Das OLG Düsseldorf hat sich in einer aktuellen Entscheidung vom 15. Mai 2019 (Verg 61/18) mit der Zulässigkeit von Wahlpositionen vor dem Hintergrund der vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz des Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 GWB, § 2 Abs. 1 S. 1 VOB/A-EU 2019) und der Bestimmtheit und Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung (§ 121 GWB, § 31 VgV, § 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EU 2019) befasst.
Wahlpositionen sind Leistungspositionen, die vom Auftraggeber alternativ ausgeschrieben werden, weil dieser sich noch nicht auf eine Position festgelegt hat und erst nach Kenntnisnahme der Angebotsinhalte vor Erteilung des Zuschlags eine Entscheidung durch den Auftraggeber erfolgt, welche Variante beauftragt wird. Von Wahlpositionen zu unterscheiden sind Bedarfs- oder Eventualpositionen, bei denen noch nicht feststeht, ob und ggf. in welchem Umfang diese tatsächlich während der Vertragslaufzeit beauftragt werden. Sowohl Wahl- als auch Bedarfspositionen stehen im Spannungsverhältnis zum Grundsatz der eindeutigen und bestimmten Beschreibung der ausgeschriebenen Leistung, weshalb die Rechtsprechung sie kritisch sieht. Das OLG Düsseldorf schärft die Zulässigkeitsvoraussetzungen und die Anforderungen an den öffentlichen Auftraggeber zur Festlegung von Wahlpositionen.
Die Auftraggeberin schrieb europaweit in einem offenen Verfahren die Vergabe von Abbrucharbeiten aus. Alleiniges Auswahlkriterium für das wirtschaftlichste Angebot sollte der Preis sein.
In der Angebotsauswertung legte die Auftraggeberin mehrere Positionen als „Wahlpositionen“ fest. Die Auftraggeberin führte dazu aus, dass eine Festlegung auf eine Position zum Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung voraussichtlich noch nicht getroffen werden könne, sondern erst im Zuge der weiteren architektonischen Planung nach der Auftragsvergabe erfolgen sollte. Erst dann könne festgelegt werden, welche Position benötigt werden würde. Aus diesem Grunde sollten sämtliche Wahlpositionen in der Preiswertung berücksichtigt werden. Dass eine der Wahlpositionen ausgewählt und ausgeführt werden sollte, stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest. Als Wertungspreis sollte der Gesamtpreis des Angebots inklusive Grundpositionen, allen Eventualpositionen und allen Wahlpositionen mit den jeweiligen Vordersätzen herangezogen werden.
Die Antragstellerin, deren Angebot an zweiter Stelle lag, stellte nach erfolgter Rüge und Rügezurückweisung einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer und beanstandete die Ausschreibung der Wahlpositionen. Dabei trug die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass die Ausschreibung von Wahlpositionen rechtswidrig sei, weil die Variantenentscheidung erst nach der Zuschlagserteilung erfolgen solle. Es bestehe außerdem kein berechtigtes Interesse, die Entscheidung offen zu halten, da der Auftraggeberin die entsprechende Planungslücke seit langem bekannt gewesen sei. Die Auftraggeberin war insbesondere der Auffassung, dass die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen präkludiert sei, da sie trotz der ausgeschriebenen Wahlpositionen ein Angebot abgegeben habe. Überdies sei die Ausschreibung der Wahlpositionen zulässig gewesen, weil die Entscheidung vor Zuschlagserteilung aus von der Auftraggeberin nicht zu vertretenden Gründen, insbesondere befürchteten langwierigen Abstimmungen mit anderen Akteuren, nicht möglich gewesen sei.
Die Vergabekammer untersagte der Auftraggeberin schließlich, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde der Beigeladenen, mit der sich das OLG Düsseldorf zu befassen hatte.
Das OLG Düsseldorf wies die sofortige Beschwerde der Beigeladenen zurück.
Nach Ansicht des Senats greifen Wahlpositionen in die Bestimmtheit und Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung, sowie in die Transparenz des Vergabeverfahrens ein, da sie dem Auftraggeber ermöglichen, durch seine Entscheidung für oder gegen eine Wahlposition das Wertungsergebnis aus vergaberechtsfremden Erwägungen zu beeinflussen. Dennoch seien sie nicht per se als vergaberechtlich unzulässig anzusehen (so bereits Beschlüsse vom 14.09.2016 – VII Verg 7/16 und 13.04.2011 – VII Verg 58/10).
