Beschluss des KG Berlin vom 16. März 2023, Az. 8 U 178/22
Die Vermieterin von Gewerberäumen hatte ihrer Mieterin mehrfach gekündigt. Zunächst ordentlich wegen Nichteinhaltung der für längerfristige Mietverträge vorgesehenen Schriftform. Gestützt darauf, dass mietvertraglich vereinbarte Mieterumbaumaßnahmen zwar mit Zustimmung ihres Rechtsvorgängers, aber ohne schriftformgerechten Nachtrag zum Mietvertrag abweichend vom Mietvertrag ausgeführt wurden, so dass sich eine erheblich geänderte Raumaufteilung ergab. Dann später, als bereits eine Klage auf künftige Räumung wegen der ersten Kündigung anhängig war, kündigte die Vermieterin noch außerordentlich wegen Ausbleiben der Mietzahlungen für zwei Monate. Diese rückständigen Mieten wurden (offenbar kurz) nach Zugang der Kündigung nachgezahlt. Die beklagte Mieterin stellte den Schriftformmangel in Abrede und machte auch geltend, dass die darauf gestützte Kündigung gegen Treu und Glauben verstieß. Gegenüber der Kündigung wegen Zahlungsverzuges verwies sie auf ihre langjährige einwandfreie Zahlungshistorie im Mietverhältnis und machte geltend, dass die Kündigung insbesondere vor diesem Hintergrund ohne vorherige Abmahnung unzulässig gewesen sei.
Die Mieterin muss räumen. Nach Auffassung des Kammergerichts griffen beide Vermieterkündigungen durch: Das Kammergericht stellte fest, dass die Kündigung wegen Zahlungsverzugs entsprechend der grundsätzlichen gesetzlichen Regelung (§ 543 Abs. 3 Nr. 3 BGB) ohne vorherige Abmahnung zulässig war. Es erkannte zwar an, dass dies im Einzelfall einmal anders sein kann, wenn sich einem Vermieter ein Versehen seines Mieters aufdrängen muss. Letzteres verneinte das Kammergericht aber im konkreten Fall schon im Hinblick auf die bereits anhängige Räumungsklage wegen der vorherigen ordentlichen Kündigung. Da die Nichtzahlung zumindest auch als Reaktion auf diese Klage verstanden werden konnte, musste sich der Vermieterin ein Versehen keinesfalls aufdrängen. Zudem stellte das Kammergericht klar, dass allein eine langjährig einwandfreie Zahlungsmoral auch nicht immer ein Versehen bei ausbleibenden Mietzahlungen indiziert. Die Kündigung wegen Schriftformmangels hielt das Kammergericht ebenfalls für begründet. Die ausdrücklich im Vertrag geregelte Umbaumaßnahme der Mieterin stellte nach seiner Auffassung eine dem Schriftformerfordernis unterliegende wesentliche Vertragsregelung dar und konnte daher nur durch einen formgerechten Nachtrag zum Mietvertrag geändert werden. Dass der Rechtsvorgänger der aktuellen Vermieterin der geänderten Baumaßnahme zugestimmt (womit genau genommen überhaupt erst die nicht formgerechte Einigung über die Vertragsänderung herbeigeführt worden sein dürfte) und auch die aktuelle Vermieterin über geraume Zeit keine Einwendungen gegen die geänderte Ausführung erhoben hatte, reichte nicht zur Wahrung des Schriftformerfordernisses aus und führte auch nicht zur Treuwidrigkeit der Kündigung.
Um einen Mietvertrag nicht aufs Spiel zu setzen, sollten mieterseitig auch mögliche Versehen bei der Mietzahlung möglichst ausgeschlossen werden. Bei Vertragsabschluss können Mieter zudem im Eigeninteresse versuchen, ein Abmahnerfordernis vor Kündigungen wegen Zahlungsverzuges im Vertrag zu verankern, um das fehlende gesetzliche Erfordernis zu kompensieren. Ob Vermieter sich darauf einlassen, bleibt jedoch abzuwarten und hängt auch von der konkreten Klausel ab. Die Entscheidung des Kammergerichts verdeutlicht zudem noch einmal, dass bei jeder Abänderung von in einem längerfristigen Mietvertrag vorgesehenen Regelungen und Modalitäten große Vorsicht in formaler Hinsicht geboten ist. Im Zweifel sollten diese Abweichungen immer nur in einem schriftformgerechten Nachtrag zum Mietvertrag vereinbart und festgehalten werden.