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    21.10.2025

    Die fünf Todsünden bei Schlussabrechnungen der Überbrückungshilfen – und wie man sie vermeidet


    Die Praxis der Schlussabrechnungen zu den Corona-Überbrückungshilfen zeigt ein erschreckendes Bild: Viele Steuerberater unterschätzen die Komplexität dieser Verfahren massiv. Anders als im gewohnten Steuerrecht gelten hier die Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts. Die Folge sind existenzgefährdende Rückforderungen für Mandanten und erhebliche Haftungsrisiken für Berater.

    Was find die fünf „Todsünden“, und wie vermeidet ein professioneller Steuerberater sie? Dazu gibt dieser Beitrag einen Überblick aus der Arbeit der Autoren, die mit zahlreichen Fällen der Überbrückungshilfen in Widerspruchs- und Klageverfahren befasst sind. 

    Todsünde 1: Fristversäumnisse – Der Weg in die Existenzgefährdung

    Die bei weitem gravierendste Fehlerquelle sind Fristversäumnisse. Steuerberater müssen sich klarmachen: Sie korrespondieren hier nicht mit der Finanzverwaltung. Fristen führen nicht zu Säumniszuschlägen oder Mahnungen, sondern unmittelbar zur Rückforderung der gesamten Förderung.

    Ein Zugang beim Steuerberater wird dem Antragsteller zu 100 Prozent zugerechnet. Das gilt für Nachfragen genauso wie für Bescheide. Wenn der Steuerberater die Nachfragen der Bewilligungsstelle oder die Bescheide nicht abruft, geht dies vollständig zu Lasten der Unternehmen. Die Rechtsprechung ist hier gnadenlos: Die bayerische Verwaltungsgerichtsbarkeit ist hier beispielsweise der Ansicht, dass es sich bei den Fristen zur Einreichung von Schlussabrechnungen um materielle Ausschlussfristen handelt. Auch die Fristen bei Nachfragen werden einer strengen Mitwirkungspflicht unterworfen, wer sie versäumt, muss mit vollständigen Rückforderungen rechnen. 

    Besonders kritisch: Bei elektronischen Bescheiden beginnt die Frist nach einer umstrittenen Rechtsprechung bereits nach dem allgemeinen Verwaltungsrecht zu laufen, ohne dass der Steuerberater die Bescheide abruft. Ob das am Ende in der Rechtsprechung so halten wird, bleibt abzuwarten, aber das ist die derzeitige Linie auch der Bewilligungsstellen.

    Die Situation bei der NBank (Niedersachsen) verschärft das Problem zusätzlich. Wird auf die erste Nachfrage nicht reagiert, folgen nun oftmals sofort Rückforderungsbescheide. Daher: Besser eine Fristverlängerung beantragen, wenn eine Nachfrage nicht innerhalb der gesetzten Frist beantwortet werden kann. Aber Vorsicht: Eine zweite Fristverlängerung wird häufig nicht mehr gewährt und erfordert in jedem Fall eine ausführliche Begründung. 

    So machen Sie es richtig: Implementieren Sie eine doppelte Fristenkontrolle in Ihrer Kanzlei. Beantragen Sie Fristverlängerungen vorsorglich. Stellen Sie sicher, dass alle Portale täglich, mindestens aber wöchentlich, auf neue Nachrichten geprüft werden. Dokumentieren Sie jeden Zugang und jede Frist minutiös. Bei auch nur ansatzweise kritischen Fällen oder drohenden Fristabläufen sollten Sie unverzüglich einen spezialisierten Rechtsanwalt einschalten.

    Todsünde 2: Unzureichende Sachverhaltsdarstellung – Der fatale Kurzschluss

    Viele Steuerberater gehen davon aus, dass die Bewilligungsstellen das Geschäftsmodell des Mandanten kennen oder verstehen. Das ist ein Trugschluss. Die Sachbearbeiter haben oft keine Branchenkenntnisse. Sie können nicht erwarten, dass sich jemand wirklich jede Rechnung ansieht oder aus der vorherigen Bewilligung alles klar ist.

    Der Vorbehalt der Schlussabrechnung wird als Totalvorbehalt interpretiert. Das bedeutet: Es wird alles neu geprüft. Geprüfte und beschiedene Sachverhalte dürfen erneut anders bewertet werden – so zumindest die Bewilligungsstellen, was aber rechtlich umstritten ist. In Schlussabrechnungsbescheiden wird teilweise offen geschrieben, dass bisherige Rechtsansichten nachträglich aufgegeben werden.