Kernvoraussetzung der vergaberechtlichen Zulässigkeit von Wahlpositionen sei das berechtigte Interesse des öffentlichen Auftraggebers, die zu beauftragende Leistung in den betreffenden Punkten zunächst offen zu halten. Ein solches Interesse könne sich zum einen aus dem Gebot der effizienten und sparsamen Haushaltsführung ergeben, ebenso, falls sich dadurch die Möglichkeit der Erhaltung eines technisch höherwertigen Geräts ergebe oder wenn der Auftraggeber dadurch bei unsicherer Finanzierung auf eine kostengünstigere Alternative zurückgreifen könne.
Die Festlegung auf eine der im Vorfeld ermittelten Ausführungsvarianten müsse dem Auftraggeber unmöglich oder unzumutbar sein, andernfalls scheide ein berechtigtes Interesse aus. Hierfür sei es Aufgabe des Auftraggebers, alle zumutbaren Erkenntnisquellen auszuschöpfen, um die Frage zu klären, welche Position beauftragt werden soll. Es könne für ein berechtigtes Interesse nicht für sich genommen ausreichen, dass der Auftraggeber bei der Ausschreibung noch nicht wisse, welche Leistung ausgeführt werden soll. Eine unzureichende Planung des Auftraggebers darf somit nicht durch die Festlegung von Wahlpositionen ausgeglichen werden.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs habe nach Auffassung des Senats letztlich kein berechtigtes Interesse der Auftraggeberin vorgelegen. Die Frage, ob auch der Vorbehalt der Auftraggeberin, die Wahlpositionen erst nach der Zuschlagserteilung zu beauftragen, vergaberechtswidrig ist, konnte der Senat offen lassen. Eine Rügepräklusion der Antragstellerin lehnte der Senat ab – bei der vergaberechtlichen Zulässigkeit von Wahlpositionen handele es sich um juristisches Spezialwissen, das von einem durchschnittlich fachkundigen Unternehmer nicht erwartet werden könne.
Die Entscheidung setzt an dem für viele öffentliche Auftraggeber relevanten Interesse an, die Leistung in bestimmten Punkten offen zu lassen, um erst auf der Grundlage der Angebote die Entscheidung über die endgültige Leistungsausführung zu treffen. Dieses Interesse des Auftraggebers schließt die Entscheidung des OLG Düsseldorf nicht aus, legt ihm jedoch enge Grenzen auf.
Besonders herauszustellen ist dabei die Genauigkeit, mit der der Senat die von der Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren dargelegten Gründe für ein berechtigtes Interesse prüfte. Der Senat stellte die Argumente der Auftraggeberin den tatsächlich eingetretenen Entwicklungen gegenüber und ließ insbesondere nicht ausreichen, dass die Auftraggeberin bei der Ausschreibung mit einem langwierigen Abstimmungsprozess mit anderen Akteuren rechnete, da dieser letztlich deutlich zügiger erfolgte. Nach Ansicht des Senats hätte die Auftraggeberin also darlegen müssen, wieso diese Abstimmung nicht zu einem früheren Zeitpunkt hätte herbeigeführt werden können.
Die Entscheidung verdeutlicht die Sorgfalt, mit der öffentliche Auftraggeber bei der Begründung ihrer Entscheidung für Wahlpositionen vorgehen müssen. Zunächst müssen die verfügbaren Ausführungsvarianten im Wege einer sorgfältigen Markterkundung ermittelt werden. Wahlpositionen sind dabei keine Alternative zur eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung! Sodann müssen sachliche Gründe bestehen, welche die Vorgabe von Wahlpositionen zwingend erfordern. Diese sachlichen Gründe müssen sorgfältig dokumentiert werden, damit die Entscheidung über die Festlegung von Wahlpositionen im Überprüfungsfall vor den Nachprüfungsinstanzen standhält.
Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben, wenden Sie sich gerne an Sascha Opheys.