BFH lehnt die Auffassung der Finanzverwaltung zur Kürzung des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags im Rahmen der Anwachsung auf eine Kapitalgesellschaft ab.
Mit Urteil vom 25. April 2024 (Az: III R 30/21) stellt der BFH klar, dass gewerbesteuerliche Verluste bei Anwachsung einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft erhalten bleiben, und zwar unabhängig davon, ob der Gewerbebetreib der Personengesellschaft anschließend erhalten bleibt oder nicht.
Der Verlustvortrag hat für Unternehmen eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, da er die Möglichkeit bietet, den Unternehmensgewinn und folglich die darauf anfallenden Steuerlasten durch Verrechnung mit den Verlusten zu mindern.
Für die Geltendmachung eines Gewerbeverlusts bedarf es sowohl der Unternehmer- als auch der Unternehmensidentität. Während die Unternehmeridentität in der Praxis meist unproblematisch aufgrund von Personenidentität der Anteilseigner gegeben ist, erscheint die Feststellung der Unternehmensidentität problematisch. Diese liegt vor, wenn der im Verlustabzugsjahr bestehende Gewerbebetrieb mit jenem identisch ist, der im Verlustentstehungsjahr bestand (auch Unternehmensgleichheit genannt). Hierbei unterscheidet sich die Behandlung von Kapital- und Personengesellschaften. Eine und dieselbe Personengesellschaft kann mehrere Gewerbebetriebe haben, wohingegen bei einer Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG sämtliche Tätigkeiten stets als ein Gewerbebetrieb angesehen werden (Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs). Dieser Grundsatz gelte auch, wenn das Vermögen einer Personengesellschaft im Wege der Anwachsung auf eine GmbH übergehe.
Bisher wurde von Teilen der Literatur und von der Finanzverwaltung vertreten, dass die Kapitalgesellschaft den von der Personengesellschaft übernommenen Verlust nur so lange nutzen könne, wie sie auch den übergegangenen Gewerbebetrieb fortführe. Es sollte daher zur Nutzung des übernommenen gewerbesteuerlichen Verlustvortrags eine Schattenbuchführung erstellt werden, die die Fortführung des übernommenen Gewerbebetriebs belege. Der BFH stellt nun klar, dass es für diese Ansicht an einer Rechtsgrundlage fehle. Insbesondere die Regelungen der §§ 8c, 8d KStG zeige, dass eine Regelung für die Versagung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags notwendig sei. Dies lasse sich insbesondere auch aus den Gesetzesmaterialien herleiten. Auch eine Regelung die Zusammensetzung und die Verwendungsreihenfolge für einen derzeit noch einheitlich festgestellten Gewerbeverlust, aus der sich dessen Zusammensetzung insbesondere im vorliegenden Zusammenhang erkennen lässt, besteht nicht.
Obwohl sich das Urteil nach der Rechtslage vor Einführung der §§ 8c, 8d KStG richtet, dürfte mangels entsprechender Gesetzesänderungen die Entscheidung auch nach derzeitiger Rechtslage nicht anders ausfallen. Gewerbesteuerliche Verlustvorträge bleiben bei Anwachsung einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft erhalten, soweit die Unternehmeridentität im Zeitpunkt der Anwachsung gegeben ist und der Gewerbebetrieb bei Anwachsung auf die Kapitalgesellschaft noch bestanden hat.
Der BFH weist den Gesetzesgeber ganz ausdrücklich darauf hin, dass es dessen Aufgabe ist, darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Beschränkung des Verlustabzugs im Fall der Anwachsung erfolgen soll. Bis dahin bleibt die Fortführung des übergegangenen Gewerbebetriebs nicht erforderlich. Darüber hinaus ist selbst die Veräußerung von Teilen des Gewerbebetriebes der übernehmenden Kapitalgesellschaft unschädlich, solange nicht der ganze Betrieb veräußert wird.
Die Entscheidung des BFH ist sehr begrüßenswert. Gerade für Unternehmen, die eine Umstrukturierung in Betracht ziehen, hat die Aufrechterhaltung des gewerbesteuerlichen Verlustvortrages erhebliche Relevanz. Insofern besteht nun für etwaige Anliegen bis zu einer etwaigen Gesetzesänderung mehr Planungssicherheit.
Abschließend weisen wir darauf hin, dass derzeit ein weiteres Verfahren zum fortführungsgebundenen Verlustvortrag im elften Senat des BFH anhängig ist, dessen Ausgang abzuwarten bleibt (Az: XI R 2/23). Es ist zu erwarten, dass sich der XI. Senat dem III. Senat und der Vorinstanz (Finanzgericht München) anschließt, da auch das Urteil des III. Senats ausdrücklich auf die Entscheidung des Finanzgerichts München Bezug nimmt und sich in Teilen zu eigen macht. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung auf das vorliegende Urteil mit einem Vorschlag zur Gesetzesänderung reagiert oder den Ausgang des anhängigen Verfahrens abwartet.
Marcus Mische
Jakob Gerstung