    Viele negative Bescheide resultieren daraus, dass zu wenig, zu verkürzt oder nach dem Motto „Das wissen Sie doch!" vorgetragen wird. Die Bewilligungsstellen haben durch Beauftragung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften personell aufgerüstet. Diese Mitarbeiter haben Zeit für detaillierte Prüfungen. Die Bürokratiemaschine läuft gnadenlos an.

    So machen Sie es richtig: Erstellen Sie umfangreiche Begleitschreiben/Antwortschreiben auf dem Briefkopf Ihrer Kanzlei. Der Sachverhalt ist äußerst ausführlich darzustellen. Erklären Sie das Geschäftsmodell so, als würde der Empfänger die Branche überhaupt nicht kennen. Nutzen Sie Wiederholungen als Stilmittel, um wichtige Sachverhalte hervorzuheben.

    Todsünde 3: Unvorbereitet in die Coronabedingtheits-Falle

    Das Thema „coronabedingter Umsatzeinbruch" entwickelt sich zum Minenfeld. Viele Bewilligungsstellen, insbesondere diejenigen in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Niedersachsen, prüfen dies nun extrem kritisch. Sie verlangen teilweise einen empirischen Beweis der Coronabedingtheit und fordern, dass der Umsatzeinbruch ausschließlich coronabedingt sein muss.

    Besonders gefährlich: Steuerberater schreiben oft einfach „drauf los", ohne die rechtliche Komplexität zu erfassen. Pauschale Verweise auf Branchendaten reichen nicht aus. Die Bewilligungsstellen wollen den konkreten, individuellen Zusammenhang zwischen Pandemie und Umsatzeinbruch beim jeweiligen Mandanten nachgewiesen bekommen.

    Kritisch sind insbesondere Bezugnahmen auf Auslandsgeschäfte (insbesondere China), krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitern (Nachweis erforderlich, dass diese an Corona erkrankt waren) und allgemeine Lieferschwierigkeiten. Die Bewilligungsstellen prüfen anhand der Betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Jahre 2019 bis 2022, ob sich saisonbedingte Verschiebungen von Einnahmen ergeben.

    Besonders Landwirtschaftsbetriebe, Softwareunternehmen, Dienstleister, Autohäuser, Immobilienmakler und das verarbeitende Gewerbe sind betroffen. Die NBank behauptet in vielen Fällen, dass keine direkten Schließungsanordnungen vorlagen und mittelbare Betroffenheit nicht ausreiche.

    So machen Sie es richtig: Nehmen Sie Nachfragen zum coronabedingten Umsatzeinbruch nie auf die leichte Schulter. Bei hohen Förderbeträgen sollten Sie unbedingt anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Der Kausalzusammenhang zur Pandemie muss lückenlos dargestellt werden können.

    Gehen Sie dreigliedrig vor: Erläutern Sie erstens, warum dieser konkrete Antragsteller unter den Folgen der Corona-Pandemie litt. Nutzen Sie zweitens hilfsweise allgemeine Branchendaten zur Untermauerung. Betonen Sie drittens die Plausibilitätsprüfung, die Sie als prüfender Dritter bei der Antragstellung vorgenommen haben.

    Sammeln Sie frühzeitig Nachweise: Korrespondenz mit Kunden bezüglich Auftragsstornierungen, Nachweise über Personalausfälle, Dokumentation der Auswirkungen staatlicher Maßnahmen auf die Kundenbesuche oder den Betriebsablauf, um nur Beispiele zu nennen. Der Kausalzusammenhang sollte so eng wie möglich an staatlichen Corona-Maßnahmen begründet werden.

    Todsünde 4: Ignoranz beim Unternehmensverbund

    Das Thema Unternehmensverbund ist ein Schwerpunktbereich der Schlussabrechnungen. Die Bewilligungsstellen nehmen nun nachträglich Unternehmensverbünde an, obwohl sie vorher nicht davon ausgingen. Dies betrifft insbesondere familiäre Konstellationen.

    Viele Steuerberater versäumen es, bei Nachfragen zum Unternehmensverbund umfassend (wahrheitsgemäß) und rechtlich tiefgehend Stellung zu Gunsten ihrer Mandanten zu nehmen. Das rächt sich später bitter, denn die Bewilligungsstellen sind derzeit schnell dabei, einen (weiten) Unternehmensverbund anzunehmen.

