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    26.11.2020

    Rücklage nach § 6b EStG für „Non-PE“ Strukturen


    Die Regelung des § 6b Einkommensteuergesetz (EStG) ermöglicht die Vermeidung einer Sofortbesteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von inländischem Grundbesitz. Diese Begünstigung kann jedoch nur von Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden, deren Grundbesitz seit mindestens 6 Jahren vor Veräußerung ununterbrochen zu einer inländischen Betriebstätte gehört. Nach Auffassung der EU-Kommission verstößt diese Regelung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und ist somit europarechtswidrig.

     

    Möglichkeiten des § 6b EStG

     

    § 6b EStG ermöglicht Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen einen Gewinn, der bei der Veräußerung von Grundbesitz entsteht, entweder im Jahr der Veräußerung auf ein Ersatzwirtschaftsgut zu übertragen, oder in eine gewinnmindernde sog. „6b-Rücklage“ einzustellen. Diese 6b-Rücklage muss grundsätzlich innerhalb der nächsten vier Wirtschaftsjahre („Reinvestitionsfrist“) auf bestimmte Ersatzwirtschaftsgüter übertragen werden. Die Frist von vier Wirtschaftsjahren verlängert sich für die Übertragung auf neu hergestellte Gebäude auf sechs Wirtschafsjahre, wenn mit der Herstellung vor dem Ende der Vierjahresfrist begonnen wird.

     

    Zum Zeitpunkt der Bildung der 6b-Rücklage bedarf es keiner konkreten Reinvestitionsabsicht. Es kommt allein darauf an, ob zum Bilanzstichtag die spätere Übertragung der 6b-Rücklage auf eine begünstigte Reinvestition objektiv möglich war. Erfolgt keine Übertragung der 6b-Rücklage auf ein Ersatzwirtschaftsgut, ist die 6b-Rücklage spätestens nach Ablauf von vier (unter Umständen sechs) Wirtschafsjahren gewinnerhöhend aufzulösen. Im Falle einer gewinnerhöhenden Auflösung ist zudem eine Erhöhung des steuerpflichtigen Einkommens um jeweils 6 Prozent des aufgelösten Betrags für jedes Jahr, in dem die Rücklage bestand, vorzunehmen. Im Falle einer Auflösung der 6b-Rücklage nach vier Wirtschaftsjahren ergibt sich also zusätzlich zum Ertrag aus der Auflösung eine Gewinnerhöhung um nochmals 24 Prozent des Auflösungsertrags.

     

    Die Rücklagenbildung ermöglicht die Vermeidung einer Sofortbesteuerung des Veräußerungsgewinns und grundsätzlich eine Stundung der Steuer. Sofern keine Reinvestitionsabsicht besteht, kann mithilfe von 6b-Rücklagen aber auch eine Verteilung von Veräußerungsgewinnen auf mehrere Veranlagungszeiträume vorgenommen werden. Die 6b-Rücklage kann nämlich innerhalb der Reinvestitionsfrist nach Belieben gewinnerhöhend aufgelöst werden. Hierbei sind jedoch die oben genannten Zinseffekte zu berücksichtigen. Durch die Verteilung des Veräußerungsgewinns auf mehrere Veranlagungszeiträume kann in den Fällen, in denen ein Veräußerungsgewinn aufgrund der Regelungen zur Mindestbesteuerung trotz ausreichend vorhandener Verlustvorträge sonst zu einem Steuereffekt führen würde, vermieden oder zumindest abgemildert werden.

     

    6b-Rücklagen bei sogenannten Non-PE Strukturen

     

    Voraussetzung für die Bildung einer 6b-Rücklage ist insbesondere, dass das veräußerte Objekt sich seit mindestens sechs (Zeit-)Jahren ununterbrochen im Anlagevermögen einer inländischen Betriebstätte des veräußernden Steuerpflichtigen befand. Die Bildung einer 6b-Rücklage ist somit von Gesellschaften, welche nicht während der gesamten Haltedauer über eine inländische Betriebstätte (ein „Permanent Establishment – PE“) verfügten, nicht möglich. Dies betrifft insbesondere sogenannte Non-PE Strukturen, also ausländische Gesellschaften, welche inländischen Grundbesitz vermieten, da ein an Dritte vermietetes Grundstück keine inländische Betriebstätte nach § 12 AO begründet.

     

    Es stellt sich die Frage, ob das Erfordernis der inländischen Betriebstätte konform mit geltendem Europarecht ist. In der Literatur wird schon länger die Auffassung vertreten, dies sei ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit. Diese Einschätzung basiert insbesondere auf dem Fall, in dem ein Grundstück einer inländischen Betriebstätte veräußert und der Veräußerungsgewinn in eine 6b-Rücklage eingestellt wird, welche dann auf ein Objekt einer ausländischen Betriebstätte übertragen werden soll; dies war nach deutschem Recht nicht möglich. Der EUGH hat dies in seinem Urteil vom 16. April 2015 (Rechtssache C-591/13) als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gewertet. Der Gesetzgeber hat darauf mit Einführung des § 6b Abs. 2a EStG reagiert. Mit diesem wird dem Steuerpflichtigen bei einer Auslandsinvestition zumindest die Möglichkeit eingeräumt, die auf den inländischen Veräußerungsgewinn entfallende Steuer in fünf gleichen Jahresraten zu entrichten.

     

    Hinsichtlich des Falls, in dem der Gewinn aus der Veräußerung eines inländischen Grundstücks, welches nicht zu einer inländischen Betriebstätte gehört, in eine gewinnmindernde 6b-Rücklage eingestellt werden soll, hat die EU-Kommission bereits im Jahr 2012 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Am 27. November 2019 hat die EU-Kommission eine „mit Gründen versehene Stellungnahme“ an die Bundesregierung gesendet. In dieser Stellungnahme vertritt die EU-Kommission die Auffassung, dass das Inlandserfordernis gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (und nicht, wie in der Literatur diskutiert, gegen die Niederlassungsfreiheit) verstößt. Die Bundesregierung wurde um eine Reaktion innerhalb von zwölf Monaten gebeten. Sollte keine Reaktion erfolgen, „droht“ die EU-Kommission ein Verfahren vor dem EUGH einzuleiten. Eine Reaktion der Bundesregierung ist bislang nicht bekannt.

     

    Es scheint daher gut möglich, dass der Europäische Gerichtshof über diese Frage entscheiden wird. Entsprechende Fälle sollten daher im Hinblick auf das Vertragsverletzungsverfahren offen gehalten werden.

     

    Jens Ledermann

     

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