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    13.03.2025

    „Zuschuss frei!“ – Entlastung für Gemeinden


    Die umsatzsteuerliche Behandlung von Zuschüssen ist für den Rechtsanwender ohne vertiefte Kenntnisse im Umsatzsteuerrecht oft nur schwer oder gar nicht verständlich. Mit Urteil vom 17. April 2024 (Az.:
    XI R 12/21) hat der XI. Senat des BFH nun allerdings die Position der Gemeinden gestärkt, mehr Rechtsklarheit geschaffen und angesichts der milliardenschweren Defizite kommunaler Haushalte für einen lang ersehnten Geldregen gesorgt.

    Im konkreten Fall ging es um die Behandlung einer Landeszuweisung von Fördermitteln an eine Gemeinde für den Bau einer Anlegerbrücke. Nach Errichtung vermietete die Gemeinde die Brücke (dauerdefizitär) an eine GmbH, die diese für die Erbringung ihrer ÖPNV-Fährverkehre sowie weitere touristische Angebote nutzte. Zur Finanzierung der Brücke erhielt die Gemeinde Zuschüsse, u. a. vom Land. Das Finanzamt war der Ansicht, die Landeszuweisung sei als Entgelt von dritter Seite der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

    Vorab nutzt der BFH in seinem Urteil die Gelegenheit, die Finanzverwaltung gleich in zweifacher Hinsicht auf seine mittlerweile gefestigte Rechtsprechung hinzuweisen. Danach ist zum einen die Gewinnerzielungsabsicht keine Voraussetzung der Unternehmereigenschaft im umsatzsteuerrechtlichen Sinn. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes können auch dauerdefizitäre Betriebe Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG sein, da das ertragssteuerrechtliche Konzept der Liebhaberei in der Umsatzsteuer keine Anwendung findet. Wichtig in diesem Zusammenhang ist aber zu erwähnen, dass Voraussetzung für die Anerkennung der unternehmerischen Betätigung noch immer ist, dass die KdöR marktgerechte Entgelte erhebt. Andernfalls läge – zumindest nach bisheriger Rechtsprechung des BFH und EuGH – keine ernstgemeinte wirtschaftliche Betätigung vor, die als unternehmerisch qualifiziert werden könnte (so EuGH, Urteil vom 2. Juni 2016, Az. C-263/15, Lajvér Kft., UR 2016, 525; auch EuGH, Urteil vom
    4. Juli 2024, Az. C-87/23 Renvoi préjudiciel, Fiscalité, Taxe sur la valeur ajoutée (TVA), UR 2024, 603). Interessant in diesem Zusammenhang sind die Ausführungen des XI. Senats zur Frage der Gestaltungsfreiheit der beteiligten Stakeholder. Auch den öffentlich-rechtlichen Organisationen gesteht der XI. Senat die Gestaltungsfreiheit ein, „… die Organisationsstrukturen und die Geschäftsmodelle, die sie als für ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten und zur Begrenzung ihrer Steuerlast am besten geeignet erachten, im Allgemeinen frei zu wählen (vgl. EuGH v. 09.01.2023 – C-289/22, A.TS 2003, EU:C:2023:26, BeckRS 2023, 12422 Rn. 40)“. Das bedeutet, dass auch in diesen Fällen eine Gestaltungsfreiheit aller Beteiligten besteht.

    Aus Sicht des XI. Senats stellt die Landeszuweisung einen nicht steuerbaren Zuschuss dar und eben kein Entgelt eines Dritten, da die Zahlung aus strukturpolitischen Gründen zur Förderung der Verkehrsinfrastruktur der Region gezahlt wurde und gerade nicht zur Ermöglichung oder Unterstützung der unternehmerischen Betätigung der die Brücke nutzenden GmbH. Dieser Fall zeigt instruktiv, dass die umsatzsteuerrechtliche Einordnung im Einzelfall selbst für Experten zuweilen eine Herausforderung darstellt. Nicht jede Zahlung, die als Zuschuss, Zuwendung, Beihilfe oder Prämie bezeichnet wird, gilt umsatzsteuerrechtlich auch als Zuschuss. Zuschuss im umsatzsteuerrechtlichen Sinne kann eine Zahlung nur dann sein, wenn sie Gegenleistung eines Leistungsaustauschs zwischen dem Fördergeber und dem Förderempfänger ist.

    Auf den Vorsteuerabzug entfalten nach dem Urteil des XI. Senats nicht steuerbare Zuschüsse nicht zwingend eine Auswirkung. In der Vergangenheit haben Zuschüsse oftmals die Vorsteuerabzugsquote gemindert. Nun ist klar: solange die Eingangsleistungen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen stehen, bleibt die Art der Finanzierung unerheblich für das Recht auf Vorsteuerabzug. Der Umstand, dass der Bau der Brücke teilweise durch Zuschüsse finanziert wurde, führt demnach nicht zu einer Kürzung des Vorsteuerabzugs.

    Wieder einmal weist der XI. Senat ausdrücklich darauf hin, dass eine Gemeinde aus umsatzsteuerrechtlicher Perspektive nur ein einziges Unternehmen unterhält; die Adressierung eines Umsatzsteuerbescheides an den Betrieb gewerblicher Art (BgA) einer Gemeinde ist daher – wie im vorliegenden Fall – schlichtweg falsch. Dies ergibt sich bereits aus dem Umsatzsteueranwendungserlass, hat sich aber wohl noch nicht bei allen Finanzämtern herumgesprochen. Aus diesem Grunde wird das Verfahren an das Finanzgericht zurückverwiesen.

    Die Entscheidung bestätigt einen sich ohnehin abzeichnenden Trend der höchstrichterlichen Rechtsprechung: die Erweiterung der Qualifizierung von Zuschüssen der öffentlichen Hand als nicht umsatzsteuerbar. Eine insgesamt erfreuliche Entwicklung und besonders für die Praxis begrüßenswert, weil das Urteil für dringend benötigte Klarheit im umsatzsteuerrechtlichen Umgang mit öffentlichen Zuschüssen sorgt, deren Grundsätze zur Prüfung herangezogen werden können. Speziell der öffentliche Personennahverkehr kann aufatmen, da kommunale Verkehrsbetriebe nun darauf vertrauen können, dass Landeszuschüsse nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Letztlich überzeugen auch die Ausführungen zum Vorsteuerabzug und zeigen gleichzeitig, dass eine Kürzung des Vorsteuerabzuges seitens der Finanzämter stets kritisch überprüft werden sollte.

    Marcus Mische
    Jakob Gerstung

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