    So machen Sie es richtig: Legen Sie bei Nachfragen dar, ob und welche Verbindungen zu anderen Unternehmen bestehen. Erklären Sie ausführlich, warum gegebenenfalls kein Unternehmensverbund vorliegt. Bei hohen Fördersummen oder drohenden hohen Rückforderungen raten Sie dem Mandanten bitte, schnell anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie als Steuerberater müssen nicht selbst jede Verästelung dieser komplexen Rechtsmaterie kennen oder selbst prüfen.

    Todsünde 5: Mangelnde Mandanteninformation – Der Vertrauensbruch

    Ein unterschätztes, aber gravierendes Problem ist die unzureichende oder verspätete Information der Mandanten. Steuerberater müssen Mandanten nach Eingang von Nachfragen oder Bescheiden unverzüglich informieren. Anfragen in Kanzleien zeigen: Die Wut auf Steuerberater wächst. Die Bereitschaft, diese wegen verspäteter Mitteilungen in Anspruch zu nehmen, steigt massiv.

    Viele Steuerberater erkennen nicht rechtzeitig, wann ein Fall kritisch wird und anwaltliche Unterstützung erforderlich ist. Sie versuchen, verwaltungsrechtliche Verfahren mit steuerrechtlichem Know-how zu bewältigen. Das kann schiefgehen. Mehrfach ist dokumentiert, dass Steuerberater unwirksame Klagen erhoben haben, weil ihnen die speziellen Anforderungen der Verwaltungsprozessordnung nicht bekannt waren.

    Die Vermischung der Rolle als prüfender Dritter mit der Prozessvertretung birgt erhebliche Haftungsgefahren. Persönliche Haftung bei Verfahrensfehlern und Regressansprüche der Mandanten drohen. Die ungeklärte Rechtslage zur Mitwirkungspflicht und die Unbarmherzigkeit der Behörden bei Fristen machen die Situation nicht einfacher.

    So machen Sie es richtig: Etablieren Sie klare Kommunikationsstandards. Informieren Sie Mandanten am Tag des Eingangs von Nachfragen oder Bescheiden. Dokumentieren Sie jede Kommunikation minutiös. Notieren Sie bei Telefonaten mit Bewilligungsstellen Namen der Ansprechpartner und Gesprächsinhalte. Bestätigen Sie wichtige Gespräche schriftlich.

    Ziehen Sie frühzeitig einen Rechtsanwalt hinzu, nicht erst nach Ergehen eines negativen Bescheids. Die Vorteile: Strategische Weichenstellung für mögliche Auseinandersetzungen, Vermeidung von Fehlern, die später nicht mehr heilbar sind, optimale Nutzung von Argumentationsmöglichkeiten bereits im Verwaltungsverfahren und professionelle Beweissicherung.

    Beachten Sie: Im Klageverfahren können neue Tatsachen aufgrund von Präklusion möglicherweise nicht mehr berücksichtigt werden. Ein umfassender Sachverhaltsvortrag bereits im Verwaltungsverfahren ist deshalb essenziell. Die Kosten für Rechtsberatung sind betriebswirtschaftlich überschaubar im Vergleich zur vollständigen Rückforderung der Corona-Hilfen oder zu Haftungsansprüchen der Mandanten.

    Prävention schützt vor Haftung

    Die Schlussabrechnungen der Überbrückungshilfen sind verwaltungsrechtliche Verfahren, keine steuerrechtlichen. Diese Erkenntnis muss handlungsleitend sein. Die fünf größten Fehlerquellen – Fristversäumnisse, unzureichende Sachverhaltsdarstellung, mangelnde Vorbereitung bei der Coronabedingtheit, Ignoranz beim Unternehmensverbund und fehlende Mandanteninformation – sind vermeidbar.

    Der Aufwand für präventive Maßnahmen erscheint zunächst hoch. Doch er ist verschwindend gering im Vergleich zu den Konsequenzen: Existenzgefährdung der Mandanten, Verlust der Mandantenbeziehung, Haftungsansprüche und im schlimmsten Fall der Verlust der Berufshaftpflichtversicherung.

    Die Bundesregierung rechnet mit einer Bearbeitung bis ins Jahr 2027. Die harte Prüfpraxis wird anhalten. Steuerberater müssen sich auf diese Realität einstellen und ihre Arbeitsweise entsprechend anpassen. Nur wer die Besonderheiten dieser Verfahren versteht und beachtet, kann seine Mandanten und sich selbst effektiv schützen.

    Dennis Hillemann
    Tanja Ehls

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