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    04.02.2025

    Bundestag verabschiedet noch vor der Bundestagswahl zahlreiche Gesetze im Energiewirtschaftsrecht – u.a. das „Solarspitzengesetz“


    Nachdem der Ausgang der großen Energiewirtschaftsrechts-Novelle zum Zeitpunkt unseres Beitrags vom 28. November 2024 (Änderungen des Energiewirtschaftsrechts - Was kommt noch nach dem Ampel-Aus? | ADVANT Beiten) noch als offen eingestuft werden musste, hat der Bundestag nach einer erfreulichen Einigung von SPD, Grüne und CDU/CSU noch kurz vor den Neuwahlen zahlreiche Anpassungen des Energiewirtschaftsrechts verabschiedet und sendet damit ein wichtiges Signal an die Branche.

    I. Gesetzespaket vom 31. Januar 2025 

    Auf der Tagesordnung des Bundestages standen am 31. Januar 2025 zahlreiche Gesetze, deren Verabschiedung die Energiebranche bereits mit Spannung entgegengeblickt hatte. Bereits einige Tage zuvor wurde bekannt, dass es in einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit zu einer dahingehenden Einigung gekommen war. 

    Neben dem „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“ (sog. „Solarspitzengesetz“) hatten die Abgeordneten in einer ihrer letzten Sitzungen vor den Neuwahlen über das „Gesetzzur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zur Flexibilisierung von Biogasanlagen und Sicherung der Anschlussförderung“, das „Gesetz zur Anpassung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes an die Änderung der Richtlinie 2003/87/EG“, das „Gesetz zur Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes“ sowie das „Gesetz für mehr Steuerung und Akzeptanz beim Windenergieausbau“ abzustimmen. 

    Das darüber hinaus von der FDP erstmals eingebrachte „Gesetz zur Integration von Photovoltaik- und anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen in den Strommarkt und zur Vermeidung solarstrombedingter Netznotfallmaßnahmen“, das Regelungen zum Umgang mit temporären Erzeugungsüberschüssen enthält (wie z.B. die Absenkung der verpflichteten Direktvermarktung für Anlagen ab 25 kW), wurde zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen. 

    Nicht mehr zur Abstimmung in der laufenden Legislaturperiode geschafft haben es dagegen das Kraftwerkssicherheitsgesetz, das für die Versorgungssicherheit sowie die Umstellung von Kraftwerken auf Wasserstoff relevant ist, die Novellierungen des KRITIS-Dachgesetzes oder des BSI-Gesetzes zur Umsetzung der NIS-2-Richtlinie. Auch die lang erwartete Novellierung der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wird in der gegenwärtigen Legislaturperiode nicht mehr erlassen.

    Einige Kernpunkte des nunmehr verabschiedeten Solarspitzengesetzes sollen im Folgenden dargestellt werden:

    II. Solarspitzengesetz 

    Das sog. Solarspitzengesetz wurde dem Bundestag bereits Ende Dezember 2024 vorgelegt. Es handelt sich hierbei um eine deutlich abgespeckte Version (nur noch ca. 90 Seiten statt 450 Seiten) der ursprünglichen EnWG-Novelle, zu der es noch am 13. November 2024 einen Kabinettsbeschluss gegeben hatte (wir berichteten). Nachdem das Gesetz im Ausschuss für Klimaschutz und Energie beraten wurde, beschloss der Bundestag nun über insgesamt 9 Artikel, mit denen vor allem Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) geändert wurden. 

    1. Abschaffung der Einspeisevergütung bei negativen Strompreisen

      Beschlossen wurde die bereits im ursprünglichen Gesetzesentwurf enthaltene vorgezogene Absenkung des anzulegenden Wertes der EEG-Förderung in Zeiten von negativen Strompreisen auf null (Änderung des § 51 EEG). Durch diese Preissignale soll die Marktintegration der erneuerbaren Energien gestärkt werden. Die neue Regelung gilt zunächst zwar nur für Neuanlagen. Allerdings wurde mit § 100 Abs. 47 EEG für Bestandsanlagen, die sich in der Einspeisevergütung befinden, die Möglichkeit geschaffen, den Anwendungsbereich des neuen § 51 EEG zu nutzen. Als Anreiz hierfür soll sich die Einspeisevergütung in Zeiten positiver Strompreise um einen Bonus von 0,6 ct/kWh erhöhen.

       

    2. Flexible Netzanschlussvereinbarungen

      In Umsetzung des Artikel 6a der EU-Strommarktrichtlinie wurden die bereits im ursprünglichen Gesetzesentwurf enthaltenen Regelungen zur Einführung von flexiblen Netzanschlussvereinbarungen beschlossen (17 Abs. 2b EnWG für Anschlussnehmer und § 8a EEG für EE-Anlagen und Stromspeicher).

      Durch die neuen Regelungen ist es künftig möglich, Netzanschlussvereinbarungen zu treffen, bei denen die installierte Leistung der anzuschließenden Anlage – anders als bei standardmäßigen Netzanschlüssen – nicht unbeschränkt zur Verfügung gestellt wird. Die Netzanschlussleistung liegt dabei konstant oder zeitweise unterhalb der installierten Leistung der anzuschließenden Anlage. Damit wird sowohl für Anschlussnehmer als auch für Netzbetreiber der Handlungsspielraum durch die Nutzung von günstigeren Netzverknüpfungspunkten erweitert, wenn die konkret vorhandene Anschlusskapazität vorerst nicht ausgereicht hätte und damit sonst nicht verfügbar wäre. Durch das sog. „cable pooling“ ist zudem die gemeinsame Nutzung der verfügbaren Netzanschlussleistung an einem Netzverknüpfungspunkt durch unterschiedliche Anlagentypen und verschiedene Anlagenbetreiber möglich.

