Bundeskanzler Friedrich Merz wurde heute vom Bundestag gewählt, nachdem gestern die Ministerposten der SPD bekannt gegeben worden sind und der Koalitionsvertrag unterzeichnet wurde. Die 21. Legislaturperiode ist gestartet. Entsprechend lohnt sich ein Blick auf die Ziele, die sich die Bundespolitik für die nächsten vier Jahre gesetzt hat."
Insbesondere im Energie- und Klimasektor soll sich einiges verändern – wenn auch diese Veränderungen aus gleich mehreren Ministerien kommen werden: Die bislang vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima grün geführten Ressorts sind nun in drei Ministerien neu aufgeteilt worden: Das Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung unter Karsten Wildberger, CDU, das Wirtschafts- und Energieministerium unter Katherina Reiche, CDU, und das Umwelt- und Klimaschutzministerium unter Carsten Schneider, SPD.
Unter dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ legen die Koalitionspartner auf zehn Seiten die wichtigsten Bausteine ihrer energie- und klimapolitischen Agenda für die 21. Legislaturperiode fest. Hierbei bekennen sich die Koalitionspartner zuvorderst zur Einhaltung der europäischen und deutschen Ziele im Bereich des Klimaschutzes, konkret zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 90 Prozent zum Jahr 2040 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 sowie dem Ziel in Deutschland die Klimaneutralität – wie auch bisher – schon im Jahr 2045 und damit fünf Jahre vor dem Rest der Europäischen Union zu erreichen.
Die Politik der kommenden vier Jahre soll die Energiewende insgesamt transparent, planbar und pragmatisch vorantreiben. Das übergeordnete Ziel – neben der Versorgungssicherheit – ist eine Senkung der Energiepreise: Verbraucher und Unternehmen sollen um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde Strom entlastet werden.
Die Umsetzung dieser energie-, klima- und wirtschaftspolitischen Ziele wird dabei auf eine große Zahl verschiedener Maßnahmen gestützt, dazu im Einzelnen:
Ein großes Wahlversprechen beider Koalitionspartner war die Verringerung der Stromkosten, welche trotz entsprechender Bemühungen nicht auf Vorkrisenniveau zurückgingen und ein Hemmschuh insbesondere für die deutsche Industrie sind.
Dieses Vorhaben findet sich im Koalitionsvertrag wieder. Die Koalitionspartner planen zunächst die Stromsteuer auf das von der Europäischen Union vorgegebene Mindestmaß zu senken und auch die Netzentgelte zu reduzieren.
Darüber hinaus ist auch geplant, die Strompreiskompensation, die es stromkostenintensiven Unternehmen zur Erhaltung ihrer Wirtschaftsfähigkeit und Verhinderung ihrer Abwanderung ins Ausland erlaubt, einen Teil der Kosten als Beihilfe zurückzuerhalten, auf weitere Wirtschaftszweige auszuweiten. Allen voran – und im Einklang mit der Digitalpolitik der Koalition – sollen nun auch Rechenzentren an der Strompreiskompensation teilhaben können. Die energieintensiven Unternehmen, die nicht anderweitig zu entlasten sind, sollen von einem reduzierten Industriestrompreis profitieren. Dies soll insbesondere Unternehmen mit einem konstanten Strombedarf und geringen Flexibilisierungspotenzial, beispielsweise die Schwerindustrie, entlasten.
Unter dem Abschnitt Bauen und Wohnen ist zu lesen, dass das "Heizungsgesetz" abgeschafft werden soll. Gemeint ist hier das Gebäudeenergiegesetz (GEG), welches innerhalb und außerhalb der Ampel-Koalition zu Verwerfungen geführt hatte. Das neue GEG soll technologieoffener, flexibler und einfacher werden.
Hierbei ist aber zu bemerken, dass die Regelungen des GEG z.T. auf der Umsetzung der Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) beruht. Der Handlungsspielraum der neuen Regierung bei dessen Änderung ist damit nicht so umfassend, wie bislang und auch durch den Koalitionsvertrag suggeriert wurde.
Unerlässliche Voraussetzung für die kommende Elektrifizierung der Energiewirtschaft ist die Modernisierung und der Ausbau des Stromnetzes.
Hierbei soll zunächst die Digitalisierung des Netzes durch den Smart-Meter-Rollout beschleunigt werden, der für das Angebot von dynamischen Stromtarifen und dezentralen Versorgungskonzepten benötigt wird, aber auch die Datenlage für unzählige Anwendungen und Flexibilisierungsmöglichkeiten schaffen soll.
Beim Netzausbau soll neben der allgemeinen Verstärkung des Verteilnetzes stärker auf den Bau von Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetzen gesetzt werden, um den Strom aus Regionen mit hoher Erzeugung von Wind- und Solarenergie besser zu distribuieren.
