Willkommen zum vierten Teil unserer siebenteiligen Artikelserie über die wichtigsten GovTech-Trends, die 2025 den öffentlichen Sektor weltweit prägen und transformieren werden. Nach unserer Analyse der Künstlichen Intelligenz, des Spatial Computing und der Cybersicherheit in den ersten drei Teilen widmen wir uns nun einem Trend, der besonders tief in die tägliche Arbeit von Behörden eingreift: Automatisierung und Prozessoptimierung.
Automatisierung: Der leise Revolutionär der Verwaltungsarbeit
In einer Zeit knapper Ressourcen, steigender Bürgererwartungen und komplexer werdender Verwaltungsaufgaben wird die Automatisierung und Optimierung von Prozessen zu einem zentralen Erfolgsfaktor für den öffentlichen Sektor. Diese Technologien ermöglichen es Behörden, mit weniger Mitteln mehr zu erreichen und gleichzeitig die Qualität ihrer Dienstleistungen substanziell zu verbessern.
Während die breite Öffentlichkeit oft über KI, Blockchain oder andere spektakuläre Technologien spricht, ist es in Wahrheit die konsequente Automatisierung von Routineaufgaben, die den größten und unmittelbarsten Einfluss auf die Effizienz der Verwaltung hat. Deutschland steht hier vor einem doppelten Problem: Nicht nur sind viele Prozesse noch nicht digitalisiert, sondern selbst bei digitalisierten Abläufen fehlt oft die Automatisierung – ein zweistufiges Defizit, das dringend behoben werden muss.
Die globale Automatisierungslandschaft: Der stille Wettlauf um effizientere Verwaltung
Weltweit setzen Regierungen verstärkt auf Automatisierungstechnologien, um Verwaltungsprozesse zu optimieren und den Bürgerservice zu verbessern:
- In Estland, oft als Vorreiter der digitalen Verwaltung bezeichnet, werden 99% der Behördendienste online angeboten, viele davon vollständig automatisiert. Das "Once-Only-Prinzip" stellt sicher, dass Bürger ihre Daten nur einmal eingeben müssen.
- Singapur nutzt Robotic Process Automation (RPA) für die Bearbeitung von Steueranträgen und hat dadurch die Bearbeitungszeit um beeindruckende 80% reduziert. Mitarbeiter können sich so auf komplexere Fälle konzentrieren.
- In Dänemark werden automatisierte Systeme für die Auszahlung von Sozialleistungen eingesetzt, was zu erheblichen Effizienzsteigerungen und einer Reduzierung von Fehlern geführt hat.
American City & County berichtet, dass Automatisierung eine entscheidende Rolle bei der Überbrückung von Personalengpässen in Behörden spielt. RPA-Systeme übernehmen Dokumentenverarbeitung, Compliance-Prüfungen und Dateneingaben, wodurch Mitarbeiter sich auf strategische Prioritäten konzentrieren können. Cloudpermit betont, dass die Automatisierung zeitaufwändiger administrativer Aufgaben ein zentraler GovTech-Trend für 2025 ist.
Auffällig ist zudem der Trend zu mobilen Lösungen für Behördenmitarbeiter. In Neuseeland nutzen Polizeibeamte mobile Apps, um Arbeit direkt vor Ort zu erledigen und Notizen sowie Fotos hinzuzufügen. Diese Apps funktionieren auch offline, was die Produktivität im Außendienst erheblich steigert und Medienbrüche vermeidet.
Warum Automatisierung und Prozessoptimierung für den deutschen öffentlichen Sektor besonders relevant sind
Deutschland steht vor besonderen Herausforderungen, die Automatisierung besonders dringlich machen:
- Digitale Antragsverfahren: Deutschland ist bekannt für seine komplexen Verwaltungsverfahren und den damit verbundenen Papieraufwand. Automatisierte Antragsverfahren können den Prozess für Bürger und Unternehmen erheblich vereinfachen. Die Stadt München hat beispielsweise ein digitales Baugenehmigungsverfahren eingeführt, das die Bearbeitungszeit deutlich reduziert hat.
- Intelligente Formulare und adaptive Systeme: Adaptive Formulare, die sich an die Eingaben der Nutzer anpassen und nur relevante Fragen anzeigen, können die Benutzerfreundlichkeit erhöhen und Fehler reduzieren. Dies ist besonders relevant für Deutschland mit seinen oft komplexen Formularen und Anträgen, die Bürger und Unternehmen regelmäßig überfordern.
- Automatisierte Compliance-Prüfungen: In Deutschland mit seinem umfangreichen Regelwerk können automatisierte Systeme zur Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften die Effizienz steigern und Fehler reduzieren. Dies ist besonders relevant für Bereiche wie Baurecht, Umweltschutz und Gewerbeaufsicht, wo komplexe Regelwerke angewendet werden müssen.
- Mobile Lösungen für Außendienste: Für deutsche Behörden mit umfangreichen Außendiensttätigkeiten, wie Bauaufsicht, Lebensmittelkontrolle oder Umweltschutz, bieten mobile Lösungen erhebliche Effizienzgewinne. Amtswalter können Berichte vor Ort erstellen und direkt in die Systeme einspeisen, was Doppelarbeit vermeidet und die Aktualität der Daten verbessert.
- Automatisierte Bürgerservices: Chatbots und virtuelle Assistenten können in deutschen Behörden Routineanfragen bearbeiten und so Mitarbeiter entlasten. Die Stadt Köln hat beispielsweise einen Chatbot eingeführt, der häufig gestellte Fragen beantwortet und Bürger zu den richtigen Formularen und Ansprechpartnern leitet.
