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    14.03.2025

    Rote Karte aus Karlsruhe: DFL muss Polizeikosten für Hochrisikospiele zahlen


    Hintergrund

    Im Profifußball besteht bei einigen Spielen aufgrund der großen Anzahl gewaltbereiter, -geneigter und -suchender Fans ein hohes Ausschreitungspotenzial. Gleichzeitig nimmt die Polizeistärke aufgrund von Stellenreduzierungen und einer Pensionierungswelle ab. Zudem sind die Bundesländer gezwungen, ihre Ausgaben zu reduzieren. Die hohe Einsatzdichte bei den sog. Hochrisikospielen belastet die Haushalte der Bundesländer erheblich.

    Unter Berücksichtigung dieser Ausgangslage hat das Bundesland Bremen im November 2014 folgenden § 4 Abs. 4 des BremGebBeitrG eingeführt:

    Eine Gebühr wird von Veranstaltern oder Veranstalterinnen erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte vorhersehbar erforderlich wird. Die Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht. Der Veranstalter oder die Veranstalterin ist vor der Veranstaltung über die voraussichtliche Gebührenpflicht zu unterrichten. Die Gebühr kann nach den tatsächlichen Mehrkosten oder als Pauschalgebühr berechnet werden.“

    Am 19. April 2015 fand ein Spiel der Fußball-Bundesliga zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV im Bremer Weserstadion statt. Die Polizei Bremen unterrichtete die Deutsche Fußball Liga (DFL) unter Hinweis auf § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG über die voraussichtliche Gebührenpflicht. Am Spieltag selbst verlief der Gesamteinsatz, bei dem die Bremer Polizei von Einsatzkräften aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Hessen und der Bundespolizei unterstützt wurde, nach Bewertung der Polizeiführung insgesamt reibungslos. Nach dem Spiel erließ die Polizei Bremen gegenüber der DFL einen Bescheid über die Erhebung von Gebühren in Höhe eines mittleren sechsstelligen Betrags für den erforderlichen Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte.

    Nachdem der hiergegen erhobene Widerspruch erfolglos geblieben war, hob das Verwaltungsgericht den angefochtenen Gebührenbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf. Auf die Berufung der Freien Hansestadt Bremen hat das Oberverwaltungsgericht Bremen das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage der DFL abgewiesen. Die Gebührenregelung des § 4 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BremGebBeitrG sei verfassungsgemäß. In der gegen dieses Urteil gerichteten Revision hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass der Gebührenbescheid an die DFL dem Grunde nach rechtmäßig sei, jedoch in der Berechnung der Gebührenhöhe Fehler lägen. Daraufhin wurde der Beschied in der Höhe auf ca. 385.000 Euro reduziert, welchen das Bundesverwaltungsgericht schließlich als rechtmäßig ansah.

    Gegen dieses Urteil legte die DFL Verfassungsbeschwerde ein, welche das Bundesverfassungsgericht am 14. Januar 2025 zurückgewiesen hat
    (BvR 548/22 – juris).

    Die Entscheidung

    Die Karlsruher Richter urteilten, dass die mittelbar angegriffene Regelung in § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG weder die Berufsfreiheit verletze noch gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.

    Zwar greife die Norm in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein, dieser sei aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, so das Gericht. So läge ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck vor. Die entstandenen Mehrkosten der Polizei würden auf die Veranstalter abgewälzt, um so einen Lastenausgleich zu erreichen. Die Regelung ziele darauf ab, die Mehrkosten der Polizei nicht durch die Steuerzahler, sondern durch die unmittelbaren wirtschaftlichen Nutznießer der Polizeieinsätze tragen zu lassen. Dem stehe auch kein verfassungsrechtlich verbürgtes generelles Gebührenerhebungsverbot im Polizeirecht entgegen. Die Verfassung kenne keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden müsse. Die Gefahrenvorsorge sei nicht zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren. Weiter sei die Norm angemessen. Die Gebühr sei eine Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Leistung. Eine unangemessene Belastung oder erdrosselnde Wirkung liege nicht vor, weil die Norm nur einen kleinen Teil von kommerziellen Veranstaltungen betreffe.

