Das erste Gebotsverfahren des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ausgearbeiteten Förderprogramms Klimaschutzverträge mit einem Fördervolumen von EUR 4 Mrd. endet am 11. Juli 2024. Jedoch ist geplant, dass zeitnah, also noch in der zweiten Jahreshälfte 2024, das zweite Gebotsverfahren bzw. das hierfür vorgesehene vorbereitende Verfahren eingeleitet wird.
Europa soll spätestens bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden, wobei Deutschland sich das ambitionierte Ziel gesetzt hat, Klimaneutralität bereits bis 2045 zu erreichen. Hierzu sieht das Bundes-Klimaschutzgesetz vor, dass die Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) bis 2030 um mindestens 65 Prozent und bis 2040 um mindestens 88 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden.
Für die Einhaltung dieser Zielvorgaben ist die Steigerung der Energieeffizienz bzw. der Nachhaltigkeit von Produktionsverfahren im Bereich energieintensiver Industrien entscheidend, da von ihnen ein wesentlicher Teil der gesamten THG-Emissionen ausgeht. Da die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Klimawandels nur teilweise, zum Beispiel im Wege der CO2-Zertifikate, in Produktionskosten eingepreist werden, gibt es für Unternehmen vielfach geringe wirtschaftliche Anreize in klimafreundliche Produktionsverfahren zu investieren. Vielmehr werden solche Investitionen angesichts des kaum kalkulierbaren Preisrisikos und den mit den Vorhaben verbundenen Investitionsvolumen als zu risikoreich eingestuft. An diesem Punkt setzen nach der Vorstellung des BMWK nunmehr die Klimaschutzverträge an.
Bei den Klimaschutzverträgen (auch bekannt als CO2-Differenzverträge, engl. Carbon Contracts for Difference) handelt es sich um eine staatliche Fördermaßnahme. In Form von Differenzverträgen, sollen die Mehrkosten, die Unternehmen emissionsintensiver Branchen aufgrund von Treibhausgasemissionsminderungen durch klimafreundliche Produktionsverfahren im Vergleich zu konventionellen Verfahren entstehen, ausgeglichen werden.
Der zentrale Unterschied zu anderen, bereits etablierten Förderregimen ergibt sich aus der Ausgestaltung als zweiseitiger Differenzvertrag, denn sobald die "grünen" Produktionsverfahren gegenüber den konventionellen Produktionsverfahren keinen Kostennachteil mehr aufweisen (sog. Überförderung), kehrt sich das mit dem Klimaschutzvertrag begründete Zahlungsverhältnis um – das heißt, dass das Unternehmen nun Überschusszahlungen für die verbliebene Vertragslaufzeit an den Staat abführt.
Das mit den Klimaschutzverträgen verfolgte Ziel ist nach der Richtlinie zur Förderung von klimaneutralen Produktionsverfahren in der Industrie durch Klimaschutzverträge (FRL KSV) die kontinuierliche und kosteneffiziente Transformation der Industrie bis zum Jahr 2045
Hierzu werden drei spezifische Unterziele festgehalten: es soll
Diese (Unter-)Ziele sind auch nicht isoliert, sondern im Gesamtkontext der europäischen und insbesondere der deutschen Klimapolitik zu sehen. Während die meisten Maßnahmen, angefangen bei der CO2-Bepreisung im Wege von CO2-Zertifikaten bis hin zu diversen Förderprogrammen, überwiegend das auf den Märkten verfügbare Angebot beeinflussen sollen, so schlägt insbesondere Punkt zwei, die indirekte Förderung des Aufbaus von Leitmärkten, eine Brücke zum Nachfragemarkt. Hieran anschließend hat das BMWK am 22. Mai 2024 das Konzept „Leitmärkte für klimafreundliche Grundstoffe" vorgestellt, welches konkrete Strategien zur Schaffung bzw. Stärkung der Nachfrage der in klimaneutralen Produktionsverfahren hergestellten Endprodukte vorschlägt. Hierzu wurden erstmals Definitionen für klimafreundliche Grundstoffe geschaffen, um in einem Folgeschritt festzulegen bzw. zertifizieren zu können, ob Produkte wie Stahl, Zement oder chemische Grundstoffe "grün" sind. Anschließend soll die öffentliche Hand bei der Beschaffung ihre Hebel- und Vorbildwirkung nutzen, um die "grünen" Produkte als neuen Marktstandard zu etablieren.
Durch den Abschluss von Klimaschutzverträgen sollen grundsätzlich Unternehmen aus emissionsintensiven Branchen einen Ausgleich bzw. eine Förderung erhalten, für die Mehrkosten, die ihnen durch die Errichtung von klimafreundlichen Anlagen bzw. den Umbau von Anlagen zu klimafreundlicheren Anlagen (Investitionsausgaben, engl. Capital Expenditures – CAPEX) und deren Betrieb (Betriebskosten, engl. Operational Expenditures – OPEX) im Vergleich zu Anlagen mit derzeit bester verfügbarer Technik, dem sog. Referenzsystem, entstehen.
Die FRL KSV enthält eine Reihe an Mindestanforderungen für die Förderungsfähigkeit. So muss das Vorhaben die Mindestgröße der absoluten durchschnittlichen jährlichen Treibhausgasemissionen des Referenzsystems erreichen, was im Förderaufruf festgelegt wird, aber mindestens 10 kt CO2-Äquivalente pro Kalenderjahr beträgt.
