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    06.03.2025

    Endlich: Wertpapiergebundene Direktzusagen ohne Mindestleistung sind passivierungsfähig!


    BFH stoppt jahrzehntelange Bilanzierungspraxis der Finanzverwaltung!

    Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs hat der in Teilen der Literatur stark kritisierten Meinung der Finanzverwaltung zur "Passivierungsverweigerung" bei wertpapiergebundenen Direktzusagen ohne Mindestleistung (BMF-Schreiben vom 17. 12. 2002, Az. IV A 6 - S 2176 - 47/02, BStBl. I 2002, 1397, erweiternd OFD Koblenz, Erlass vom 15. Oktober 2003, Az. S 2176 A - St 41 2, DStR 2003, 2119) endlich ein Ende bereitet.

    Dabei überzeugt die Argumentation des Senats – die sich nicht nur kritisch mit der Auffassung der Finanzverwaltung, sondern auch mit dem Begehren der Steuerpflichtigen, abweichend von § 6a Abs. 3 EStG den Wert der Fondsanteile zum Bilanzstichtag anzusetzen zu wollen, auseinandersetzt – insbesondere durch ihre Orientierung am Gesetzeswortlaut und an den Motiven des Gesetzgebers. 

    Ergebnis 

    Um das Ergebnis der komplexen und langen juristischen Auseinandersetzung in dieser Sache vorwegzunehmen:

    Eine wertpapiergebundene Direktzusage ohne Mindestleistung kann mit dem Anschaffungsbarwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG (bei Entgeltumwandlung mit dem Anwartschaftsbarwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG) passiviert werden. Der Ansatz des reinen Verkehrswertes der Fondsanteile kommt dagegen nicht in Betracht.

    Begründung 

    Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs hat dabei mit einigen Argumenten der Finanzverwaltung, die eine komplette Nichtanerkennung der wertpapiergebundenen Direktzusage zur Folge hatten, endgültig aufgeräumt und dabei auch Widersprüche in der Argumentation der Finanzverwaltung deutlich gemacht. 

    Neben einigen sehr formalen Argumenten hatte die Finanzverwaltung in der Vergangenheit insbesondere zwei Argumente gegen eine Passivierungsfähigkeit der wertpapiergebundenen Direktzusage vorgebracht:

    1. Die Verpflichtung aus der wertpapiergebundenen Direktzusage ist nicht passivierbar, da es sich nicht um eine Versorgungszusage i. S. d. Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) handelt und daher steuerlich nicht anzuerkennen sei.
    2. Eine wertpapiergebundene Direktzusage enthalte keine Zusage einer von vornherein bestimmbaren Leistungshöhe, da diese vom Wert der Fondsanteile zum Zeitpunkt des Leistungseintritts abhängig gemacht werde. 

    Zu dem Argument aus Ziff. 1 stellt der XI. Senat des Bundesfinanzhofs sehr instruktiv fest, dass eine Pensionsverpflichtung i.S.v. § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG gerade nicht voraussetzt, dass die erteilte Versorgungszusage ihrem Wesen nach in den Anwendungsbereich des BetrAVG fällt. Eine Pensionsverpflichtung im Sinne des § 6a Abs. 1 EStG ist bereits dann anzunehmen, wenn ein Arbeitgeber Verpflichtungen gegenüber seinen Arbeitnehmern aus Gründen der betrieblichen Altersversorgung und damit zur Absicherung mindestens eines biometrischen Risikos (Alter, Tod, Invalidität) eingeht. Anders als § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG für die Bewertung verweist § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG gerade nicht auf das BetrAVG. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Pensionsverpflichtungen im Sinne des § 6a Abs. 1 EStG und der Anwendungsbereich des BetrAVG nicht deckungsgleich sind. Dies wird bereits auch aus der vergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Anerkennung von direkt Zusagen gegenüber beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern deutlich, da auf diese das BetrAVG einer Anwendung findet. Soweit eine steuerlich anzuerkennende Pensionsverpflichtung vorliegt, kann es sich auch nicht um eine reine Vermögensbildung für den Berechtigten handeln, damit der Finanzierung der Pensionsverpflichtung die Absicherung eines biometrischen Risikos verbunden ist.