    Weiterhin beachte die Norm den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Zunächst sei die Differenzierung zwischen gewinnorientierten und nicht gewinnorientierten Veranstaltungen gerechtfertigt. Auch wenn beide Gruppen die Bereitstellung der Polizeikräfte gleichermaßen veranlassten, sei der Unterschied im daraus erwachsenden Vorteil zwischen gewinnorientierten, einen monetären Vorteil ziehenden Veranstaltungen und nicht gewinnorientierten Veranstaltungen so groß, dass er die Nichteinbeziehung der nicht gewinnorientierten Veranstaltungen rechtfertige. Auch die Grenzziehung bei 5.000 Personen sei nicht sachwidrig. Diese Zahl sichere ab, dass nur Veranstaltungen erfasst würden, die einen polizeilichen Aufwand verursachen, der typischerweise mit der üblichen Grundausstattung nicht zu bewältigen sei.

    Ausblick

    Dem Urteil liegt der Gedanke zugrunde, dass diejenigen, die wirtschaftlich von einem Gemeingut profitieren (hier in Form der öffentlichen Sicherheit), an den Kosten dafür beteiligt werden sollen. Ausgleichsleistungen, die von den Begünstigten zu zahlen sind, gibt es auch in anderen Bereichen wie etwa mit Blick auf die Luftverkehrssicherheit oder bei Gefahrguttransporten. Die Bremer Regelung ist im Hinblick auf den gewinnorientierten Veranstaltungsbereich ein rechtliches Novum.

    Die Inanspruchnahme von Veranstaltern von Großereignissen ist insbesondere nach dem Wortlaut der Regelung nicht auf Hochrisikospiele im Fußball beschränkt. Der Wortlaut bezieht sich vielmehr allgemein auf „gewinnorientierte Veranstaltungen“ und setzt zudem erfahrungsgemäß zu erwartende Gewalthandlungen voraus. Dazu können auch andere Sportveranstaltungen oder Veranstaltungen aus dem Entertainment- oder Kulturbereich gehören.

    Die Regelung des § 4 Abs. 4 des BremGebBeitrG stellt bis dato bundesweit eine einmalige Erscheinung dar. In anderen europäischen Ländern wie England, der Schweiz oder Frankreich hingegen ist die Heranziehung der Clubs für Einsatzkosten seit Jahren üblich.

    Sollten sich auch andere Bundesländer für die Einführung eines solchen Gebührentatbestands entscheiden, werden auf die Profivereine erhebliche finanzielle Mehrbelastungen zukommen. Gleichzeitig ermöglicht ein solcher Gebührentatbestand den Bundesländern, die erheblichen Mehrkosten durch Hochrisikospiele auszugleichen. Die Bundesländer müssen sich jedoch die Frage stellen, ob sie das Risiko einer finanziellen Schwächung der eigenen Fußballvereine eingehen möchten. Denn der jeweilige lokale Verein und die DFL sind Gesamtschuldner, weshalb die DFL gegen den lokalen Verein einen Ausgleichsanspruch aus § 426 BGB hat. Sollte es kein einheitliches Vorgehen der Bundesländer geben, ist zudem nicht ausgeschlossen, dass Veranstalter sich aus wirtschaftlichen Gründen dazu entscheiden, mit ihren Veranstaltungen in andere Länder abzuwandern, in denen es keinen entsprechenden Gebührentatbestand gibt.

    Ob auch andere Bundesländer einen solchen Gebührentatbestand erlassen werden, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilen. Das Bundesland Niedersachsen bereitet eine entsprechende Gebührenordnung vor. Rheinland-Pfalz möchte ebenfalls eine solche Gebührenordnung einführen. Bundesländer wie Berlin, Brandenburg und NRW erklärten, dass sie keine zusätzlichen Gebühren erheben möchten. Bayern ließ verlauten, „sehr zurückhaltend“ mit dem Urteil umzugehen. Hamburg und Hessen plädieren für ein bundeseinheitliches Vorgehen.

    Katrin Lüdtke
    Korbinian Goll

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