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    16.11.2023

    Regulierung von E-Scootern im öffentlichen Raum – Welche Anforderungen gelten an die Auswahl der Anbieter?


    VG Bremen, Beschl. v. 24.5.2023 – 5 V 829/23

    OVG Bremen, Beschl. v. 27.10.2023 – 1 B 146/23

     

    Einführung

     

    "Paris verbannt E-Scooter aus der Innenstadt" war eine Nachricht, die man Ende August 2023 in vielen Zeitungen lesen konnte. Hintergrund ist die steigende Anzahl an E-Scootern in europäischen Großstädten, welche das Fortbewegungsangebot ergänzen und zugleich ein Co2-freies Verkehrsmittel darstellen sollen. Zum Konzept der E-Scooter gehört es, dass die Nutzer diese im öffentlichen Straßenraum mittels App anmieten und grundsätzlich überall am Ende der Nutzung abstellen können, ohne einen festen Rückgabeort nutzen zu müssen. Kehrseite der Medaille sind Unfälle mit E-Scootern, zusätzlich verstopfte Straßen und achtlos weg- und umgeworfene Roller.

     

    Vor diesem Hintergrund haben auch deutsche (Groß-)Städte das Bedürfnis erkannt, die Zulassung von E-Scooter-Anbietern sowie die Höchstzahl an Roller zu reglementieren. In diesem Kontext stellen sich viele rechtliche Fragen, angefangen bei der Frage, ob eine Regulierung überhaupt zulässig ist, welches Regelungsregime gilt, und wie, sollte man zu einer zulässigen Möglichkeit der Regulierung kommen, ein Auswahlverfahren bei mehreren möglichen Anbietern aussehen müsste. In zwei aktuellen Entscheidungen haben sich das VG Bremen und nachfolgend das OVG Bremen hierzu vertiefte Gedanken gemacht.

     

    Einstufung gewerblicher E-Scooter als straßenrechtliche Sondernutzung

     

    Ob eine Regulierung von E-Scootern im deutschen Straßenraum überhaupt möglich ist, entscheidet sich danach, ob das E-Scooter-Angebot straßenrechtlich noch dem Gemeingebrauch zuzuordnen ist, oder eine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstellt. Verkürzt gesagt fängt eine Sondernutzung – welche jeweils landesrechtlich geregelt ist – dann an, wenn die öffentlichen Straßen nicht (nur) für ihren eigentlichen Zweck der Fortbewegung genutzt werden, sondern verkehrsfremde Tätigkeiten hinzukommen. Vor diesem Hintergrund und unter Bezug der überkommenen Rechtsprechung des Bundeverwaltungsgerichts zum Parken von Mietwagen wird das "Sharing" häufig dem Gemeingebrauch zugeordnet. Eine Regulierung durch die Städte wäre damit bereits im Ansatz nicht möglich.

     

    Demgegenüber haben das VG und das OVG Bremen das Anbieten gewerblicher E-Scooter als straßenrechtliche Sondernutzung eingestuft. Kernargumente des VG Bremen (die Einstufung als Sondernutzung wurde nicht vor dem OVG Bremen angegriffen) waren:

     

    • Bei objektiver Sicht überwiege der gewerbliche Zweck der Tätigkeit, so werden abgestellte Fahrzeuge zu attraktiven Standorten gebracht, um diese für die künftige Anmietung umzuverteilen.
    • Im öffentlichen Straußenraum führe der E-Scooter-Anbieter verkehrsfremde Tätigkeiten durch, so die Wartung, den Batteriewechsel und die Umverteilung der E-Scooter.

     

    Das Argument einer gewerblichen Tätigkeit wird allerdings häufig dahingehend kritisiert, dass es straßenverkehrsrechtlich unerheblich sei, aus welchen Gründen und durch wen die Fahrzeuge gefahren werden. Hinsichtlich des zweiten Arguments wird teilweise hervorgehoben, dass dies im wertenden Vergleich nur untergeordnete Tätigkeiten seien, die nicht zu einer Sondernutzung führten.

     

    Im Ergebnis ist die Diskussion zur Einordnung weiterhin in vollem Gange, wie auch eine aktuelle Entscheidung des OVG Münster in einem Anfechtungsverfahren gegen einen Gebührenbescheid über Sondernutzungsgebühren bei E-Scootern zeigt, wo das OVG Münster ebenfalls von einer Sondernutzung ausgeht (Urt. v. 26.10.2023 – 11 A 339/23). Demgegenüber hat das OVG Berlin-Brandenburg das Carsharing als noch vom Gemeingebrauch umfasst eingestuft (Beschl. v. 26.10.2022 – OVG 1 S 56/22).

     

    (Auch) Vergaberecht anwendbar?

     

    In der nationalen Rechtsprechung wird die Frage der Regulierung von E-Scootern und vergleichbaren Mobilitätsangeboten bislang ausschließlich straßenrechtlich vor den Verwaltungsgerichten diskutiert. In der Literatur wird jedoch auch thematisiert, ob ein Auswahlverfahren zwischen mehreren E-Scooter-Anbietern als Dienstleistungskonzession iSd § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB einzuordnen sein könnte. Dies hätte bei einem Überschreiten des Schwellenwertes von derzeit EUR 5.382.000 netto insbesondere die Anwendung der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) zur Folge.