    Darüber hinaus sieht der XI. Senat des Bundesfinanzhofs in dem unter Ziff. 2 aufgeführten Argument der Finanzverwaltung, der Rechtsanspruch nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG müsse eine Mindestleistung im Zeitpunkt der Zusage vorsehen, als eine unzulässige Auslegung des Wortlauts des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nach dem Verständnis des XI. Senats des Bundesfinanzhofs regelt die Konjunktion "wenn und soweit" zwar den Umfang und die Höhe jedes abtrennbaren Leistungsversprechens, sodass eine Pensionsverpflichtung auch zum Teil steuerlich als nicht anerkennungsfähig qualifiziert werden kann. Nicht dagegen wird mit dem Wort "soweit" aber eine bestimmte Mindestversorgung i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG gefordert, um zu einer zulässigen steuerbilanziellen Rückstellung zu kommen.

    Dies bedeutet aber nicht, dass es für die dem Grunde nach ansatzfähige Pensionsrückstellung einen Freibrief für die Bewertung selbiger geben würde. Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs erteilte im Antrag des Steuerpflichtigen, die Pensionsrückstellung mit dem Wert der Vorteile zu bewerten, eine deutliche Absage. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Bewertung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG durch die Anwendung der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik überschrieben werden sollten. Denn für die Bewertung der Pensionsverpflichtungen steht ein gesetzliches Bewertungsregime zur Verfügung. Sollte der Gesetzgeber dieses für reformbedürftig halten, müssten entsprechende Änderung vorgenommen werden. Im Übrigen würde die mit der Anwendung des bestehenden Verwertungsregimes verbundene Verlagerung der Gewinnminderungen auf spätere Veranlagungszeiträume nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, da eine Bemessung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht auf den Zeitpunkt der Gewinnminderung abstellt, sondern lediglich auf den Totalgewinn.

    Als Grundlage für die Bewertung der Pensionsrückstellung in der Anwartschaftsphase ist je nach Ausgestaltung der wertpapiergebundenen Direktzusage entweder der Anschaffungsbarwert nach § 6a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 1. Halbsatz EStG oder für den Spezialfall der Entgeltumwandlung der Anwartschaftsbarwert nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 2. Halbsatz EStG ermitteln. Dies führt letztendlich dazu, dass die Pensionsverpflichtung mit dem Teilwert auf Basis des Verkehrswertes der Fondsanteile zum jeweiligen Bilanzstichtag zu bewerten ist. 

    Fazit für die Praxis

    Für etwaige wertpapiergebundene Direktzusagen, die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 EStG erfüllen, können nachträglich für alle noch offenen Veranlagungszeiträume berichtigt werden. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nach § 6 Abs. 4 EStG ein Nachholverbot besteht. Das bedeutet, dass eine Korrektur/Berichtigung nur insoweit möglich ist, als der Aufwand bei richtiger Berechnungsweise der Pensionsrückstellung im Geschäftsjahr hätte angesetzt werden können. Dies führt dazu, dass die Passivierung von Pensionsrückstellungen für bereits Festsetzungsverjährung Jahre nicht aufwandswirksam berücksichtigt werden können.

    Unter Berufung auf das besprochene Urteil einen der Zukunft – zumindest solange die Finanzverwaltung eine Korrektur der hier angewandten gesetzlichen Regelungen nicht initiiert – wertpapiergebundene Direktzusagen erteilt werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in der Direktzusage für den Fall des Leistungseintritts insbesondere eine Regelung enthalten ist, die die Höhe der jeweiligen Versorgungsleistung festlegt.

    Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf den kommentierten Beschluss reagieren wird. Es ist nicht auszuschließen, dass die Steuerpflichtigen sich unmittelbar auf den ergangenen Beschluss berufen müssen. Eine Veröffentlichung im Bundessteuerblatt wird sicherlich noch auf sich warten lassen. Sollte dies geschehen, wird das BMF-Schreiben vom 17. 12. 2002, Az. IV A 6 - S 2176 - 47/02, BStBl. I 2002, 1397, sowie der erweiternde Erlass der OFD Koblenz vom 15. Oktober 2003, Az. S 2176 A - St 41 2, DStR 2003, 2119 werden vor dem Hintergrund des Beschlusses aufgehoben werden müssen.

    Marcus Mische

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