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    15.05.2025

    BFH erlaubt nachträgliche Optionsausübung bei der erbschaftsteuerlichen Betriebsvermögensbegünstigung, zieht aber verfahrensrechtliche Grenzen


    Mit Urteil vom 27. Oktober 2021 (Az. II R 44/21), das kürzlich veröffentlicht wurde, hat der II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass das Wahlrecht zur Optionsverschonung gemäß § 13a Abs. 8 ErbStG in der Fassung von 2013 ein unbefristet ausübbares Antragsrecht darstellt. Gleichzeitig verweist der BFH jedoch hinsichtlich der steuerlichen Auswirkungen auf die Änderungsregelungen der Abgabenordnung (AO).

    Hintergrund

    Im Jahr 2013 wurde eine Schenkung vorgenommen. Aufgrund eines geänderten Wertfeststellungsbescheids wurde im Jahr 2019 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ein geänderter Schenkungsteuerbescheid erlassen, der zu einer abweichenden Steuerfestsetzung gegenüber dem bereits formell bestandskräftigen Ursprungsbescheid führte.
    Der Kläger legte Einspruch ein und erklärte, nunmehr das Wahlrecht auf Vollverschonung gemäß § 13a Abs. 8 ErbStG (Fassung von 2013) ausüben zu wollen. Das zuständige Finanzamt wies den Einspruch ab.

    Nach erfolgreicher Klage vor dem Finanzgericht Münster (Urteil vom 27. Oktober 2021, 3 K 2817/20 Erb) legte das Finanzamt Revision ein. Es argumentierte, die Gewährung der Vollverschonung verstoße gegen § 351 Abs. 1 AO, da die steuerlichen Folgen über den durch § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gesetzten Änderungsrahmen hinausgingen.

    Kernaussagen des Urteils

    Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Er stellte klar, dass für die Abgabe der Optionserklärung keine gesetzliche Frist besteht. Allerdings sei die Möglichkeit einer Herabsetzung der Schenkungsteuer durch verfahrensrechtliche Begrenzungen – insbesondere die Bestandskraft sowie § 351 Abs. 1 AO – eingeschränkt.

    Zwar könne eine nachträgliche Optionserklärung berücksichtigt werden, dies jedoch nur insoweit, wie deren steuerliche Auswirkungen innerhalb des durch § 351 Abs. 1 AO gesetzten Rahmens liegen. Danach sei die Änderbarkeit eines Steuerbescheids – auch durch Einspruch – auf den Umfang der ursprünglichen Änderung beschränkt, während im Übrigen die eingetretene Bestandskraft bestehen bleibt.

    Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist die Ausübung eines unbefristeten Wahl- oder Antragsrechts grundsätzlich so lange möglich, wie der betreffende Bescheid nicht formell und materiell bestandskräftig ist. Es handele sich dabei nicht um eine unzulässige Teilbeantragung der Verschonung, sondern um eine Begrenzung der steuerlichen Auswirkungen durch das Verfahrensrecht.

    Die Vorinstanz hatte zutreffend hervorgehoben, dass lediglich die festgesetzten Beträge – also der Tenor des Bescheids – in Bestandskraft erwachsen. Die Höhe einer Steuerbefreiung stellt hingegen einen Begründungsteil dar, der nicht bestandskräftig wird. Deshalb könne die Optionserklärung auf den nicht bestandskräftigen Teil des Änderungsbescheids Einfluss nehmen. Die ursprüngliche Bestandskraft stehe dem nicht entgegen.

    Auswirkungen für die Praxis

    Da auch die seit dem 1. Juli 2016 geltende Fassung der Optionsverschonung gemäß § 13a Abs. 10 ErbStG keine Frist für die Antragstellung vorsieht, ist davon auszugehen, dass die Grundsätze des BFH-Urteils auch auf die aktuelle Rechtslage übertragbar sind.

    Die Entscheidung verschafft dem Steuerpflichtigen somit einen Abwehranspruch gegen nachträglich erhöhte Steuerfestsetzungen bei begünstigtem Betriebsvermögen. Besonders erfreulich ist dies mit Blick auf mögliche Folgeerwerbe, etwa bei der Wiederverwendung frei gewordener Freibeträge. Nach Ansicht der Finanzverwaltung wird nach § 13a ErbStG befreites Vermögen zudem bei der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG nicht einbezogen.

    Problematisch bleibt jedoch, dass das verfahrensrechtliche Korsett die praktische Nutzung des gesetzlich unbefristeten Optionsrechts erheblich einschränkt. In der Praxis wird oft von der Option abgesehen, weil zukünftige Entwicklungen schwer vorhersehbar sind – insbesondere, da ein Rückfall von der beantragten Voll- zur Regelverschonung nicht möglich ist. Wird die Option beantragt, die Voraussetzungen später aber nicht erfüllt, entfällt jegliche Verschonung – selbst wenn die Regelverschonung greifbar gewesen wäre.

    Deshalb wird aus Gründen der Planungssicherheit in der Beratung häufig die „sichere“ 85%-Regelverschonung empfohlen, um das „Alles-oder-nichts“-Risiko zu vermeiden. Zwar lässt das BFH-Urteil nun eine nachträgliche Ausübung des Wahlrechts zu – die verfahrensrechtliche Umsetzbarkeit bleibt jedoch eine Herausforderung.

    Als praktikable Lösung bietet sich an, den Schenkungsteuerbescheid möglichst lange offen zu halten, z. B. durch Vorläufigkeit oder Vorbehalt der Nachprüfung. Solange der Bescheid nicht materiell bestandskräftig ist, kann ein Optionsantrag noch ohne Einschränkungen gestellt werden. Ist dies nicht der Fall, sollte versucht werden, die Optionserklärung über Einspruch und Verfahrensruhe möglichst lange hinauszuzögern. Dabei kann mit Verweis auf das BFH-Urteil argumentiert werden, dass eine frühzeitige Entscheidung sonst ins Leere laufen würde – insbesondere im Lichte des oben genannten Alles-oder-nichts-Prinzips.

    Diese Problematik dürfte weiteres Streitpotenzial bergen, sodass mit weiteren Verfahren zu rechnen ist.

    Heiko Wunderlich
    Fabian Buker

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