Die Industrie soll zudem neue Möglichkeiten zur Direktversorgung mit Strom erhalten. Ebenfalls soll das gesamte Stromsystem durch den Ausbau systemdienlicher Speicherkapazitäten effizienter werden, wozu auch Heimspeicher und die Möglichkeit des bidirektionalen Ladens von E-Autos dienen können.
Diese Maßnahmen sollen durch fortschreitende Entbürokratisierung sowie die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren ergänzt werden. Insbesondere will die Koalition hierbei den Bund-Länder-Prozess zur Umsetzung des Pakts für Planungs-, Umsetzungs- und Genehmigungsbeschleunigung fortführen und durch zeitige Umsetzung von europäischen Vorgaben wie der Erneuerbare-Energien-Richtlinie III (RED III) Planungssicherheit für alle Teilnehmer schaffen.
Zentrale Stoßrichtung der Energiepolitik bleibt der Ausbau der Erneuerbaren Energien und deren Integration in das Stromnetz:
Im Rahmen der Kraftwerksstrategie sollen schnellstmöglich technologieoffene Ausschreibungen erfolgen, um bis zum Jahr 2030 weitere 20 GW Gaskraftwerksleistung zuzubauen. Diese sollen sodann neben anderen Erzeugungsanlagen und Speichern in einen Kapazitätsmechanismus eingebunden werden, der einen hohen Grad an Versorgungssicherheit bei gesteigerter Flexibilität ermöglicht.
Ebenfalls soll die Kraft-Wärme-Kopplung ("KWK") weiterhin eine hervorgehobene Rolle spielen. KWK-Anlagen sollen zur klimaneutralen Wärmeversorgung, aber auch im neu zu schaffenden Kapazitätsmechanismus genutzt werden; eine entsprechende Anpassung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) soll noch im Jahr 2025 folgen. In diesem Zusammenhang sollen auch Reservekraftwerke zukünftig nicht nur bei Versorgungsengpässen zum Einsatz kommen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises. Nichtsdestotrotz bleibt es beim Ende der Braunkohleverstromung bis spätestens 2038, wobei der konkrete Zeitplan, nach dem die Braunkohlekraftwerke vom Netz und aus der Reserve genommen werden, sich nach dem Fortschritt des Zubaus neuer Kraftwerke richten wird.
Die Koalition erachtet die CO2-Bepreisung im Wege des Europäischen Emissionshandelssystems als zentralen Baustein des Klimaschutzes.
Aktuell nehmen nur Betreiber von großen Energieanlagen und energieintensiven Industrieanlagen sowie Luftfahrzeugbetreiber und Schifffahrtsunternehmen am Emissionshandelssystem der Europäischen Union ("EU-EHS 1") teil, d.h. sie müssen CO2-Zertifikate entsprechend ihrer Emissionen erwerben. Das bestehende System wird ab 2027 um ein eigenständiges System für Gebäude, Straßenverkehr und weitere Sektoren ("EU-EHS 2") – welches Deutschland zeitnah in nationales Recht umsetzen muss – erweitert und löst so das deutsche Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ab.
Einen Teil der Einnahmen aus dem Handel mit den CO2-Zertifikaten soll auch dazu genutzt werden, um Bürger zum Beispiel in den Bereichen Wohnen und Mobilität weiter zu entlasten. Es ist nämlich zu erwarten, dass die Kosten von Heizen und Treibstoff aufgrund des Übergangs in das europäische System des Emissionshandels steigen werden.
Auf nur wenigen Seiten greift der Koalitionsvertrag der neuen Regierung eine Reihe an zentralen Themen der Energiewirtschaft auf, bleibt jedoch bezüglich der konkreten Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen bedauerlicherweise unpräzise. So ist die wirtschaftliche Planbarkeit für viele Marktteilnehmer weiter offen. Die konkreten Gesetzesentwürfe werden abgewartet werden müssen.
Klar ist jedenfalls, dass die Umsetzung europäischer Richtlinien und die Verabschiedung neuer und Anpassung bestehender Gesetze einen hohen Aufwand mit sich bringen wird. Diskurse müssen geführt werden, um den gemeinsamen Pfad weiter zu justieren.
Schließlich hängt die Verwirklichung dieser Ziele auch von tatsächlichen und wirtschaftlichen Umständen ab, hier vor allem vom Hochlauf des Wasserstoffmarkts und dem notwendigen Ausbau der Netzinfrastruktur. Die nächsten vier Jahre werden in diesen Bereichen bedeutende Entwicklungen bringen, die wir mit großer Aufmerksamkeit verfolgen werden.
Anton Buro
Dr. Malaika Ahlers
Bei allen Fragen rund um energierechtliche Themen stehen Ihnen ebenso Dr. Malaika Ahlers, Peter Meisenbacher, Sebastian Berg und Dr. Florian Böhm aus dem Energy-Team zur Verfügung.