Der vielbeschworene Markthochlauf des Wasserstoffsektors gestaltete sich zuletzt eher schleppend. Wer Ursachenforschung betreibt, landet schnell beim äußerst herausfordernden regulatorischen Rahmen. Dieser ist einerseits durch eine Vielzahl von Anreizmechanismen gekennzeichnet; birgt andererseits aber auch erhebliche regulatorische Risiken durch hohe Anforderungen, bspw. an die Qualifikation als erneuerbarer Wasserstoff[1].
Dem zum Trotze bleibt Wasserstoff in den Augen der neuen Regierungskoalition eine zentrale Schlüsseltechnologie. Mit dem Sondervermögen Infrastruktur[2] auf der einen Seite und dem perspektivisch erweiterten beihilferechtlichen Rahmen auf der anderen Seite gibt es tatsächlich neue Impulse, die Hoffnung machen.
Grund genug, einen Blick auf die politische Agenda und die korrespondierenden Stellschrauben im regulatorischen Rahmen zu werfen.
Die Zukunft der Wasserstoffwirtschaft wird im Koalitionsvertrag zentral über immerhin zwanzig Zeilen verhandelt (S. 34), die es in sich haben:
Weitere Ideen für zusätzliche Anreize der Nachfrage nach Wasserstoff finden sich bereits auf S. 6 des Koalitionsvertrags. Dort werden klimaneutrale Leitmärkte über die Quotenregime (bspw. für grünen Stahl) oder vergaberechtliche Hebel skizziert.
Geht es nach der Kommission, steht Deutschland (und den übrigen Mitgliedstaaten) in Zukunft ein erweiterter beihilferechtlicher Rahmen für die Förderung von Investitionen in den Wasserstoffhochlauf zur Verfügung.
So sieht der im Februar von der Kommission im Entwurf vorgelegte Clean Industrial Deal[3] ausdrücklich auch einen neuen Beihilferahmen vor (sog. Clean Industrial State Aid Framework – CISAF[4]). Dieser soll neben die bestehenden Leitlinien für staatliche Umwelt-, Klimaschutz und Energiebeihilfen treten. Dabei rücken – wie der Name bereits andeutet – industriepolitische Maßgaben in den Mittelpunkt. Zudem benennt der vorliegende Entwurf die Herausforderung der Kumulierung verschiedener beihilferechtlicher Vehikel ausdrücklich und versucht diese aufzulösen.
Überdies werden weitere Impulse für die Wasserstoffbranche aus Brüssel erwartet. So soll noch in 2025 der delegierte Akt zu kohlenstoffarmem Wasserstoff verabschiedet werden, um Klarheit für Investoren zu schaffen. Flankierend wird eine Studie zur Bewertung der Wirksamkeit des aktuellen regulatorischen Rahmens und zur Identifizierung möglicher Hindernisse für den Ausbau erneuerbaren Wasserstoffs durchgeführt.
Im zweiten Quartal 2025 soll über die Europäische Wasserstoffbank (EHB) ein Wasserstoff-Mechanismus eingeführt werden, über den Abnehmer und Anbieter zusammengebracht und Finanzierungs- sowie Risikominderungsinstrumente bereitgestellt werden. Eine dritte Ausschreibungsrunde der EHB mit einem Budget von bis zu EUR 1 Mrd. ist für das dritte Quartal 2025 geplant.
Mit dem Regierungswechsel als Katalysator dürfte sich der Rechtsrahmen für die Wasserstoffwirtschaft einschließlich der Förderlandschaft in den kommenden Monaten abermals ändern.
Neben neuen Fördervehikeln sind allerdings auch Anpassungen an bestehenden Privilegierungen nicht auszuschließen.
So zweifelt bspw. die Bundesnetzagentur mit ihrem kürzlich veröffentlichten Diskussionspapier zur Fortentwicklung der allgemeinen Netzentgeltsystematik die Sinnhaftigkeit der bestehenden zwanzigjährigen Netzentgeltprivilegierung für Elektrolyseure an.[5]
Daher braucht es bei der vertraglichen Ausgestaltung von Projekten flexible Regelungen, die die wirtschaftlichen Interessen auch vor dem Hintergrund einer sich stetig ändernden Rechtslage wahren.
Überdies müssen förderrechtliche Herausforderungen bei der Kumulierung von Privilegierungen bewältigt werden. Denn auch jenseits der beihilferechtlich abgesegneten Förderungen bspw. im Rahmen der IPCEI-Wellen oder der EHB-Ausschreibungen können nationale Regelungen unter Kumulierungsverbote fallen. Schließlich drohen ebenfalls Rückforderungen, wenn Fördermittelempfänger gegen vergaberechtliche Gebote bei der Verwendung der Fördermittel verstoßen. Bei Beschaffungsvorgängen sollte der durch den jeweiligen Fördermittelgeber und das geltende Vergaberecht gesetzte Rahmen daher ohne Ausnahme beachtet werden, um böse Überraschungen – bspw. im Rahmen einer späteren Mittelverwendungsprüfung – zu vermeiden.
Mit dem Sondervermögen Infrastruktur auf der einen und dem kurzfristig erweiterten beihilferechtlichen Instrumentarium stehen die Chancen für einen erfolgreichen Markthochlauf in Deutschland so gut, wie lange nicht mehr.
Zudem steht mit Katherina Reiche eine ausgewiesene Kennerin an der Spitze des BMWE, die glaubhaft für eine Konsolidierung des rechtlichen Rahmens steht. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Maßgaben für neue und bereits in der Realisierung befindliche Projekte ändern, dürfte daher weiterhin hoch bleiben.
Autoren: Sebastian Berg und Max Stanko
Beteiligte Experten: Julian Gruß und Johannes Voß-Lünemann
[1] Vgl. BDEW, Strombezugskriterien Delegierter Rechtsakt für RFNBO-konformen Wasserstoff, mit deutlicher Kritik an der derzeitigen Ausgestaltung der Kriterien der Zusätzlichkeit und der zeitlichen Korrelation, abrufbar unter: Strombezugskriterien Delegierter Rechtsakt für RFNBO-konformen Wasserstoff | BDEW
[2] Der DVGW fordert insoweit weitere 50 Milliarden aus dem Sondervermögen Infrastruktur, um den Markthochlauf final anzukurbeln, DVGW e.V.: 2025-04-23 - Sondervermoegen.
[3] Siehe hierzu auch bereits: EU-Kommission stellt den Action Plan for Affordable Energy als Teil des Clean Industrial Deals vor | ADVANT Beiten
[4] Siehe Entwurfsfassung unter 45b532ce-53fb-4907-975c-79edaa31a166_en.
[5] BNetzA, Bundesnetzagentur - Presse - Bundesnetzagentur veröffentlicht Diskussionspapier zur Bildung der Stromnetzentgelte.