Seit dem 18. Juni 2024 ist die "unzulässige Interessenwahrnehmung" durch Mandatsträger strafbar.
Der neu in das Strafgesetzbuch eingefügte § 108f StGB soll die Strafbarkeitslücke schließen, die sich insbesondere infolge der Maskendeal-Entscheidung des BGH1 gezeigt hat. Politiker des Bundestags und mehrerer Landtage nahmen Provisionen in Millionenhöhe ein, indem sie während der Coronakrise Unternehmen lukrative Maskendeals vermittelten. Eine Strafe blieb jedoch aus, da § 108e StGB nur Tätigkeiten in den Parlaments- und Fraktionsgremien, also Tätigkeiten im Rahmen der parlamentarischen Arbeit im Plenum, den Bundestagsausschüssen und den Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen der Fraktionen unter Strafe stellt.2
Ziel des neuen § 108f StGB ist die Einflussmöglichkeiten von Mandatsträgern, die sie gegen Bezahlung zugunsten Dritter ausnutzen, unter Strafe zu stellen. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu:3
„Mandatsträger verfügen aufgrund ihrer Stellung regelmäßig über besondere Verbindungen und einen privilegierten Zugang zu den ihrer parlamentarischen Kontrolle unterliegenden Ministerien, Behörden und sonstigen Stellen. Damit einher geht das Risiko einer Kommerzialisierung der entsprechenden Einflussmöglichkeiten durch deren entgeltlichen Einsatz zugunsten von Dritten und damit das Risiko einer Verquickung von monetären Interessen mit dem Mandat. Wenn Mandatsträger die ihnen im Interesse des Allgemeinwohls anvertraute Position durch Einflusshandel derart zum eigenen Vorteil ausnutzen, kann dies das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie und ihre Mandatsträger unterlaufen.“
Dieses Risiko soll durch § 108f StGB eingedämmt werden.
Nach § 108f Abs. 1 StGB ist nunmehr strafbar,
wer einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er während seines Mandates zur Wahrnehmung von Interessen des Vorteilsgebers oder eines Dritten eine Handlung vornehme oder unterlasse. Satz 1 gilt […] nur dann, wenn eine solche entgeltliche Interessenwahrnehmung die für die Rechtsstellung des Mandatsträgers maßgeblichen Vorschriften verletzen würde.
Zu den in § 108f Abs. 1 S. 2 StGB benannten "maßgeblichen Vorschriften" zählen beispielhaft für Bundestagsabgeordnete die §§ 44a ff. AbgG.
Spiegelbildlich wird nach § 108f Abs. 2 StGB der Geber des Vermögensvorteils bestraft.
Fortan ist also das Nehmen (§ 108f Abs. 1 StGB) und Geben (§ 108f Abs. 2 StGB) eines Vermögensvorteils "während des Mandats" erfasst, sodass für eine Strafbarkeit kein unmittelbarer Zusammenhang zur parlamentarischen Willensbildung, wie gemäß § 108e StGB, erforderlich ist.
2.1 § 108f als Korruptionsvorfeldbekämpfungsdelikt
Anders als die übrigen Strafvorschriften gegen Korruption (§§ 331 ff., 299 ff. und 108e StGB) handelt es sich bei § 108f StGB um ein Korruptionsvorfeldbekämpfungsdelikt.4 Strafbar ist damit beispielsweise bereits die Bestätigung eines Mandatsträgern gegen einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil, Einfluss auf die Entscheidung eines zuständigen Amtsträgers zugunsten des Vorteilsgebers nehmen zu können. Ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zu den bisherigen Korruptionsstraftatbeständen ist, dass die Gegenleistung ein Vermögensvorteil sein muss, also nicht jeder Vorteil genügt.
2.2 Verweis auf das Abgeordnetengesetz
Eine Strafbarkeit nach § 108f StGB setzt voraus, dass die entgeltliche Interessenwahrnehmung "die für die Rechtsstellung des Mandatsträgers maßgeblichen Vorschriften verletzen würde" (§ 108f Abs. 1 S. 2 StGB). Ob es tatsächlich zu einer Verletzung einschlägiger Vorschriften gekommen ist, ist nicht relevant. Auch ein zusätzlicher Zusammenhang mit dem Mandat und ein „Ausnutzen“ des Mandats sind nicht erforderlich, da ein Mandatsbezug bereits dadurch hergestellt wird, dass die jeweilige Interessenwahrnehmung parlamentsrechtliche Vorschriften unterfällt und gegen diese verstoßen würde.5
Damit ergibt sich für den Mandatsträger, dass ein (potenzieller) Verstoß gegen einschlägige Vorschriften, insbesondere des Abgeordnetengesetzes (Bundes-/Landesrecht) nun auch strafbewehrt sein kann (z.B. § 44a AbgG). Gleichzeitig werden die einschlägigen Vorschriften auch für den Vorteilsgeber relevant, da auch § 108f Abs. 2 S. 2 StGB ein solchen Verstoß voraussetzt.
Dieses neue Strafbarkeitsrisiko sollten Unternehmen zum Anlass nehmen, ihre Korruptionspräventionsregeln zu aktualisieren und insbesondere ihre Geschäftspartnerprüfung zu ergänzen.
Dr. Oliver Ofosu-Ayeh
Dr. Jochen Pörtge
Franziska Rentel
1 BGH, Beschluss vom 5. Juli 2022 – StB 7–9/22.
2 BT-Drs. 18/476, S. 8.
3 BT-Drs. 20/10376, S. 1.
4 Stellungnahme Nr. 23 der Bundesrechtsanwaltskammer zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit der unzulässigen Interessenwahrnehmung (BT-Drs. 20/10376), S. 4.
5 BT-Drs. 20/10376, S. 8.