Am 19. Juli 2024 hat das Verwaltungsgericht Minden in einem wegweisenden Beschluss die Untätigkeitsklage eines Unternehmens gegen eine Bewilligungsstelle positiv beschieden und dem Land die Verfahrenskosten auferlegt. Dieser Beschluss wirft ein Schlaglicht auf die Rechte von Antragstellern bei langwierigen Verfahren zu den Corona-Überbrückungshilfen und zeigt auf, wie Betroffene gegen behördliche Verzögerungen vorgehen können. Der Fall verdeutlicht, dass Untätigkeit von Behörden nicht hingenommen werden muss – auch nicht bei laufenden strafrechtlichen Ermittlungen.
Worum ging es in dem Fall?
Ein Unternehmen hatte am 17. Mai 2022 über seinen prüfenden Dritten einen Antrag auf Überbrückungshilfe IV gestellt. Bis September 2023 lag jedoch kein Bescheid vor, obwohl die Frist für die Schlussabrechnungen am 31. Oktober 2023 näher rückte. Nach zahlreichen erfolglosen Versuchen, eine Antwort von der Bezirksregierung Detmold zu erhalten, wurde im September 2023 eine Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO erhoben.
Was ist eine Untätigkeitsklage?
- Sie kann erhoben werden, wenn eine Behörde ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von drei Monaten über einen Antrag oder Widerspruch entscheidet.
- Ziel der Klage ist es, die Behörde zur Bescheidung zu zwingen – unabhängig davon, ob der Antrag letztlich bewilligt oder abgelehnt wird.
- Besonderheit: Selbst wenn der Antragsteller keinen Anspruch auf die beantragte Leistung hat, muss die Behörde die Kosten des Verfahrens tragen, sofern die Klage zulässig war (vgl. § 161 Abs. 3 VwGO).
Die Argumentation der Behörde
Die Bezirksregierung Detmold begründete ihre Untätigkeit mit einem laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer des Unternehmens. Sie argumentierte, dass es Verwaltungspraxis sei, in solchen Fällen keine Anträge zu bescheiden, bis das Ermittlungsverfahren abgeschlossen sei.
Die Entscheidung des VG Minden
Das Verwaltungsgericht wies diese Argumentation zurück und verpflichtete das Land, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Dabei stellte es folgende Punkte klar:
- Ermittlungsverfahren sind kein ausreichender Grund: Ein strafrechtliches Verfahren bedeutet weder automatisch eine Schuld noch eine Unwürdigkeit zur Förderung. Die Behörde ist verpflichtet, den Antrag zu bescheiden und sich mit den Verdachtsmomenten konkret auseinanderzusetzen.
- Fehlende Kommunikation: Die Klägerin wurde nicht darüber informiert, dass die Nichtbescheidung mit dem Ermittlungsverfahren zusammenhängt. Die Behörde hätte eine aussagekräftige Zwischennachricht erteilen müssen, um die Gründe für die Verzögerung offenzulegen.
- Beratungs- und Hinweispflichten: Behörden sind verpflichtet, Antragstellern die Gründe für Verzögerungen transparent zu machen, um diese nicht in Unsicherheit zu belassen.
Wichtige Implikationen des Beschlusses
- Rechte der Antragsteller: Der Beschluss stärkt die Position von Antragstellern und macht deutlich, dass Behörden auch bei komplexen Fällen zur zeitnahen Bearbeitung verpflichtet sind.
- Keine Ausrede durch Ermittlungsverfahren: Ein strafrechtliches Verfahren kann Untätigkeit nur rechtfertigen, wenn ein konkreter Zusammenhang zum Antrag besteht und dies offengelegt wird.
- Kostenregelung: Auch wenn die Behörde den Antrag letztlich ablehnt, trägt sie die Verfahrenskosten, sofern die Untätigkeitsklage zulässig war.
Kann der Beschluss auf Schlussabrechnungen angewendet werden?
Die Frage, ob die Entscheidung auf die lange Bearbeitungszeit von Schlussabrechnungen übertragbar ist, bleibt offen.
- Bewilligungsstellen argumentieren, dass die Schlussabrechnungen besonders komplex sind und eine Bearbeitungszeit von bis zu drei Jahren benötigen. Diese Argumentation könnte eine Untätigkeitsklage in vielen Fällen erschweren.
- Mögliche Ausnahmen: In Fällen, in denen Antragsteller erhebliche Nachteile erleiden – etwa bei drohenden Nachforderungen oder geplanten Unternehmensverkäufen – könnte jedoch auch bei Schlussabrechnungen eine Untätigkeitsklage gerechtfertigt sein.
Praktische Empfehlungen für Steuerberater und Unternehmen
Wenn die Schlussabrechnung drängt, kann folgendes Vorgehen sinnvoll sein:
- Frist setzen: Fordern Sie die Behörde schriftlich auf, innerhalb von drei Wochen zu bescheiden, und weisen Sie auf die Kostenregelung des § 161 Abs. 3 VwGO hin.
- Klage vorbereiten: Sollte keine Antwort erfolgen, prüfen Sie die Möglichkeit einer Untätigkeitsklage mit anwaltlicher Unterstützung.
- Dokumentation: Stellen Sie sicher, dass alle relevanten Unterlagen und Korrespondenzen sorgfältig dokumentiert sind.
- Bei Schlussabrechnungen Geduld bewahren: Für Schlussabrechnungen könnte die Untätigkeitsklage erst im Laufe des Jahres 2025 relevant werden, wenn die Bearbeitungszeiten unangemessen lange werden.
Fazit
Der Beschluss des VG Minden ist ein wichtiger Schritt, um die Rechte von Antragstellern bei den Corona-Überbrückungshilfen zu stärken. Untätigkeitsklagen bieten ein effektives Mittel, um behördliche Verzögerungen zu überwinden und die Bearbeitung von Anträgen voranzutreiben.
Für weiterführende Informationen und den fachlichen Austausch besuchen Sie das Überbrückungshilfe-Netzwerk.
Dennis Hillemann
Tanja Ehls