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    22.05.2019

    Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung durch den Aufsichtsrat und Reduzierung etwaiger Haftungsrisiken


    Mit der Berichterstattung über das zurückliegende Geschäftsjahr 2018 erscheint derzeit auch die "zweite Generation" der nichtfinanziellen Berichterstattung.

     

    Zur Erinnerung: Erstmals für das Geschäftsjahr 2017 mussten bestimmte große Unternehmen ihren Lagebericht um eine sog. nichtfinanzielle Erklärung erweitern. Dies ergibt sich aus der CSR-Richtlinie und dem deutschen Umsetzungsgesetz (CSR-RUG). In der nichtfinanziellen Erklärung müssen die berichtspflichtigen Unternehmen Angaben (mindestens) zu Arbeitnehmer-, Sozial- und Umweltbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung machen. Zu beschreiben sind insbesondere die zu diesen Aspekten verfolgten Konzepte, einschließlich der diesbezüglich angewandten Due Diligence-Prozesse, §§ 289b, 289c HGB (vgl. "Tue Gutes und berichte darüber", Dr. André Depping und Dr. Daniel Walden, Deutscher AnwaltSpiegel 10/2017, S. 3 ff.).

     

    Die Aufmerksamkeit für nichtfinanzielle Aspekte ist infolge der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung sowohl bei Vorstand und Aufsichtsrat als auch bei den Investoren deutlich gestiegen. Hierzu haben freilich auch die weiteren, rasanten Entwicklungen im Bereich Corporate Social Responsibility in den letzten Jahren beigetragen (vgl. "Rasante Entwicklungen im Bereich der Corporate Social Responsibility", Dr. André Depping und Dr. Daniel Walden, BB-Blog vom 16.07.2018). In der juristischen Fachliteratur wird aus der neuen nichtfinanziellen Berichtspflicht teilweise sogar eine vorgelagerte Pflicht des Vorstands zu einer aktiven Befassung mit nichtfinanziellen Aspekten abgeleitet. Eine gerichtliche Klärung hierzu steht aus.

     

    Dies gilt auch für die Frage, welche konkreten Pflichten dem Aufsichtsrat im Hinblick auf die nichtfinanzielle Erklärung obliegen. Der Wortlaut des § 171 Abs. 1 AktG legt nahe, dass der Aufsichtsrat die nichtfinanzielle Erklärung mit gleicher Intensität prüfen muss wie den Jahresabschluss und den "traditionellen" Teil des Lageberichts. In der juristischen Fachliteratur werden verschiedene Argumente dafür vorgebracht, dass der Wortlaut des § 171 Abs. 1 AktG insoweit einschränkend auszulegen ist. Die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats im Hinblick auf die nichtfinanzielle Erklärung sei lediglich eine Ausprägung der allgemeinen Überwachungspflicht des Aufsichtsrats und bliebe damit hinter der Intensität der Pflicht zur Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht zurück. Ob diese Argumentation vor Gericht halten würde, etwa wenn ein Unternehmen wegen eines Korruptionsskandals einen Schaden erleidet und daraufhin Haftungsansprüche gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder erhebt, bleibt abzuwarten.

     

    Neben die Prüfungspflichten des Aufsichtsrats gemäß § 171 AktG tritt bei größeren Gesellschaften die Pflicht, die Ordnungsmäßigkeit von Jahresabschluss und Lagebericht durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen, §§ 316 ff. HGB. Bei der nichtfinanziellen Erklärung ist das anders. Hier hat der Abschlussprüfer kraft Gesetzes lediglich zu prüfen, ob eine ggf. erforderliche nichtfinanzielle Erklärung auch tatsächlich vorliegt, § 317 Abs. 2 HGB. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der nichtfinanziellen Erklärung durch den Abschlussprüfer ist gesetzlich hingegen nicht zwingend vorgeschrieben.

     

    In der Praxis werden die Abschlussprüfer daher zunehmend mit einer freiwilligen inhaltlichen Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung beauftragt. Das ist gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG zulässig. Unter dem Gesichtspunkt der Reduzierung persönlicher Haftungsrisiken des Aufsichtsrats ist solcher ergänzender Prüfungsauftrag an den Abschlussprüfer aber auch sinnvoll. Denn nach dem allgemeinen Gedanken der Aufgabendelegation reduzieren sich die eigenen Prüfungspflichten des Aufsichtsrats, wenn er einen sachverständigen Dritten mit der Prüfung betraut. Relevant ist in diesem Zusammenhang insbesondere, ob der Aufsichtsrat beim Abschlussprüfer eine Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung lediglich mit begrenzter Sicherheit (limited assurance) oder aber mit hinreichender Sicherheit (reasonable assurance) beauftragt. Der unterschiedliche Umfang der Beauftragung schlägt sich nicht nur im unterschiedlichen Prüfungsvermerk nieder. Auch Inhalt und Umfang der Prüfung durch den Abschlussprüfer sind unterschiedlich. Das wiederum wirkt sich auf den konkreten Umfang der Prüfungspflichten des Aufsichtsrats aus. Wie bei kommunizierenden Röhren reduzieren sich die Prüfungspflichten des Aufsichtsrats in dem Maße, in dem die Prüfungsintensität des Abschlussprüfers zunimmt. Eine Prüfung mit reasonable assurance erscheint daher nicht zuletzt vor dem Gesichtspunkt der Reduzierung persönlicher Haftungsrisiken vorzugswürdig. In der Praxis haben die externen Prüfungen mit reasonable assurance für das Berichtsjahr 2019 leicht zugenommen. Überwiegend entscheiden sich die Aufsichtsräte jedoch weiterhin lediglich für eine Prüfung mit limited assurance – soweit sie sich überhaupt für eine externe Prüfung entscheiden.

     

    Eine Neuerung hält das CSR-RUG übrigens noch für die kommende "dritte Generation" der nichtfinanziellen Berichterstattung bereit: Berichtspflichtige Unternehmen, die eine (freiwillige) externe Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung in Auftrag geben, werden bei der Berichterstattung über Geschäftsjahr 2019 erstmals gesetzlich zwingend verpflichtet sein, das Prüfungsurteil zusammen mit der nichtfinanziellen Erklärung veröffentlichen, § 289b Abs. 4 HGB. Bislang bestand insoweit Entscheidungsfreiheit.

     

    Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben, wenden Sie sich gerne an Dr. Daniel Walden und Dr. André Depping.

     

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