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    02.01.2025

    Überbrückungshilfen: Handlungsmöglichkeiten nach versäumter Schlussabrechnung


    Die Corona-Überbrückungshilfen waren mit über 71 Milliarden Euro Fördervolumen das größte Hilfsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik. Nach Ablauf der finalen Frist zur Einreichung der Schlussabrechnungen am 30.09.2024 (und nach Mahnung bis 30.11.2024) stehen viele Unternehmen und ihre Berater nun vor der Frage, wie mit drohenden oder bereits ergangenen Rückforderungsbescheiden umzugehen ist.

    1. Aktuelle Situation Anfang 2025

    Die Bewilligungsstellen haben nach Ablauf der Einreichungsfrist damit begonnen, Mahnungen und schließlich auch Rückforderungsbescheide für nicht eingereichte Schlussabrechnungen zu versenden. Dabei wird regelmäßig die vollständige Rückzahlung aller erhaltenen Hilfen gefordert - unabhängig von der materiellen Berechtigung der ursprünglichen Förderung.

    2. Rechtliche Ausgangslage 

    Die Rechtsprechung hat die strikte Fristenregelung grundsätzlich bestätigt. So hat das VG Würzburg in seiner Grundsatzentscheidung vom Juli 2024 (Az. W 8 K 24.111) die Frist jedenfalls bei den Neustarthilfen als materielle Ausschlussfrist eingestuft. Es handelte sich dabei um eine Entscheidung zur Neustarthilfe, bei der das Gericht die strikte Handhabung der Frist zur Einreichung der Endabrechnung bestätigt hat.

    Allerdings sind viele Rechtsfragen noch ungeklärt, insbesondere die Verhältnismäßigkeit einer vollständigen Rückforderung bei nur formellen Verstößen.

    3. Handlungsoptionen für betroffene Unternehmen

    a) Widerspruch/Klage

    Der wichtigste Vorteil eines Rechtsbehelfs ist die aufschiebende Wirkung nach § 80 VwGO. Die Rückzahlung muss während des laufenden Verfahrens nicht geleistet werden. Dies verschafft Zeit für:

    • Nachträgliche Einreichung der Schlussabrechnung, soweit technisch und rechtlich möglich (Einzelfallfrage)
    • Vorbereitung einer Begründung für Widerspruch und Klage

    b) Prüfung von Haftungsansprüchen gegen Steuerberater

    Es kann im Einzelfall möglich sein, Haftungsansprüche gegen Steuerberater geltend zu machen, wenn diese mit der Schlussabrechnung betraut waren, diese aber nicht vorgenommen haben. 

    c) Klärung einer Finanzierung

    Schließlich kann es möglich sein, für die Dauer der aufschiebenden Wirkung eine Finanzierung für die Rückforderung zu erreichen. 

    4. Besonderheiten bei Steuerberaterhaftung

    Wurde die Frist durch den prüfenden Dritten versäumt, ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs auch zur Sicherung möglicher Haftungsansprüche wichtig. Die Haftpflichtversicherung des Steuerberaters könnte sonst einwenden, dass versäumt wurde, den Schaden durch Rechtsmittel zu minimieren.

    Andersherum sollten betroffene prüfende Dritte, die die Schlussabrechnung versäumt haben, entsprechende Rechtsbehelfe (in Absprache mit den Mandanten) einlegen, um eigene Haftung zu vermeiden. 

    5. Rechtliche Verteidigungsansätze

    Gegen Rückforderungen wegen versäumter Schlussabrechnung lassen sich verschiedene Argumente anführen:

    a) Verhältnismäßigkeit

    Eine vollständige Rückforderung trotz materieller Förderberechtigung könnte unverhältnismäßig sein.

    b) Vertrauensschutz 

    Bei nachgewiesener Förderberechtigung könnte ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Förderung entstanden sein.

    c) Gleichbehandlung

    Unterschiedliche Handhabung von Fristversäumnissen durch verschiedene Bewilligungsstellen könnte gegen Art. 3 GG verstoßen.

    d) Wirksamkeit der Fristen

    Die Wirksamkeit der Fristen für die Schlussabrechnungen ist aus verwaltungsrechtlicher Sicht durchaus diskutabel. Folgende Aspekte sind dabei kritisch zu beleuchten:

    aa. Rechtsgrundlage der Fristsetzung

    Die Fristen wurden primär in den FAQ kommuniziert, nicht in den eigentlichen Förderrichtlinien der Länder. Es stellt sich die Frage, ob FAQ als verwaltungsinterne Arbeitsanweisungen überhaupt eine ausreichende Rechtsgrundlage für materiell ausschließende Fristen darstellen können.

    bb. Formelle Anforderungen

    Die Fristsetzung erfolgte nicht durch klassischen Verwaltungsakt mit Rechtsmittelbelehrung. Die Bekanntgabe durch Veröffentlichung in FAQ und deren rechtliche Verbindlichkeit ist verwaltungsrechtlich zumindest diskussionswürdig.

    cc. Verhältnis zu den Bewilligungsbescheiden

    In den ursprünglichen Bewilligungsbescheiden wurde zwar ein Vorbehalt der Schlussabrechnung aufgenommen, häufig aber ohne konkrete Fristsetzung. Ob nachträgliche Fristvorgaben in FAQ diese Bescheide wirksam modifizieren können, ist rechtlich zu hinterfragen.

    Diese Punkte könnten in gerichtlichen Verfahren gegen Rückforderungsbescheide thematisiert werden.

    Klar ist allerdings: Die Rechtsprechung sieht die Verletzung von Mitwirkungspflichten extrem kritisch. Die Erfolgsaussichten eines Vorgehens sind daher völlig offen. 

    6. Prozessuale Besonderheiten

    Die Zuständigkeit für Rechtsbehelfe richtet sich nach Landesrecht. In einigen Bundesländern ist ein Widerspruchsverfahren vorgeschaltet, in anderen ist direkt Klage zu erheben. Die Monatsfrist ist in jedem Fall zwingend einzuhalten.

    7. Ausblick und Empfehlungen

    Die rechtliche Entwicklung bleibt abzuwarten. Höchstrichterliche Entscheidungen zur Rückforderung wegen versäumter Schlussabrechnungen stehen noch aus. Betroffene Unternehmen sollten:

    • Rückforderungsbescheide umgehend prüfen lassen
    • Rechtsbehelfsfristen unbedingt einhalten
    • Wenn möglich die Schlussabrechnung nachreichen
    • Rechtliche Beratung zur individuellen Situation einholen

    Wir bei ADVANT Beiten beraten Sie gerne schnell und pragmatisch. 

    Fazit

    Die versäumte Schlussabrechnung muss nicht automatisch zur Rückzahlung aller Hilfen führen. Mit der richtigen Strategie und juristischer Unterstützung bestehen durchaus Chancen, eine vollständige Rückforderung abzuwenden oder zumindest Zeit für eine geordnete Abwicklung zu gewinnen.

    Dennis Hillemann
    Tanja Ehls

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