Willkommen zum siebten und letzten Teil unserer Artikelserie über die wichtigsten GovTech-Trends, die 2025 den öffentlichen Sektor weltweit prägen und transformieren werden. Nachdem wir uns in den ersten sechs Teilen mit Künstlicher Intelligenz, Spatial Computing, Cybersicherheit, Automatisierung, Hardware-Evolution und API-Ökosystemen befasst haben, widmen wir uns nun dem abschließenden Trend: Netzwerkbasierte Beschaffung und digitale Transformation.
Innovative Beschaffung und digitale Transformation: Wegbereiter für den Wandel
In einer Zeit steigender Anforderungen und knapper Budgets revolutionieren netzwerkbasierte Beschaffungsansätze und umfassende digitale Transformationsstrategien die Art und Weise, wie Behörden arbeiten und Dienstleistungen erbringen. Diese Entwicklungen ermöglichen es dem öffentlichen Sektor, innovativer, effizienter und bürgerorientierter zu werden.
Die öffentliche Beschaffung, oft als trockenes Verwaltungsthema abgetan, ist in Wahrheit ein mächtiger Hebel für Innovation und Veränderung. Mit einem jährlichen Beschaffungsvolumen von mehreren hundert Milliarden Euro in Deutschland allein hat die öffentliche Hand enormen Einfluss auf Märkte und Innovationen. Die Frage ist nicht, ob wir diesen Hebel nutzen, sondern wie wir ihn optimal einsetzen, um die digitale Transformation voranzutreiben.
Die globale Landschaft: Vom Einkauf zum strategischen Innovationstreiber
Weltweit setzen Regierungen auf innovative Beschaffungsansätze und umfassende digitale Transformationsstrategien:
- American City & County identifiziert netzwerkbasierte Beschaffung als einen der wichtigsten GovTech-Trends für 2025. Dieser Ansatz verbindet Beschaffungsteams mit Kollegen, Lieferanten und kollaborativen Technologietools, um bessere Ergebnisse zu erzielen und die traditionellen Silos aufzubrechen.
- In Großbritannien hat die "Government Digital Service" einen transformativen Ansatz für die Digitalisierung des öffentlichen Sektors entwickelt, der Design Thinking, agile Methoden und nutzerzentrierte Ansätze in den Mittelpunkt stellt. Dies hat zu einer grundlegenden Neugestaltung öffentlicher Dienstleistungen geführt.
- Australien setzt auf "Digital Marketplace", eine Plattform, die Behörden mit innovativen Technologieanbietern verbindet und den Beschaffungsprozess vereinfacht. Dies hat insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtert und frische Ideen in den öffentlichen Sektor gebracht.
- In Kanada fördert die "Innovative Solutions Canada"-Initiative die Beschaffung innovativer Lösungen von Startups und KMUs, indem sie Behörden ermutigt, Herausforderungen zu definieren und die Lösungsentwicklung zu fördern, statt fertige Produkte zu kaufen.
Besonders bemerkenswert ist der Trend zu ergebnisorientierten Beschaffungsprozessen. Statt detaillierte Spezifikationen vorzugeben, definieren Behörden die gewünschten Ergebnisse und überlassen es den Anbietern, innovative Lösungen zu entwickeln. Neuseeland hat mit seinem "Results Based Procurement"-Ansatz beeindruckende Erfolge erzielt, indem es den Fokus auf Wertschöpfung statt auf niedrigste Preise legt.
Eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft berichtet, dass KI eine Verschiebung in der IT-Funktion auslöst, weg von Virtualisierung und strengen Budgets hin zu einer Rolle als Leuchtturm der digitalen Transformation. Generative KI verändert die Softwareentwicklung, das Testen und die Erweiterung technischer Talente, was Technologieführern eine einmalige Gelegenheit zur Transformation bietet.
Warum netzwerkbasierte Beschaffung und digitale Transformation für den deutschen öffentlichen Sektor besonders relevant sind
Deutschland steht aufgrund seiner spezifischen Situation vor besonderen Herausforderungen und Chancen:
- Kollaborative Beschaffungsplattformen: Deutschland mit seinen zahlreichen Behörden auf verschiedenen Ebenen würde von kollaborativen Beschaffungsplattformen erheblich profitieren, die Einkäufer, Fachexperten und Lieferanten zusammenbringen. Dies würde nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch den Zugang zu innovativen Lösungen verbessern und Synergien zwischen verschiedenen Beschaffungsprojekten ermöglichen.
- Innovationswettbewerbe und Challenges: Statt traditioneller Ausschreibungen könnten deutsche Behörden verstärkt auf Innovationswettbewerbe setzen, bei denen Unternehmen und Startups Lösungen für spezifische Herausforderungen entwickeln. Dies würde die Kreativität fördern und neue Perspektiven einbringen, die in konventionellen Beschaffungsverfahren oft verloren gehen.