     

    Die Anwendung des Vergaberechts setzt jedoch eine Beschaffungsabsicht der Kommune voraus. Eine solche liegt nicht vor, wenn lediglich staatliche Ressourcen oder öffentliche Bereiche verteilt werden. In der Regel dürfte daher keine Dienstleistungskonzession vorliegen, wenn die Sondernutzungserlaubnis nur mittels Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt konkretisiert wird. Anders dürfte es sein, wenn neben die straßenrechtliche Sondernutzung ein privat- oder öffentlich-rechtlicher Vertrag treten würde, in dem wechselseitige Pflichten vorgesehen sind. Eine Einordnung als Dienstleistungskonzession wäre dann im Einzelfall denkbar (vgl. EuGH, Urt. v. 10.11.2022 – C-486/21 zu einer Dienstleistungskonzession beim Car-Sharing).

     

    Weder das VG Bremen noch das OVG Bremen haben sich trotz weitreichender – teilweise sogar vertragsähnlicher – Nebenbestimmungen (u. a. auch zur Haftung) mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Dienstleistungskonzession vorliegen könnte, die bei Überschreiten des Schwellenwerts ggf. unter die Entscheidungsgewalt der Vergabenachprüfungsinstanzen fallen würde.

     

    Konkrete Anforderungen an das Auswahlverfahren

     

    Nachdem das VG Bremen eine Sondernutzung bejaht hat, hat es sich mit den konkreten Anforderungen an das Auswahlverfahren auseinandergesetzt. Streitig war insbesondere, welche Rolle eine von der Stadt aufgestellte und intern angewandte Wertungsmatrix hatte und ob die Stadt an das Ergebnis dieser Wertungsmatrix gebunden war. Dies wäre nämlich bei (entsprechender) Heranziehung der (GWB-)vergaberechtlichen Vorgaben der Fall.

     

    Das VG Bremen nimmt demgegenüber allerdings an, dass die vergaberechtlichen Vorgaben an die Transparenz des Auswahlverfahrens auf die Auswahlentscheidung im Rahmen einer straßenrechtlichen Sondernutzung nicht übertragbar sind. Insbesondere muss die Stadt die Auswahlkriterien und deren Gewichtung nicht vollständig vorab bekannt geben. Es reicht insofern aus, dass die Unternehmen wussten, dass dem Auswahlverfahren eine Muster-Sondernutzungserlaubnis zugrunde gelegt war und sie ein Konzept einreichen sollten, in dem sie die Einhaltung der Nebenbestimmungen zu der Mustererlaubnis nachweisen und darlegen mussten. Im Ergebnis hatten weder das VG Bremen noch nachfolgend das OVG Bremen etwas daran auszusetzen, dass die Stadt zwei Bieter als nahezu gleichwertig einstufte (es bestand ein Unterschied von "nur" sechs Punkten nach der Wertungsmatrix), und sich dann nicht für den besser bepunkteten Bieter entschied, sondern einen Losentscheid zwischen diesen beiden Bietern durchführte (den dann der etwas schlechter bewertete Bieter gewann).

     

    Die Entscheidung muss nur im Ergebnis ermessensfehlerfrei erfolgt sein. Dabei darf die Ermessensentscheidung lediglich straßenrechtliche Belange berücksichtigen. Wenn sich eine Stadt für seine Ermessensentscheidung konkreter Auswahlkriterien bedient, müssen diese einen hinreichenden Straßenbezug aufweisen. Als sachgerechte Kriterien hat das VG Bremen u. a.

     

    • Anforderungen an den Zustand der Fahrzeuge,
    • die Wartung der Fahrzeuge,
    • das Aufstellen der Fahrzeuge,
    • Reaktionszeiten und Erreichbarkeit des Anbieters und
    • grundsätzlich auch das Festlegen bestimmter Parkzonen

     

    eingestuft. Keinen hinreichenden Straßenbezug wies hingegen ein Auswahlkriterium auf, welches die Einhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Vorgaben verlangte. Gleiches galt für eine Freistellungsregelung zugunsten der Stadt in Bezug auf Sach- und Personenschäden, die im Zusammenhang mit der Ausübung der Erlaubnis durch den Anbieter stehen.

     

    Auch keine Bedenken hatten das VG und OVG Bremen, die Anzahl der auszuwählenden Unternehmen generell auf zwei zu beschränken.

     

    Fazit

     

    Die aktuelle Entscheidungspraxis der Verwaltungsgerichte geht dahin, den Kommunen die Befugnis einzuräumen, sowohl die Anzahl der Anbieter von E-Scootern als auch die Anzahl der Roller in der Stadt mittels einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zu reglementieren. Abschließend ist dies aber noch nicht entschieden, wie auch konträre Entscheidungen zeigen.

     

    Auch bei der konkreten Ausgestaltung eines Auswahlverfahrens sind mangels gesetzlicher Regelungen viele Fragen offen, insbesondere sind vergaberechtliche Grundsätze nicht uneingeschränkt auf die staatliche Verteilungspraxis übertragbar. Spannend wird es dann insbesondere bei den Auswahlkriterien, welche einen hinreichenden straßenrechtlichen Bezug aufweisen müssen. Das VG Bremen gibt wertvolle Hinweise, welche Kriterien dort in Betracht kommen können.

     

    Sascha Opheys

     

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