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    27.09.2024

    Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Bereich der Endkundenmärkte, des Netzausbaus und der Netzregulierung


    Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 27. August 2024 vor dem Hintergrund der steigenden Bedeutung erneuerbarer Energien bei der Versorgung sowie der unionsweiten Dekarbonisierungsziele einen Referentenentwurf für ein Artikelgesetz vorgelegt. Mit diesem soll u.a. das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG-E, Art. 1 und 2) und das Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG-E, Art. 5) geändert werden. Der Referentenentwurf wurde zeitgleich in die Verbändeanhörung gegeben. Wichtig für die Praxis sind vor allem die Vereinfachungen beim Netzanschluss, die Stärkung von Verbraucherschutzrechten sowie das sog. „Energy Sharing“, für das bereits in der Photovoltaikstrategie des BMWK am 5. Mai 2023 geworben wurde.

    Das EnWG als solches verfolgt bekanntlich den Zweck, eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente, umweltverträgliche und treibhausgasneutrale Versorgung der Allgemeinheit mit Energie sicherzustellen und regelt hierzu insbesondere die Beziehungen zwischen Endkunden und Versorgern.

    Erst Ende 2023 kam es in Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur letzten Überarbeitung des EnWG, wobei die Stärkung der Unabhängigkeit der zuständigen Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur (BNetzA), im Vordergrund stand.

    Auch die Regelungen des aktuellen Referentenentwurfs dienen in Teilen der Umsetzung von unionsrechtlichen Vorgaben, hierbei allen voran der Umsetzung der sog. novellierten Strombinnenmarktrichtlinie (EU) 2024/1711, welche bis zum 16. Januar 2025 in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Im Einzelnen:

    Verbindliche Bearbeitungsfristen für Netzanschlussbegehren und Möglichkeit einer unverbindlichen Netzanschlussauskunft

    Mit den neuen Regelungen zum Netzanschlussbegehren, §§ 17 Abs. 5 bis 7 EnWG-E, und der unverbindlichen Netzanschlussauskunft, § 17a EnWG-E, soll generell die Transparenz der Netzanschlussverfahren erhöht werden.

    So ist für Netzanschlussbegehren vorgesehen, dass der jeweilige Netzbetreiber dem Anschlussbegehrenden innerhalb von drei Monaten klare und transparente Informationen zum Status und zur weiteren Bearbeitung des Begehrens zur Verfügung stellen muss. Sofern nach Ablauf der Frist kein abschließendes Ergebnis mitgeteilt werden kann, sind die Informationen alle drei Monate zu aktualisieren. Ab dem 1. Januar 2026 verringert sich die Zeit zur Prüfung des Netzanschlussbegehrens um vier Wochen, sodass dem Anschlussbegehrenden ein Ergebnis innerhalb von nur acht Wochen mitzuteilen ist, wobei auch Informationen bezüglich des Zeitplans zur Herstellung, Änderung oder Erweiterung des Netzanschlusses beigefügt werden müssen.

    Zur Senkung der Bearbeitungszeit und Steigerung der Effizienz soll der Netzbetreiber auf seiner Website allgemeine Informationen zur Prüfung des Netzanschlussbegehrens sowie die einzureichenden Unterlagen auflisten. Zwei Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes sollen Verteilernetzbetreiber dann ein Online-Tool bereitstellen, mit dem eine unverbindliche Netzanschlussauskunft für Anlagen ab einer Nennleistung von 135 Kilowatt ermöglicht werden soll.

    Diese beiden neuen Vorschriften werden durch § 20b EnWG-E flankiert, welcher Netzbetreibern die Einführung einer gemeinsamen, bundesweit einheitlichen Plattform zum Austausch von Daten im Zusammenhang mit dem Netzzugang bis zum 1. Juli 2026 vorschreibt. Diese Plattform soll insbesondere Personen ohne feste Marktrolle die Kommunikation mit Netzbetreibern erleichtern und beispielsweise zur Bestellung, Änderung oder Abbestellung von Messkonzepten, sog. Zählpunktanordnungen, genutzt werden können. 

    Im Übrigen finden sich die vorgeschlagenen verbindlichen Rückmelde- und Bearbeitungsfristen von Netzanschlussbegehren durch die Netzbetreiber im EEG-E, so dass sich die Terminologie an die neue Regelung im EnWG angleicht. Weiter wird ein neuer § 8a EEG-E vorgeschlagen. Hier sieht der Gesetzgeber einen Anspruch auf die Reservierung von Netzanschlusskapazitäten vor. Vorgesehen sind spezielle Regelungen für die Anschlussreservierung von EE-Anlagen und Speichern.

    Vertragsgestaltung: Neue Informationspflichten, Festpreisverträge und Versorgungsunterbrechungen

    Die Regelungen im EnWG-E sind auch als Reaktion auf die Energiekrise und die volatilen Strompreise in den vergangenen zwei Jahren zu sehen. So sollen Energielieferanten erstmalig zur Entwicklung von Absicherungsstrategien gegen Verfügbarkeitsschwankungen im Strom- und Gasgroßhandel verpflichtet werden, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Kundenbelieferung sicherzustellen. Die entsprechenden Absicherungsstrategien sind auch durch die BNetzA überprüfbar.

    Gegenüber den Kunden ergeben sich diverse Änderungen im Bereich der vertraglichen Informationspflichten. So sollen zum Beispiel die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift und Informationen, die eine unverzügliche telefonische und elektronische Kontaktaufnahme ermöglichen, notwendig werden.