- Digitale Transformation von Kernprozessen: Die umfassende Neugestaltung von Verwaltungsprozessen mit digitalen Technologien könnte die Effizienz deutscher Behörden erheblich steigern. Statt bestehende Prozesse einfach zu digitalisieren, sollten sie grundlegend überdacht und optimiert werden, um das volle Potenzial digitaler Technologien auszuschöpfen.
- Kompetenzentwicklungsprogramme: Gezielte Programme zur Förderung digitaler Kompetenzen bei Behördenmitarbeitern sind entscheidend für den Erfolg der digitalen Transformation. Dies umfasst nicht nur technische Fähigkeiten, sondern auch agile Arbeitsweisen und nutzerzentriertes Denken, die den Kulturwandel in der Verwaltung unterstützen.
- Innovationslabore und Experimentierräume: Die Einrichtung von Innovationslaboren, in denen Behörden neue Technologien und Arbeitsweisen in einem geschützten Rahmen erproben können, würde die Innovationskultur im deutschen öffentlichen Sektor fördern und Raum für kreative, risikofreudige Ansätze schaffen.
Die spezifischen Hürden im deutschen Kontext
Die Implementierung netzwerkbasierter Beschaffung und digitaler Transformation im deutschen öffentlichen Sektor steht vor charakteristischen Herausforderungen:
- Komplexe Vergaberegeln: Deutschland hat ein komplexes Vergaberecht, das innovative Beschaffungsansätze erschweren kann. Die Einhaltung von EU-Richtlinien und nationalen Vorschriften bei gleichzeitiger Förderung von Innovation erfordert sorgfältige Planung und rechtliche Expertise, die nicht in allen Behörden verfügbar ist.
- Risikoaversion und Innovationskultur: Im deutschen öffentlichen Sektor herrscht oft eine gewisse Risikoaversion, die Innovation hemmen kann. American City & County betont die Bedeutung einer unterstützenden Kultur, die kalkulierte Risiken fördert und Innovation belohnt – ein Aspekt, der in der deutschen Verwaltungskultur häufig unterentwickelt ist.
- Föderale Strukturen und Koordination: Die föderale Struktur Deutschlands erschwert die Koordination von Beschaffungsinitiativen und digitalen Transformationsprojekten über verschiedene Verwaltungsebenen hinweg. Dies kann zu Doppelarbeit und Ineffizienzen führen und verhindert die Nutzung von Skaleneffekten.
- Begrenzte Finanzierung und Ressourcenzuweisung: Viele deutsche Behörden haben begrenzte Budgets für Innovation und digitale Transformation. Die Priorisierung von Investitionen und die Demonstration von ROI sind entscheidend für die Sicherung von Mitteln, werden aber durch rigide Haushaltsregeln und kurzfristige Planungszyklen erschwert.
- Fachkräftemangel und Kompetenzlücken: Der Mangel an digitalen Fachkräften im öffentlichen Sektor ist in Deutschland besonders ausgeprägt. Die Rekrutierung und Bindung von Talenten mit den erforderlichen Kompetenzen für die digitale Transformation ist eine zentrale Herausforderung, die durch unflexible Gehaltsstrukturen und Karrierewege noch verschärft wird.
Der Weg nach vorn: Handlungsempfehlungen für den deutschen öffentlichen Sektor
Um das Potenzial netzwerkbasierter Beschaffung und digitaler Transformation zu nutzen, sollte der deutsche öffentliche Sektor folgende Maßnahmen ergreifen:
- Modernisierung des Vergaberechts: Überprüfung und Anpassung des Vergaberechts, um innovative Beschaffungsansätze zu erleichtern und gleichzeitig Transparenz und Fairness zu gewährleisten. Dies könnte spezielle Verfahren für innovative Lösungen und mehr Flexibilität bei der Definition von Anforderungen umfassen.
- Aufbau einer digitalen Beschaffungsplattform: Entwicklung einer zentralen Plattform, die Behörden mit innovativen Anbietern verbindet und den Beschaffungsprozess vereinfacht. Diese Plattform sollte kollaborative Funktionen bieten und den Austausch von Best Practices fördern.
- Förderung einer Innovationskultur: Schaffung von Anreizen für Innovation und kalkulierte Risikobereitschaft im öffentlichen Sektor, einschließlich Anerkennung und Belohnung innovativer Projekte. Dies erfordert einen Kulturwandel, der von der Führungsebene ausgehen und durch konkrete Maßnahmen unterstützt werden muss.
