Diese nachträglichen Änderungen der Bedingungen sind rechtlich höchst problematisch. Das Oberverwaltungsgericht NRW hat in mehreren Urteilen die Rückforderungen für rechtswidrig erklärt, wenn die Antragsteller auf Basis der ursprünglichen Informationen gehandelt haben. Dennoch halten viele Behörden an ihren Rückforderungen fest.
Die Dimension des Problems ist beachtlich: Insgesamt wurden etwa 13 Milliarden Euro an rund 1,8 Millionen Betroffene ausgeschüttet. Dazu kamen in den meisten Bundesländern noch Landesmittel von insgesamt mehr als drei Milliarden Euro. Das Bundeswirtschaftsministerium schätzt, dass rund fünf Milliarden Euro an Corona-Soforthilfen zu viel ausgezahlt wurden.
Bereits jetzt ist klar, dass in mehr als 400.000 Fällen die Betroffenen die Gelder ganz oder teilweise zurückzahlen sollen oder dies schon getan haben. Und es könnten weitere Rückforderungen auf Empfänger zukommen, denn erst Ende 2025 sollen die Schlussberichte mit den abschließenden Zahlen zu den Corona-Soforthilfen aus den Ländern vorliegen.
Die Folgen für die Betroffenen sind gravierend. Viele Kleinunternehmer und Selbstständige haben die Soforthilfen längst ausgegeben und verfügen nicht über die Mittel, um sie zurückzuzahlen. Die Rückforderungen können existenzbedrohend sein und führen zu einer Welle von Rechtsstreitigkeiten. Mehr als 5.000 Betroffene haben bundesweit gegen Rückforderungen geklagt, etwa die Hälfte der Verfahren ist noch offen.
Die Frage, warum es auch Jahre nach der Auszahlung der Corona-Soforthilfen zu erneuten Rückforderungen kommt, beschäftigt nicht nur die Betroffenen, sondern auch Rechtsexperten und Wirtschaftsverbände. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und offenbaren grundlegende Probleme im Umgang mit Krisenhilfen.
Ein zentraler Grund für die erneuten Rückforderungen liegt in der nachträglichen Überprüfung der Antragsvoraussetzungen. Die Soforthilfen wurden im Frühjahr 2020 unter enormem Zeitdruck konzipiert und ausgezahlt. Das Credo lautete: Schnelligkeit vor Genauigkeit. Diese Priorisierung war angesichts der existenzbedrohenden Situation für viele Unternehmen nachvollziehbar, führt aber nun zu erheblichen Problemen.
Der Bundesrechnungshof hat in einer Mitteilung an das Wirtschaftsministerium das Vorgehen scharf kritisiert und von “unklaren Anspruchsvoraussetzungen” gesprochen. Besonders problematisch: Das Ministerium habe ganz am Anfang nicht festgelegt, “welcher Sach- und Finanzaufwand im Einzelnen berücksichtigt werden konnte”. Erst einige Tage nach dem Anlaufen der Auszahlungen wies das Wirtschaftsministerium die Länder darauf hin, dass klar festgelegt sein müsse, wer überhaupt antragsberechtigt ist.
Diese nachträgliche Konkretisierung der Bedingungen führt nun dazu, dass viele Empfänger, die nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben, mit Rückforderungen konfrontiert werden. Die Behörden prüfen nun rückwirkend, ob die Antragsvoraussetzungen tatsächlich erfüllt waren – und legen dabei Maßstäbe an, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch gar nicht existierten oder zumindest nicht klar kommuniziert wurden.
Ein weiterer wesentlicher Grund für die Rückforderungen liegt in der Diskrepanz zwischen dem prognostizierten und dem tatsächlichen Liquiditätsengpass. Die Soforthilfen wurden auf Basis einer Prognose gewährt – die Antragsteller mussten einschätzen, wie sich ihre wirtschaftliche Situation in den kommenden Monaten entwickeln würde.
