Heute hat die Bundesregierung ihr nationales Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft mit dem Titel „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ veröffentlicht. Erwartungsgemäß geht es in dem Programm maßgeblich um die richtigen Antworten auf die Corona-Pandemie. Zusammen könne man „die Weichen dafür stellen, dass Europa – unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips – stärker, gerechter und nachhaltiger wird“. Auch das bereits Mitte Juni beschlossene gemeinsame Trio-Ratspräsidentschaftsprogramm von Deutschland, Portugal und Slowenien enthielt ein Commitment zu mehr Nachhaltigkeit (vgl. dazu unseren Blog-Beitrag „Commitment der Trio-Ratspräsidentschaft zu mehr Nachhaltigkeit“.
Auch im nationalen Programm stellt die Bundesregierung die Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19-Pandemie in das Zentrum ihrer Anstrengungen. Sie kündigt hierzu eine „nachhaltige und inklusive Wachstumsstrategie“ an. Die Bundesregierung möchte sich dafür einsetzen, dass der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft auf Basis des Europäischen Grünen Deals (European Green Deal) erfolgt und die digitale Transformation dabei eine zentrale Rolle spielt.
Die Pandemie habe die Verletzlichkeiten globaler Lieferketten und der Menschen, die darin arbeiten, offenbart. Ein umfassendes Risikomanagement von Unternehmen, das im Einklang mit der globalen Agenda für Nachhaltigkeit steht, könne dazu beitragen, die Resilienz der Lieferketten zu erhöhen. Die Bundesregierung will sich daher für einen EU-Aktionsplan zur Stärkung der Unternehmensverantwortung in globalen Lieferketten einsetzen, der menschenrechtliche, soziale sowie ökologische Standards und Transparenz fördert und den Erfahrungen und Lehren der COVID-19-Pandemie Rechnung trägt. Dies diene der kohärenten Umsetzung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrecht sowie der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen.
Ein EU-Lieferkettengesetz mit verbindlichen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette, wie es EU-Justizkommissar Didier Reynders vor einigen Wochen angekündigt hatte (vgl. dazu unseren Blog-Beitrag „Sektorübergreifende Sorgfaltspflichten in der Lieferkette im Anmarsch“), wird in dem Programm jedenfalls nicht ausdrücklich erwähnt. Es bleibt daher abzuwarten, welche Inhalte der angekündigte EU-Aktionsplan zur Stärkung der Unternehmensverantwortung im Einzelnen haben wird, und ob er auch das Thema Sustainable Corporate Governance aufgreift. Möglicherweise will die Bundesregierung hier auch die Ergebnisse der zweiten Runde des NAP-Monitorings abwarten, die Ende des Sommers zu erwarten sind.
Den weiteren Nachhaltigkeitsaspekten widmet die Bundesregierung in ihrem nationalen Programm für die EU-Ratspräsidentschaft ein eigenes Kapitel „IV. Ein nachhaltiges Europa“. Wörtlich heißt es dort einleitend:
„Unser Ziel ist es, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie nachhaltig und inklusiv zu bewältigen und dabei den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft mit zu gestalten. Die Schwerpunkte hierfür sind eine ambitionierte Klima-, Umwelt- und Biodiversitätsschutzpolitik, die Ausrichtung an der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und eine nachhaltige Landwirtschaft. Die deutsche Ratspräsidentschaft wird sich zudem dafür einsetzen, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten weiterhin international als ehrgeizige und aktive Akteure für Klimadiplomatie, Nachhaltigkeit und europäische Werte auftreten.“
Im Einzelnen heißt das:
Unterstützung des Grünen Deals der EU-Kommission als „umfassende und ambitionierte Strategie“
Annahme von Ratsschlussfolgerungen zum neuen Kreislaufwirtschaftsaktionsplan der EU-Kommission im Europäischen Rat
Annahme von Ratsschlussfolgerungen zur neuen EU-Biodiversitätsstrategie (unter Verweis auf den Zusammenhang zwischen biologischer Vielfalt und menschlicher Gesundheit)
Abschluss der Beratung des Entwurfs eines europäischen Klimagesetzes im Europäischen Rat mit rechtlich verbindlicher Festschreibung der Klimaneutralität der EU bis 2050 und Beschluss über eine Erhöhung des nationalen Klimabeitrags für das Jahr 2030; die Bundesregierung begrüßt insoweit das Ziel der EU-Kommission, das EU-Ziel für 2030 auf 50-55% im Vergleich zu 1990 anzuheben.
Im Verkehrsbereich soll weiter auf eine klimafreundliche, nachhaltige und bezahlbare Mobilität hingearbeitet werden
Im Energiebereich werden Ratsschlussfolgerungen zu den europäischen Rahmenbedingungen für gemeinsame Erneuerbare-Energien-Projekte der Mitgliedstaaten, insbesondere im Bereich Offshore-Windenergie, angestrebt; zudem hat die Bundesregierung sich das Ziel gesetzt, zur Entwicklung der Märkte und Infrastrukturen für sicheren und zukunftsfähigen Versorgung mit CO2-neutralen und vorzugsweise CO2-freien Gasen – wie insbesondere Wasserstoff aus erneuerbaren Energien – beizutragen. International möchte sich die Bundesregierung außerdem unter Beachtung des Prinzips der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung für fairen Wettbewerb („Level Playing Field“) bei der Vermeidung von CO2-Emissionen wie auch dafür einsetzen, dass Verlagerungsanreize für CO2 in Drittstaaten („Carbon Leakage“) verhindert werden.
Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und die nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals – SDG) sind Leitbild der deutschen Ratspräsidentschaft. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass das angekündigte Konzept der Kommission für die umfassende Umsetzung der Agenda 2030 vorgelegt wird, so dass die Beratungen dazu im Rat im zweiten Halbjahr beginnen können.
Insbesondere möchte die Bundesregierungen einen Beitrag zur Umsetzung der SDG durch eine moderne und nachhaltige Land- und Fischereiwirtschaft leisten. In den Verhandlungen über die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) nach 2020 werde eine Allgemeine Ausrichtung des Rates angestrebt. Im Sinne nachhaltiger Entwicklung sollten die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik und weitere Politikbereiche noch stärker dazu beitragen, die Zukunft ländlicher Räume zu sichern, Entwicklungspotenziale ländlicher Regionen zu nutzen und sie als attraktive Lebens- und Wirtschaftsräume zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Schließlich möchte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass der Europäische Rat frühzeitig in die Erarbeitung der neuen Verbraucheragenda einbezogen wird, die die EU-Kommission im zweiten Halbjahr 2020 vorlegen will. Die Agenda müsse dazu beitragen, den Verbraucherschutz in der EU an die aktuellen digitalen und ökologischen Herausforderungen anzupassen.