Ihre
Suche

    17.12.2024

    Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art: BFH entscheidet gegen abgestufte Kettenzusammenfassung


    Einführung

    Das Körperschaftsteuerrecht gibt juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Möglichkeit, mehrere Betriebe gewerblicher Art (BgA) steuerlich zusammenzufassen, wenn zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG). So können verlustträchtige Tätigkeiten wie beispielsweise der Betrieb eines Schwimmbads mit gewinnträchtigen Betrieben wie zum Beispiel der Energieversorgung verrechnet werden.

    Finanzverwaltung und Teile des Schrifttums vertraten bisher die Ansicht, dass die Zusammenfassung mehrerer BgA mehrstufig oder kettenförmig erfolgen könne (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. November 2009, BStBl. I 2009, 1303). Dabei werden auf einer ersten Stufe zunächst zwei BgA zu einem Gesamt-BgA zusammengefasst und auf einer weiteren Stufe ein weiterer BgA mit diesem Gesamt-BgA zusammengefasst. Dem ist der BFH nun mit Urteil vom 29. August 2024, V R 43/21, entgegengetreten. Auch bei einer Zusammenfassung von mehr als zwei BgA müssen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG jeweils zwischen allen BgA, die zusammengefasst werden sollen, vorliegen.

    Sachverhalt

    Im Urteilsfall betrieb eine Körperschaft öffentlichen Rechts diverse BgA. Unter einem BgA Versorgung fasste die Steuerpflichtige den verlustträchtigen Betrieb eines Freibads mit den gewinnträchtigen Betrieben der Wasserversorgung und zweier Blockheizkraftwerke (BHKW) zusammen. Dabei wurde die Wärme der BHKW teilweise zum Beheizen des Freibads und zum anderen Teil für die Versorgung eines Wohngebiets genutzt. Der mit den BHKW erzeugte Strom wurde an einen Versorger verkauft. Das Finanzamt trat der Zusammenfassung entgegen und ordnete den Freibadbetrieb mangels enger wechselseitiger technisch-wirtschaftlicher Verflechtung von einigem Gewicht als eigenständigen BgA ein, denn das BHKW liefere lediglich Wärme an das Freibad wie an fremde Dritte.

    Kernaussagen des Urteils

    Der BFH stellte klar, dass eine Zusammenfassung von BgA gemäß
    § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG nur dann zulässig ist, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zusammenfassung zwischen allen BgA, die zusammengefasst werden sollen, vorliegen. Die in dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. November 2009 niedergelegte Auffassung zur Kettenzusammenfassung stehe nicht mit dem geltenden Recht in Einklang. Begründet hat der V. Senat seine Auffassung mit den klassischen Argumenten: Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Gesetzgebungsgeschichte der Vorschrift.

    • Der Wortlaut der Vorschrift nehme jeden einzelnen BgA im Sinne des
      § 4 Abs. 1 KStG und nicht einen bereits zusammengefassten BgA im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG in Bezug.
    • 4 Abs. 6 Satz 1 KStG ist eine Ausnahmevorschrift. Dem Grundsatz zufolge ist jeder BgA für sich zu betrachten, das Einkommen eines jeden BgA gesondert zu ermitteln und die Körperschaftsteuer gesondert festzusetzen. Hierdurch sollen Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden, die auftreten könnten, wenn der Gewinn aus einer wettbewerbsrelevanten Tätigkeit durch Verluste aus einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeglichen würde. Die Zusammenfassung von BgA als Ausnahme dieses Grundsatzes der Einzelbetrachtung ist daher eng in dem Sinne zu verstehen, dass die Voraussetzungen der Zusammenfassung zwischen allen BgA, nicht nur einzelnen vorliegen müssen.
    • Schließlich ist der BFH nicht der Ansicht, dass der Gesetzgeber in
      § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine Kettenzusammenfassung regeln wollte.

    Fazit und Folgen für die Praxis

    Das Urteil des BFH ist nur eines aus einer Reihe von Urteilen zur Zusammenfassung von BgA. Für die Praxis bedeutet dieses Urteil eine strengere Handhabung bei der steuerlichen Bewertung der Zusammenfassung mehrerer BgA. Es ist dringend zu empfehlen, Zusammenfassungen mehrerer BgA daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Zusammenfassung zwischen allen BgA vorliegen. Das Urteil gilt nicht nur für die dort in Streit stehende Zusammenfassung aufgrund enger wechselseitiger technisch-wirtschaftlicher Verflechtung nach § 4 Abs. 6 Nr. 2 KStG, sondern auch für die Zusammenfassung wegen Gleichartigkeit nach § 4 Abs. 6 Nr. 1 KStG.

    Teresa Werner

    Steuer- und erbrechtliche Stolpersteine der Unternehmensnachfolge
    Eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge erfordert eine frühzeitige und voraussch…
    Weiterlesen
    Rote Karte aus Karlsruhe: DFL muss Polizeikosten für Hochrisikospiele zahlen
    Hintergrund Im Profifußball besteht bei einigen Spielen aufgrund der großen Anz…
    Weiterlesen
    Tübinger Verpackungssteuer verfassungskonform
    Hintergrund Die Stadt Tübingen hat eine ökologische Vorreiterrolle eingenommen …
    Weiterlesen
    „Zuschuss frei!“ – Entlastung für Gemeinden
    Die umsatzsteuerliche Behandlung von Zuschüssen ist für den Rechtsanwender ohne …
    Weiterlesen
    Endlich: Wertpapiergebundene Direktzusagen ohne Mindestleistung sind passivierungsfähig!
    BFH stoppt jahrzehntelange Bilanzierungspraxis der Finanzverwaltung! Der XI. Se…
    Weiterlesen
    Von der zivilen zur wehrtechnischen Innovation: Fördermöglichkeiten für Neueinsteiger
    Die neue Realität – Verteidigungstechnologie als Wachstumsmarkt Die weltpolitis…
    Weiterlesen
    Erweiterte steuerliche Berichtigungspflicht (§ 153 Abs. 4 AO)
    Der Gesetzgeber hat die Berichtigungspflicht nach § 153 AO erweitert. Steuerpfli…
    Weiterlesen
    Unnötige Komplexität bei Bilanzierungskonkurrenzen im Sonderbetriebsvermögen und Betriebsaufspaltung
    Mit Urteil vom 19. September 2024 (Az.: IV R 5/20) stellt der BFH klar, dass Bil…
    Weiterlesen
    Strafbarkeitsrisiko: Subventionsbetrug bei Corona-Hilfen
    Hintergrund Die Corona-Pandemie stellte viele Unternehmen und Selbstständige vo…
    Weiterlesen