- Investitionen in digitale Kompetenzen: Gezielte Programme zur Förderung digitaler Kompetenzen bei Behördenmitarbeitern auf allen Ebenen, von der Führungsebene bis zu den Sachbearbeitern. Dies umfasst sowohl technische Fähigkeiten als auch neue Arbeitsweisen und Denkansätze.
- Entwicklung einer koordinierten Transformationsstrategie: Eine übergreifende Strategie für die digitale Transformation, die Ziele, Ressourcen und Verantwortlichkeiten klar definiert und die Koordination zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen fördert. Diese Strategie sollte einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der Technologie, Menschen und Prozesse gleichermaßen berücksichtigt.
- Einrichtung von Innovationslaboren: Schaffung von Räumen für Experimente und Pilotprojekte, in denen neue Technologien und Arbeitsweisen erprobt werden können, ohne den laufenden Betrieb zu gefährden. Diese Labore sollten als Katalysatoren für Innovation dienen und den Wissenstransfer in die regulären Strukturen fördern.
- Stärkung der Zusammenarbeit mit Startups und KMUs: Entwicklung spezifischer Programme, um die Zusammenarbeit zwischen Behörden und innovativen Startups zu fördern und den Zugang zu neuen Ideen zu verbessern. Dies könnte vereinfachte Vergabeverfahren für kleinere Aufträge, Mentoring-Programme oder Co-Creation-Initiativen umfassen.
Ausblick und Zusammenfassung der Artikelserie
Durch die strategische Implementierung netzwerkbasierter Beschaffung und umfassender digitaler Transformationsstrategien kann der deutsche öffentliche Sektor innovativer, effizienter und bürgerorientierter werden. Es muss ein ausgewogener Ansatz gewählt werden, der Innovation fördert und gleichzeitig elementare Eigenschaften wie Genauigkeit, Transparenz und Rechtssicherheit beinhaltet.
Mit diesem Artikel schließen wir unsere siebenteilige Serie über die wichtigsten GovTech-Trends 2025, die den öffentlichen Sektor weltweit transformieren, ab. Wir haben uns mit folgenden Trends befasst:
- Künstliche Intelligenz und Generative KI: Technologien, die grundlegend die Art und Weise verändern, wie Behörden arbeiten, kommunizieren und Dienstleistungen erbringen.
- Spatial Computing und immersive Technologien: AR- und VR-Anwendungen, die neue Möglichkeiten für Bürgerbeteiligung, Stadtplanung und öffentliche Dienstleistungen bieten.
- Cybersicherheit und Post-Quantum-Kryptographie: Entscheidende Maßnahmen zum Schutz kritischer Infrastrukturen und sensibler Daten in einer zunehmend vernetzten Welt.
- Automatisierung und Prozessoptimierung: Technologien, die Effizienzsteigerungen ermöglichen und Behördenmitarbeiter von Routineaufgaben entlasten.
- Hardware-Evolution und energieeffizientes Computing: Spezialisierte Hardware und nachhaltige Rechenansätze, die die Grundlage für rechenintensive Anwendungen bilden.
- Systemintegration und API-Ökosysteme: Technologien, die die Fragmentierung überwinden und nahtlose, behördenübergreifende Dienstleistungen ermöglichen.
- Netzwerkbasierte Beschaffung und digitale Transformation: Innovative Ansätze, die den öffentlichen Sektor agiler, innovativer und bürgerorientierter machen.
Alle diese Trends sind miteinander verwoben und verstärken sich gegenseitig. Eine erfolgreiche digitale Transformation des öffentlichen Sektors erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der alle diese Aspekte berücksichtigt und aufeinander abstimmt.
Deutschland steht vor der Herausforderung, den Anschluss an internationale Entwicklungen nicht zu verlieren und gleichzeitig seinen eigenen Weg zu finden, der seinen spezifischen Stärken und Werten entspricht. Mit einer strategischen Vision, mutigen Entscheidungen und konsequenter Umsetzung kann der deutsche öffentliche Sektor die digitale Transformation meistern und zum Vorbild für andere werden.
Die Zukunft der öffentlichen Verwaltung ist digital, vernetzt und bürgerorientiert. Deutschland sollte diese Zukunft aktiv gestalten, statt von ihr überrollt zu werden. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.
Dennis Hillemann
Johannes Voß-Lünemann
Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und berät zur digitalen Transformation im öffentlichen Sektor. Johannes Voß-Lünemann ist Rechtsanwalt mit Fokus auf das Vergaberecht und Verwaltungsrecht. Sie beraten Unternehmen und Verwaltungen zu den Auswirkungen technologischer Veränderungen und plädieren für eine progressive, aber rechtssichere Digitalisierung.
Dies ist der siebte und abschließende Teil einer Serie über die wichtigsten GovTech-Trends 2025, die den öffentlichen Sektor weltweit transformieren.