Diese Prognose war naturgemäß mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Niemand konnte im Frühjahr 2020 verlässlich vorhersagen, wie lange die Pandemie dauern und welche wirtschaftlichen Auswirkungen sie haben würde. Viele Unternehmer haben daher aus verständlicher Vorsicht einen höheren Liquiditätsengpass prognostiziert, als letztendlich eingetreten ist.
Die Behörden fordern nun die Differenz zwischen dem prognostizierten und dem tatsächlichen Liquiditätsengpass zurück. Dies mag formal korrekt sein, ignoriert aber die außergewöhnliche Situation, in der die Prognosen erstellt wurden. Zudem wurden die Berechnungsmethoden für den Liquiditätsengpass in vielen Fällen erst nachträglich konkretisiert, was die rechtliche Bewertung zusätzlich erschwert.
Ein besonders problematischer Aspekt der aktuellen Rückmeldeverfahren ist, dass eine fehlende Rückmeldung automatisch zur vollständigen Rückforderung führt. Die Behörden gehen in diesem Fall davon aus, dass kein Liquiditätsengpass vorlag und die Soforthilfe nicht benötigt wurde.
Diese Annahme ist rechtlich fragwürdig, da sie die Beweislast umkehrt: Nicht die Behörde muss nachweisen, dass kein Liquiditätsengpass vorlag, sondern der Empfänger muss beweisen, dass er die Hilfe zu Recht erhalten hat. Dies steht im Widerspruch zu grundlegenden verwaltungsrechtlichen Prinzipien und wird in vielen Fällen zu ungerechtfertigten Rückforderungen führen.
Für Unternehmen und Selbstständige, die mit Rückforderungen von Corona-Soforthilfen konfrontiert sind oder eine solche Konfrontation befürchten, stellt sich die entscheidende Frage: Wie sollte man reagieren? Welche Handlungsoptionen bestehen, und welche rechtlichen Perspektiven eröffnen sich? Im Folgenden möchte ich konkrete Handlungsempfehlungen geben und einen Ausblick auf die rechtliche Entwicklung wagen.
Wer einen Rückforderungsbescheid erhält, sollte zunächst Ruhe bewahren, aber zügig handeln. Die Widerspruchsfristen gegen Rückforderungsbescheide sind in der Regel kurz – meist nur ein Monat. Diese Frist sollte unter keinen Umständen versäumt werden, da sonst der Bescheid bestandskräftig wird und eine spätere Anfechtung erheblich erschwert ist.
Der Bescheid sollte einer genauen Prüfung unterzogen werden. Überprüfen Sie die Berechnung des zurückgeforderten Betrags im Detail und vergleichen Sie die Angaben mit Ihren eigenen Unterlagen. Achten Sie dabei besonders auf die Berechnungsmethode des Liquiditätsengpasses – hier liegen häufig die entscheidenden Fehler.
Parallel dazu sollten Sie alle relevanten Unterlagen zur Corona-Soforthilfe zusammenstellen: den ursprünglichen Antrag, den Bewilligungsbescheid, Kontoauszüge sowie Nachweise über Ihre tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im Förderzeitraum. Diese Dokumentation ist für alle weiteren Schritte unerlässlich.
Falls in Ihrem Bundesland noch ein Rückmeldeverfahren läuft, sollten Sie unbedingt daran teilnehmen – selbst wenn Sie der Überzeugung sind, dass die Soforthilfe zu Recht gewährt wurde. Wie dargelegt, führt eine fehlende Rückmeldung in vielen Bundesländern automatisch zur vollständigen Rückforderung.
Nutzen Sie für die Rückmeldung ausschließlich die offiziellen Portale und Formulare. Geben Sie alle erforderlichen Informationen wahrheitsgemäß und vollständig an, aber achten Sie darauf, Ihre Situation nicht ungünstiger darzustellen als sie ist. Insbesondere bei der Berechnung des Liquiditätsengpasses sollten Sie alle zulässigen Kosten berücksichtigen.
Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsbescheids sollten Sie fristgerecht Widerspruch einlegen. Der Widerspruch sollte schriftlich erfolgen und eine substantiierte Begründung enthalten. Beziehen Sie sich dabei auf die unklaren Antragsvoraussetzungen und die mehrfach geänderten Bedingungen.
Ein besonders starkes Argument ist der Vertrauensschutz: Wenn Sie Ihren Antrag auf Basis der ursprünglich kommunizierten Bedingungen gestellt haben, können Sie sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bedingungen nachträglich geändert wurden – wie etwa in NRW, wo die Online-Informationen 15-mal geändert wurden.
Sollte der Widerspruch erfolglos bleiben, ist der Klageweg zu prüfen. In einigen Bundesländern, wie NRW oder Hessen, ist auch nur der Klageweg möglich. Die bisherige Rechtsprechung gibt durchaus Anlass zur Hoffnung: In mehreren Fällen haben Verwaltungsgerichte Rückforderungen für rechtswidrig erklärt, wenn die Antragsteller auf Basis der ursprünglichen Informationen gehandelt haben. So gewann beispielsweise eine Friseurin aus Siegburg in NRW ihre Klage gegen einen Rückforderungsbescheid.
Allerdings sollten die Kosten und die Dauer eines Verwaltungsgerichtsverfahrens nicht unterschätzt werden. Eine rechtliche Beratung durch einen auf Verwaltungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt ist daher dringend zu empfehlen.
Für viele Betroffene stellt die Rückzahlung der Soforthilfe eine erhebliche finanzielle Belastung dar. In dieser Situation bieten sich verschiedene Entlastungsmöglichkeiten an.
In einigen Bundesländern, wie etwa in NRW, wurden spezielle Ratenzahlungstools eingerichtet. Diese ermöglichen es, die Rückzahlung in monatlichen Raten zu leisten, was die finanzielle Belastung verteilt. Nutzen Sie diese Möglichkeit, wenn die sofortige vollständige Rückzahlung Ihre Liquidität gefährden würde.
Bei existenzbedrohenden Situationen sollten Sie zudem einen Antrag auf Stundung oder (Teil-)Erlass prüfen. Hierfür müssen Sie Ihre wirtschaftliche Notlage umfassend darlegen und mit entsprechenden Nachweisen belegen. Die Erfolgsaussichten solcher Anträge sind zwar begrenzt, aber im Einzelfall durchaus gegeben.
Die Rückforderung von Corona-Soforthilfen stellt viele Unternehmen und Selbstständige vor erhebliche Herausforderungen. Doch die Situation ist nicht aussichtslos. Durch proaktives Handeln, sorgfältige Dokumentation und die Nutzung rechtlicher Möglichkeiten können Betroffene ihre Interessen wahren.
Besonders wichtig ist es, die föderalen Unterschiede zu beachten und sich genau über die in Ihrem Bundesland geltenden Regelungen zu informieren. Die Teilnahme am Rückmeldeverfahren – sofern noch möglich – ist dabei von zentraler Bedeutung.
Bei Rückforderungsbescheiden sollten Sie Ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, aber auch pragmatische Lösungen wie Ratenzahlungen in Betracht ziehen. Eine rechtliche Beratung kann dabei helfen, die für Ihren Fall optimale Strategie zu entwickeln.
Die Corona-Soforthilfen waren als schnelle Hilfe in einer beispiellosen Krise gedacht. Dass sie nun zu einer Belastungsprobe für viele Empfänger werden, ist eine bittere Ironie. Doch mit der richtigen Strategie lässt sich diese Herausforderung bewältigen – und vielleicht sogar ein Beitrag dazu leisten, dass künftige Krisenhilfen besser gestaltet werden.
Dennis Hillemann
Tanja Ehls