Darüber hinaus muss die relative Treibhausgasemissionsminderung gegenüber dem Referenzsystem spätestens ab dem dritten vollständigen Kalenderjahr innerhalb der Laufzeit des Klimaschutzvertrags mindestens 60 Prozent betragen. Außerdem muss die geplante relative Treibhausgasemissionsminderung von mindestens 90 Prozent gegenüber dem Referenzsystem technisch möglich und in den letzten 12 Monaten der Laufzeit des Klimaschutzvertrags tatsächlich erreicht werden.
Eine weitere Förderungsbeschränkung liegt darin, dass nur solche industriellen Tätigkeiten förderfähig sind, die von Anhang I der Richtlinie 2003/87/EG erfasst werden, also insbesondere die Stahl-, Zement-, Glas- und Papierindustrie. Deren erzeugte Produkte müssen zudem im Vergleich zu den durch das Referenzsystem erzeugten Produkten eine gleiche oder bessere Funktionalität aufweisen.
Antragsberechtigt sind sowohl privatwirtschaftliche Unternehmen als auch Kommunen, kommunale Eigenbetriebe, Unternehmen und Zweckverbände, solange diese wirtschaftlich tätig sind. Zudem können sich mehrere Unternehmen zusammenschließen und ein Konsortium bilden, wenn sie beabsichtigen, förderfähige Produkte in Deutschland herzustellen, das Vorhaben die oben genannte Mindestgröße erreicht und ein technologischer Verbund gebildet wird.
Aus den in der Förderrichtlinie enthalten Ausschlusskriterien ergibt sich, dass die maximale Gesamtfördersumme mindestens EUR 15 Mio. betragen muss, wobei hiervon im Förderaufruf auch abgewichen werden kann. Zudem kann die maximale Fördersumme pauschal auf einen gewissen Prozentsatz – in der ersten Runde waren es 25 Prozent – des gesamten Förderaufrufs beschränkt werden.
Die Höhe des jährlichen Auszahlungsbetrags für ein Vorhaben, d.h. der Zuwendung oder der Überschusszahlung, hängt maßgeblich von der Höhe des Gebots des Antragsstellers und den Festlegungen im jeweiligen Förderaufruf ab, sodass die Berechnung hier nur stark verallgemeinert beschrieben werden kann. Grundsätzlich wird jedoch das Gebot des Antragsstellers – welches die von ihm ermittelten Mehrkosten widerspiegelt – als Basis-Vertragspreis zugrunde gelegt. Dieser wird regelmäßig um eine Dynamisierungskomponente, die die Entwicklung des Preises der im Referenzsystem verwendeten Energieträger wiedergibt, angepasst. Darüber hinaus wird der sog. effektive CO2-Preis, der sich aus durch das Europäische Emissionshandelssystem bedingten Kosten und Erlösen zusammensetzt, abgezogen. Diese Summe wird anschließend mit der realisierten spezifischen Treibhausgasemissionsminderung sowie der realisierten Produktionsmenge des Vorhabens multipliziert.
Grundsätzlich kann die Förderung im Rahmen von Klimaschutzverträgen auch mit anderen Fördermaßnahmen kombiniert werden, jedoch kann eine solche Mehrfachförderung im Förderaufruf ausgeschlossen werden, und es darf auch keine Überkompensation erfolgen, sodass etwaige anderweitige Förderungen von der Bewilligungsbehörde in Abzug gebracht werden.
Die Förderung im Rahmen von Klimaschutzverträgen erfolgt regelmäßig in drei separaten Abschnitten.
Zuerst kann das BMWK als zuständige Bewilligungsbehörde ein vorbereitendes Verfahren durchführen. Dieses dient der Behörde als Möglichkeit zur Sammlung von relevanten Informationen und gibt Interessenten gleichzeitig die Möglichkeit zur Stellung von Fragen in Bezug auf das nachfolgende Verfahren. Mit dem Ablauf des vorbereitenden Verfahrens ist eine materielle Ausschlussfrist verknüpft, das heißt diejenigen, die nicht am vorbereitenden Verfahren teilgenommen oder vom BMWK angeforderte Informationen nicht form- und fristgemäß mitgeteilt haben, sind vom weiteren Förderverfahren ausgeschlossen.
Hieran schließt sich das wettbewerbliche Gebotsverfahren an, wobei die Frist zur Gebotsabgabe im Förderaufruf festgelegt wird. Die Bieter halten sich nach Ende des Gebotsverfahrens für einen Zeitraum von sechs Monaten an den Inhalt ihres Gebots gebunden.
Nach der Prüfung und Bewertung des Gebots bewilligt die Behörde den erfolgreichen Antragstellern die Zuwendung durch einen Zuwendungsbescheid, der gleichzeitig mit der Erteilung des Zuschlags ergeht. Am dritten Kalendertag nach der Absendung des Zuwendungsbescheids kommt der Abschluss des Klimaschutzvertrages zustande. Deren Laufzeit ist auf 15 Jahre festgelegt, beginnt jedoch erst mit dem operativen Betrieb der geförderten Anlage und somit spätestens 36 Monate nach Bestandskraft des Zuwendungsbescheids.
Die Klimaschutzverträge übertragen das Konzept von Differenzverträgen auf ein neues Sachgebiet und eröffnen sowohl dem Staat als auch den Wirtschaftsunternehmen neue (Förder )Möglichkeiten. Insbesondere durch den langen Förderungszeitraum von 15 Jahren erhalten Unternehmen die notwendige Planungssicherheit für große Investitionen, während sie von Preisrisiken der noch nicht etablierten grünen Produktionsverfahren bzw. Produkten weitgehend abgeschirmt werden. Gleichzeitig geht von dieser Förderung auch ein wichtiger Impuls zur für die Erreichung der ambitionierten deutschen Klimaschutzziele unerlässlichen Markttransformation aus.