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    14.11.2023

    Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern


    Eine entsprechende Verabredung war seit langem angekündigt, nun haben Bund und Länder Anfang November einen „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ vereinbart. Laut Beschluss soll er unter anderem dazu beitragen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland wettbewerbsfähig bleibt. Daneben fallen Stichwörter wie Nachhaltigkeit, Transformation, Klimaschutz und Digitalisierung. Öffentliche und private Projekte müssten deutlich schneller und unbürokratischer realisiert werden als bisher. Diese Feststellung ist so banal wie zutreffend. Ob auf dieser Grundlage der lang ersehnte Durchbruch gelingt, wird man sehen. Die Erwartungen sind zu Recht groß.

     

    Die Bandbreite der Ankündigungen ist weit und reicht von eher vage bis überraschend konkret. So sei in die laufende Überprüfung des geltenden Rechts auf Potentiale zur Verfahrensbeschleunigung die entsprechende Umsetzung des EU-Rechts – auch im Hinblick auf bereits vollzogene Umsetzungen – einzubeziehen. Bund und Länder wollen auf eine frühzeitige, effektive, straffe und zielorientierte Kommunikation zwischen Vorhabenträgern und Behörden sowie Bürgerinnen und Bürgern sowie Umweltverbänden hinwirken. Doppelbeteiligungen oder Doppelkommunikation sollen vermieden werden. Die Kommunikation soll die relevanten Konfliktfelder berücksichtigen und ergebnisorientiert befrieden. Dazu soll die Möglichkeit einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 25 Abs. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) stärker genutzt werden. Für die Beschleunigung der Verfahren zentral seien v. a. eine Verkürzung von gesetzlich vorgesehenen Fristen und die Fakultativstellung des Erörterungstermins, insbesondere im Rahmen der Planfeststellung. Hiergegen regt sich bereits Widerstand der Umweltverbände. Entsprechendes gilt für die Absicht, bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) Spielräume für Bagatellschwellen, etwa für Änderungs- und Modernisierungsvorhaben, gezielt zu nutzen.

     

    Durch die Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Infrastrukturprojekten soll darüber hinaus ein deutlicher Zeitgewinn erreicht werden. Für geeignete Fälle möchte man, insbesondere beim Mobilfunkausbau, neue gesetzliche Genehmigungsfiktionen einführen, wonach die Zustimmung nach Ablauf der Fristen als erteilt anzusehen ist.

     

    Vorschläge zur materiellen Präklusion habe die Bundesregierung intensiv geprüft. Diese würde dazu führen, dass Einwände, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht vorgetragen sind, im weiteren Verfahrens- oder Prozessverlauf rechts- und revisionssicher unberücksichtigt bleiben. Jedoch bestünden nach der derzeitigen Rechtslage aufgrund von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu dieser Frage nur eingeschränkte Möglichkeiten einer europa- und völkerrechtskonformen Einführung einer solchen materiellen Präklusion.

     

    Mit Blick auf große und bedeutsame Infrastrukturvorhaben prüfen Bund und Länder bis Mitte 2024 für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich, inwieweit im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Vorgaben grundsätzliche Festlegungen oder sogar eine Genehmigung bei bedeutsamen Infrastrukturvorhaben durch den Gesetzgeber selbst getroffen werden können und ob dabei mit Blick auf die trotzdem erforderlichen Verfahrensschritte tatsächlich eine Beschleunigung der Infrastrukturvorhaben eintritt. Vergleichbare Verfahren gibt es bspw. bereits im Königreich Dänemark.

     

    Das Baugesetzbuch (BauGB) möchte der Bund noch in diesem Jahr einer umfassenden Novellierung unterziehen. Damit sollen weitere Beschleunigungsmaßnahmen im Bauplanungsrecht umgesetzt werden. Angesichts der zunehmenden Verdichtung und Nutzungsdurchmischung in den Innenstädten sollen zügige Nutzungsänderungen im Bestand und zusätzliche Baurechte im Siedlungsbereich, insbesondere die Festsetzung von gefördertem Wohnraum in Bebauungsplänen, ermöglicht werden, um schnell neuen Wohnraum schaffen zu können.

     

    Ausdrücklich Erwähnung findet neben dem Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik auch das Thema (Tiefen-)Geothermie, die derzeit noch eher ein Schattendasein führt. Auch hierfür sei eine ausreichende Flächenverfügbarkeit zu gewährleisten. Man wolle gemeinsam die Möglichkeit schaffen, im Wege der Raumordnung geeignete Flächen für Geothermie-Vorhaben auszuweisen. Für diese Bereiche sollen erleichterte Zulassungsanforderungen gelten. Soweit erforderlich, wird der Bund auf der Ebene der Bauleitplanung durch Änderung des § 35 Abs. 1 BauGB einen speziellen Privilegierungstatbestand für Geothermie (Tiefenbohrungen, Obertageanlagen und Netzanbindung) schaffen, um einen Gleichlauf mit anderen privilegierten erneuerbaren Energieträgern (u. a. Wind und Biomasse) zu erreichen und bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen.

     

    Schließlich verfolgen der Bund und die Länder weiter das gemeinsame Ziel, die Bürokratiebelastung für die Wirtschaft wie auch für Bürgerinnen und Bürger zu reduzieren. Noch in diesem Jahr werde die Bundesregierung einen Entwurf für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) vorlegen.

     

    Hans Georg Neumeier