    Ebenfalls soll mit § 41a Abs. 4 bis 7 EnWG-E die Option eines Stromliefervertrags mit Festpreis eingeführt werden. Hierfür ist eine Vertragslaufzeit von mindestens 12 Monaten vorgesehen sowie die Möglichkeit Mehr- oder Minderbelastungen an den Kunden auch während der Vertragslaufzeit weiterzureichen. Stromlieferanten, die zum 31. Dezember eines Jahres mehr als 200.000 Letztverbraucher beliefern, sind im Folgejahr zum Angebot eines Festpreisvertrags verpflichtet. Ebenfalls sind sie verpflichtet, bereits bei Vertragsschluss umfassend über die Kosten sowie Vor- und Nachteile der jeweiligen Tarifart aufzuklären.

    Letztlich sollen auch die bisherigen Übergangsregelungen zu Versorgungsunterbrechungen außerhalb der Grundversorgung mit dem neuen § 41f EnWG-E dauerhaft beibehalten werden, sodass insbesondere auch bei Rückständen und Zahlungsschwierigkeiten die Versorgung nicht eingestellt werden kann, ohne eine umfassende Verhältnismäßigkeitsabwägung.

    Einführung des „Energy Sharing“

    Ein weiterer Kernpunkt des Referentenentwurfs ist die langerwartete Einführung der gemeinsamen Nutzung elektrischer Energie, des sog. „Energy Sharing“, § 42c EnWG-E.

    Dies soll Endkunden mit Ausnahme von Großunternehmen und professionellen Versorgern ab dem 1. Juli 2026 ermöglichen, eine Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien gemeinsam zu betreiben und den Strom gemeinsam zu nutzen. Es wird damit den Betreibern von Anlagen ermöglicht, Strom in einem geografisch begrenzten Gebiet zu verkaufen, ohne die Notwendigkeit einer formellen Einspeisung in das Netz.

    Nutzer dieses Versorgungsmodells müssen einen Vertrag über die gemeinsame Nutzung von Strom abschließen, dieser muss einen Aufteilungsschlüssel für den erzeugten Strom und, sofern keine unentgeltliche Nutzung vereinbart wird, Angaben zum Strompreis enthalten. Sofern nur Haushaltskunden durch eine Anlage von nicht mehr als 30 KWp oder mehrere Haushaltskunden im selben Gebäude durch eine Anlage von nicht mehr als 100 KWp versorgt werden, gilt eine Erleichterung für den Energy-Sharing-Vertrag: Viele der sonst für Stromlieferanten geltenden Anzeige- und Informationspflichten müssen nicht eingehalten werden.

    Der Strom kann geografisch zunächst nur im Bilanzierungsgebiet des Netzbetreibers geteilt werden. Ab dem 1. Juli 2028, kann der erzeugte Strom auch innerhalb der unmittelbar angrenzenden Bilanzierungsgebiete geteilt werden.

    So wie bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung muss beim „Energy Sharing“ eine viertelstundenscharfe Messung der Stromerzeugung in der Anlage sowie die ebenfalls viertelstundenscharfe Messung der Strombezugsmengen bei allen mitnutzenden Letztverbrauchern erfolgen.

    Damit die höhere Komplexität dieses Versorgungskonzepts nicht dazu führt, dass das „Energy Sharing“ eine lediglich theoretische Möglichkeit bleibt, können gewisse Dienstleistungen, zum Beispiel in Bezug auf die Verpflichtung zur Bilanzierung eingespeister und entnommener Energiemengen auf professionelle Dritte übertragen werden. In diesem Zuge kann ein Letztverbraucher auch von seinem Stromlieferanten verlangen, die Zahlung von Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelten, die auf im Wege des „Energy Sharing“ verbrauchte Strommengen entfallen, direkt an ihn zahlen zu können. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass eine Vollversorgungspflicht nicht besteht. So kann jeder Endkunde im Energy-Sharing-Modell seinen eigenen Stromlieferanten für seinen Restbedarf wählen.

    Fazit

    Mit dem Referentenentwurf gehen viele Neuerungen einher. Es ist zu begrüßen, dass Netzanschlussverfahren schneller bearbeitet und mehr Transparenz erreicht werden soll.

    Damit erfolgt auch mittelbar ein Digitalisierungsschub, da nun die Nutzung von Online-Plattformen von Gesetzes wegen gefordert und zum Standard erhoben wird.

    Darüber hinaus wird mit der Einführung des „Energy Sharing“ nicht nur eine unionsrechtliche Verpflichtung, sondern auch eine von Verbrauchern lang gewünschtes Versorgungskonzept etabliert. Diese neue Regelung ist vor allem für den geplanten Zubau an Auf-Dach-PV-Anlagen interessant. Nachteilhaft ist allerdings, dass der Referentenentwurf keine Befreiungen von Steuern, Netzentgelten, Umlagen und Abgaben vorsieht, sodass zumindest wirtschaftliche Anreize fehlen könnten.

    Die grundsätzlich positiven Neuerungen führen jedoch absehbar zu einer weitergehenden Belastung der Netzbetreiber, da diese im Fall der Verabschiedung des Referentenentwurfs zur Anpassung ihrer Energielieferverträge gezwungen werden und sie mittelfristig auch einen deutlich gesteigerten Aufwand zur Schaffung der geforderten Online-Plattformen betreiben müssen.

    Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang der Gesetzesentwurf nun noch Änderungen erfährt. 

    Dr. Malaika Ahlers
    Anton Buro

    Bei allen Fragen rund um energierechtliche Themen stehen Ihnen ebenso Sebastian Berg, Peter Meisenbacher und Dr. Florian Böhm aus dem Energy-Team zur Verfügung.

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