       

    3. Flexiblere Nutzung von Stromspeichern

      Der immer relevanter werdenden Rolle der Stromspeicher trägt der Gesetzesbeschluss an zahlreichen Stellen Rechnung. 

      So wurde neben der bereits erwähnten Möglichkeit zur Vereinbarung von flexiblen Netzanschlussvereinbarungen in Änderung des § 19 Abs. 3 EEG eine Regelung beschlossen, die der weiteren Flexibilisierung des Einsatzes von Stromspeichern zur Teilnahme am Strommarkt und damit insgesamt der Netz- und Systemintegration dient. 

      Danach haben Betreiber von Stromspeichern künftig die Möglichkeit, zusätzlich zur bereits bestehenden „Ausschließlichkeitsoption“ zwischen zwei weiteren Optionen zu wählen, wie ein Stromspeicher für die eigene Versorgung aber auch für die Teilnahme am Strommarkt genutzt werden soll:

      Erstens kann künftig auch ein sog. Mischstromspeicher, also ein Speicher, in dem sowohl grüner als auch grauer Strom eingespeichert wird, für einen bestimmten Anteil des später ausgespeicherten Stroms die EEG-Förderung entsprechend dem Förderanspruch der gekoppelten EE-Anlage in Anspruch nehmen („Abgrenzungsoption“). Zweitens sieht die neu eingeführte „Pauschaloption“ vor, dass bei dem gemeinsamen Betrieb von Solaranlagen und Stromspeichern die EEG-Förderung für einen pauschalen Anteil der gesamten Erzeugung und zeitgleicher Netzeinspeisung in Anspruch genommen werden kann. Neu ist außerdem, dass sowohl die Abgrenzungs- als auch die Pauschaloption künftig auch auf bidirektional betriebene Ladepunkte für Elektromobile, bei denen anteilig grüner Strom (ohne vorherige Netzeinspeisung) zum Laden genutzt wird, angewendet werden kann. 

       

    4. Beschleunigung des Smart-Meter Rollouts

      Durch den zunehmenden Anteil an erneuerbaren Energien im Stromerzeugungsmix spielen die Steuerbarkeit und die Flexibilisierung der Lasten eine entscheidende Rolle. Der ins Stocken geratene Smart-Meter-Rollout, bei dem Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern deutlichen Aufholbedarf hat, soll durch die aktuellen Gesetzesänderungen (nochmals) wiederbelebt werden. 

      So soll der reine Smart-Meter-Rollout zu einem Smart-Grid-Rollout weiterentwickelt werden, indem die Herstellung der Steuerbarkeit von Energiewendeanlagen integriert wird. Dies wird durch Änderungen des MsbG, des EnWG und des EEG erreicht. So sollen künftig Erzeugungsanlagen ab einer Leistung von 7 kW nicht nur mit intelligenten Messystemen, sondern verpflichtend auch mit Steuereinrichtungen ausgestattet werden. Korrespondierend hierzu sieht der neue § 9 Abs. 2 Nr. 3 EEG vor, dass Anlagen, die ihren Strom im Rahmen der Einspeisevergütung oder dem Mieterstrom vermarkten (also Anlagen von mehr als 2 kW und weniger als 100 kW), bis zur Herstellung der Steuerbarkeit über intelligente Messsysteme ihre Einspeiseleistung auf 60% begrenzen müssen. Daneben werden mit den Gesetzesänderungen die Preisobergrenzen für den Einbau von intelligenten Messsystemen u.a. auf die Erweiterung des Leistungskatalogs hinsichtlich der Ausstattung mit Steuerungstechnik angepasst.

    Fazit

    So spannend wie das alte Jahr aufgehört hat, so spannend beginnt auch das neue Jahr – auch in energiewirtschaftsrechtlicher Sicht. Dass noch vor den Neuwahlen einige relevante Gesetzesänderungen beschlossen werden konnten, ist grundsätzlich erfreulich (nicht nur, weil es zeigt, dass eine parteiübergreifende Zusammenarbeit möglich ist) und wird auch von den einschlägigen Verbänden und der Branche insgesamt als wichtigen Schritt bewertet.

    Sicherlich wird es aber auch nach den Neuwahlen zahlreiche Themen geben, die eine neue Regierung in Angriff nehmen muss, um die angestrebte Flexibilisierung und Digitalisierung des Strommarktes und damit das Gelingen der Energiewende voranzutreiben (zu den bekannten Änderungen berichteten wir bereits).

    Wir behalten die Entwicklungen für Sie selbstverständlich im Auge.

    Peter Meisenbacher
    Anton Buro

    Bei allen Fragen rund um energierechtliche Themen stehen Ihnen ebenso Dr. Malaika Ahlers, Sebastian Berg und Dr. Florian Böhm aus dem Energy-Team zur Verfügung.

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