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    03.12.2024

    Mögliche Gestaltungen im Schenkungsteuerrecht durch überschießende Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG?


    Nachdem das Bundesverfassungsgericht (nachfolgend: "BVerfG") mit Beschluss vom 28. November 2023 (Az.: 2 BvL 8/13) § 6 Abs. 5 S. 3 EStG für unvereinbar mit Artikel 3 Abs. 1 GG hält, führt die Legislative im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 gezwungenermaßen eine Neuregelung ein. Ob der Gesetzgeber bei der Umsetzung bereits gesehen hat, dass, je nach Auslegung der Beteiligungsidentität, eine Erweiterung der Norm entsteht, ist fraglich. Mögliche Folge: Gestaltungsspielraum für die Schenkungsteuer. 

    § 6 Abs. 5 EStG ermöglicht die Buchwertüberführung einzelner Wirtschaftsgüter oder Mitunternehmerschaften unter den dort genannten Voraussetzungen. Der I. und IV. Senat des BFH stritten schon länger darüber, ob eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften unter diese Norm fällt. Während der IV. Senat die Norm für verfassungskonform auslegbar hielt, ist der I. Senat der Ansicht, sie sei verfassungswidrig. Die Finanzverwaltung hat jedenfalls die Anwendbarkeit der Norm auf Übertragungen zwischen Schwesterpersonengesellschaften bisher verneint. Infolge der konsequent richtigen Vorlage des I. Senats musste sich das BVerfG der Frage der Verfassungskonformität der Norm widmen und kam zu dem Entschluss, dass diese verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, eine rückwirkende Neuregelung für alle Übertragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 zu treffen, was mit der Einführung des § 6 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 EStG umgesetzt werden soll. 

    Nun könnte der Gesetzgeber jedoch im Rahmen der Neuregelung über das eigentliche Ziel hinausgeschossen sein, da sowohl aus dem Beschluss des BVerfG, der Gesetzesbegründung als auch dem Wortlaut der neuen Norm nicht eindeutig hervorgeht, welche Anforderungen an das Merkmal der Beteiligungsidentität zu stellen sind. 

    Wahrscheinlich wollte der Gesetzgeber die Buchwertüberführung von dem Betriebsvermögen zuzuordnenden Wirtschaftsgütern nur zwischen Schwesterpersonengesellschaften, bei denen sowohl die Personen als auch die Beteiligungshöhe identisch sind, ermöglichen. Schließlich hat der Fiskus derzeit ein hohes Interesse an der Erhaltung und Sicherung des Steueraufkommens. Aufgrund der nicht eindeutigen Regelung kann man allerdings durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass Beteiligungsidentität lediglich Personenidentität erfordert, sodass die Beteiligungshöhe für die Buchwertüberführung irrelevant wäre. Dies wurde bereits in der Vergangenheit in Fällen der § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 – 3 EStG teilweise anerkannt. Schließlich wurde die Frage, welche Voraussetzungen an die Norm zu stellen sind, selbst von der Judikative uneinheitlich beantwortet (z.B. FG Düsseldorf, Urteil vom 4. Dezember 2014, Az. 14 K 2968/09 F; BFH, Urteil vom 30. März 2017, Az. IV R 11/15). 

    Für Personengesellschaften erweitert sich der Gestaltungsrahmen. Es muss nicht mehr der Umweg über § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 und 3 EStG beschritten werden, den viele Mitunternehmer aufgrund der rechtlichen Unsicherheiten auch in Anbetracht der sich widersprechenden höchstrichterlichen Rechtsprechung gescheut haben dürften. Zu berücksichtigen bleibt in diesem Fall jedoch, dass die Übertragung von Wirtschaftsgütern zukünftig zwar ertragsteuerlich neutral erfolgen kann, allerdings unter Umständen schenkungsteuerliche Konsequenzen mit sich trägt. So könnte die Übertragung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens von einer Personengesellschaft in das Vermögen einer anderen Personengesellschaft bei personenidentischer Beteiligung mit unterschiedlichen Beteiligungshöhen als eine Schenkung unter Lebenden nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG angesehen werden, soweit die wertmäßige Zuordnung der Mitunternehmeranteile voneinander abweicht. 

    Die Neuregelung gilt in allen offenen Fällen. Es nicht auszuschließen ist, dass der Buchwertansatz sich im Einzelfall zuungunsten der Mitunternehmer auswirken kann. Aus Vertrauensschutzgründen kann bei Übertragungen vor dem 12.1.2024 von einer Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG abgesehen werden, wenn die an beiden Mitunternehmerschaften beteiligten Mitunternehmer dies gemeinsam beantragen.

    Robin Eberle
    Jakob Gerstung

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