Die spezifischen Hürden im deutschen Kontext
Die Implementierung von Automatisierung und Prozessoptimierung im deutschen öffentlichen Sektor steht vor charakteristischen Herausforderungen:
- Komplexe rechtliche Rahmenbedingungen: Deutschland hat ein komplexes Rechtssystem mit zahlreichen Vorschriften auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Die Automatisierung von Prozessen erfordert eine sorgfältige Berücksichtigung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen und oft die Anpassung von Gesetzen und Verordnungen.
- Föderale Strukturen: Die föderale Struktur Deutschlands führt zu unterschiedlichen Systemen und Standards in verschiedenen Bundesländern und Kommunen. Dies erschwert die Entwicklung einheitlicher Automatisierungslösungen und führt zu Insellösungen, die nicht interoperabel sind.
- Widerstand gegen Veränderung: In deutschen Behörden gibt es oft Vorbehalte gegenüber Veränderungen und neuen Technologien. Die Einführung von Automatisierungslösungen erfordert daher ein umfassendes Change Management, das die Befürchtungen der Mitarbeiter ernst nimmt und sie in den Transformationsprozess einbezieht.
- Datenschutz und Datensicherheit: Deutschland hat strenge Datenschutzgesetze, die bei der Automatisierung von Prozessen berücksichtigt werden müssen. Die Einhaltung der DSGVO und anderer Vorschriften ist eine zentrale Herausforderung, die oft als Hindernis für Automatisierungsinitiativen wahrgenommen wird.
- Integration mit Legacy-Systemen: Viele deutsche Behörden arbeiten noch mit veralteten IT-Systemen, die nicht ohne Weiteres mit modernen Automatisierungslösungen kompatibel sind. Die Integration dieser Systeme ist oft komplex und kostspielig, aber unvermeidbar für eine ganzheitliche Automatisierung.
Der Weg nach vorn: Handlungsempfehlungen für den deutschen öffentlichen Sektor
Um das Potenzial von Automatisierung und Prozessoptimierung voll auszuschöpfen, sollte der deutsche öffentliche Sektor folgende Maßnahmen ergreifen:
- Prozessanalyse vor Automatisierung: Bestehende Prozesse sollten vor der Automatisierung gründlich analysiert und gegebenenfalls neu gestaltet werden. Oft ist es sinnvoller, einen ineffizienten Prozess zu optimieren, bevor er automatisiert wird. Der Grundsatz "Erst optimieren, dann digitalisieren, dann automatisieren" sollte leitend sein.
- Entwicklung einer Automatisierungsstrategie: Eine koordinierte Strategie mit klaren Zielen, Prioritäten und Ressourcenzuweisungen für die Automatisierung von Verwaltungsprozessen ist unverzichtbar. Diese Strategie sollte alle Verwaltungsebenen einbeziehen und auf bestehenden Best Practices aufbauen.
- Aufbau von Kompetenzzentren: Die Schaffung spezialisierter Zentren, die Behörden bei der Implementierung von Automatisierungslösungen unterstützen und Best Practices teilen, kann auch kleineren Verwaltungen Zugang zu spezialisiertem Know-how verschaffen.
- Investitionen in Aus- und Weiterbildung: Gezielte Programme zur Förderung von Kompetenzen im Bereich Prozessoptimierung und Automatisierung bei Behördenmitarbeitern sind notwendig, um die Akzeptanz zu erhöhen und die nachhaltige Nutzung der Technologien zu gewährleisten.
- Förderung von Standards und Interoperabilität: Die Entwicklung einheitlicher Standards für Automatisierungslösungen ist entscheidend, um die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Behörden und Verwaltungsebenen zu erleichtern und teure Insellösungen zu vermeiden.
- Pilotprojekte und schrittweise Implementierung: Der Beginn mit kleineren Pilotprojekten, um Erfahrungen zu sammeln und Erfolge zu demonstrieren, bevor größere Automatisierungsinitiativen gestartet werden, ist ein bewährter Ansatz, der Risiken minimiert und die Akzeptanz erhöht.
- Bürger- und Mitarbeiterbeteiligung: Die Einbeziehung von Bürgern und Mitarbeitern in die Gestaltung automatisierter Prozesse ist wichtig, um die Akzeptanz zu erhöhen und sicherzustellen, dass die Lösungen den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen und nicht an der Realität vorbeigehen.
Ausblick
Durch die strategische Implementierung von Automatisierung und Prozessoptimierung kann der deutsche öffentliche Sektor seine Effizienz steigern, bessere Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger erbringen und den Herausforderungen knapper Ressourcen und steigender Anforderungen begegnen. Nur eine ausgewogene Herangehensweise, die technologische Innovation mit Elementen wie Genauigkeit, Datenschutz und Bürgernähe kombiniert, kann erfolgreich sein.
Im nächsten Teil unserer Serie werden wir uns dem fünften großen GovTech-Trend 2025, Hardware-Evolution und energieeffizientes Computing, widmen. Wir werden untersuchen, wie innovative Hardware-Lösungen und nachhaltige Rechenansätze den öffentlichen Sektor verändern und welche spezifischen Chancen sich für Deutschland ergeben.
Dennis Hillemann
Johannes Voß-Lünemann
Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und berät zur digitalen Transformation im öffentlichen Sektor. Johannes Voß-Lünemann ist Rechtsanwalt mit Fokus auf das Vergaberecht und Verwaltungsrecht. Sie beraten Unternehmen und Verwaltungen zu den Auswirkungen technologischer Veränderungen und plädieren für eine progressive, aber rechtssichere Digitalisierung.
Dies ist der vierte Teil einer siebenteiligen Serie über die wichtigsten GovTech-Trends 2025, die den öffentlichen Sektor weltweit transformieren.