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    05.11.2023

    Höchste Zeit, sich auf den europäische CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) vorzubereiten


    Nach dem Inkrafttreten des europäischen Grenzausgleichsmechanismus (carbon border adjustment mechanism, abgekürzt CBAM1) am 17. Mai 2023 wird das System schrittweise seit Oktober dieses Jahres umgesetzt. Der CBAM nimmt die Importeure von Eisen, Stahl, Zement, Aluminium, Düngemittel, Strom und Chemikalien (auch wenn zurzeit nur Wasserstoff als Chemikalie gelistet ist) sowie bestimmten vor- und nachgelagerten Produkten in die Pflicht. Diese müssen sogenannte CBAM-Zertifikate erwerben und die Differenz zwischen der im Produktionsland gezahlten CO₂-Abgabe und der nach dem EU-Emissionshandelssystem (ETS) fälligen Abgabe zahlen. Die Hersteller in Drittländern sind außerdem verpflichtet, Auskunft über ihre Emissionen zu geben. Es ist also höchste Zeit, sich darauf vorzubereiten.

     

    Die Importeure der in Anhang I der CBAM-Verordnung genannten Produkte werden verpflichtet,

     

    • während der Übergangsphase ab Oktober 2023, zu ermitteln und zu berechnen, welche direkten und indirekten Emissionen bei der Produktion von importierten Waren entstehen,
    • vierteljährlich über direkte und indirekte im Herkunftsland ausgestoßene CO₂-Immissionen und dem im Drittland gezahlten Kohlenstoffpreis zu berichten (CBAM-Bericht),
    • sich als sogenannter CBAM-Anmelder zu registrieren, um ab Januar 2026 unter den CBAM fallende Produkte einführen und die erforderlichen CBAM-Zertifikate erwerben zu dürfen.

     

    Ende Januar 2024 müssen die Unternehmen ihre ersten Berichte vorlegen.

     

    Im Detail:

     

    CBAM und der europäische Green Deal

     

    Vor vier Jahren, im Jahr 2019, hat sich die EU als Vorreiterin im Kampf gegen die Klimakrise selbst das Ziel auferlegt, CO₂-Neutralität bis 2050 zu erreichen und die Verpflichtungen unter dem Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Dieser europäische Green Deal versteht sich als übergreifende Strategie, die durch mehr als fünfzehn neue Gesetze und zahlreiche Gesetzesänderungen umgesetzt wird. Dem dient das sogenannte „Fit for 55“-Paket. Ziel ist es, die Netto-Treibhausgasemissionen zunächst bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren.

     

    Das „Fit for 55“-Paket2 sieht die Einführung des CBAM in Verbindung mit Änderungen am aktuellen EU-Emissionshandelssystem (ETS) vor. Der CBAM soll die CO₂-Bepreisung zwischen inländischen und ausländischen Produkten ausgleichen.

     

    Entsprechend des vorgesehenen Gesetzgebungsverfahrens hatte die Europäische Kommission im Juli 2021 einen Entwurf vorgelegt, der gleichzeitig vom Europäischen Parlament (EP) und den 27 Mitgliedstaaten im Rat diskutiert wurde. Obwohl der Entwurf vom EP-Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) begrüßt wurde, lehnte das EP den Vorschlag als nicht ehrgeizig genug ab. Es dauerte mehrere Monate bis ein Kompromiss erreicht wurde.

     

    Historischer und rechtlicher Kontext

     

    In der EU gilt seit über fünfzehn Jahren ein Emissionshandelssystem (ETS)3. Der CBAM ist so ausgestaltet, dass er parallel zu diesem System zum Einsatz kommt und das bestehende System für eingeführte Waren ergänzt.

     

    Das ETS legt derzeit eine Obergrenze für die Menge an Treibhausgasen fest, die Unternehmen emittieren dürfen. Innerhalb der Obergrenzen ist es möglich, Emissionszertifikate zu kaufen, mit denen gehandelt werden kann. Ein Teil der Zertifikate wird versteigert, der Rest wird jedoch von der Europäischen Kommission kostenlos an bestimmte Wirtschaftssektoren vergeben, die von "Carbon Leakage" bedroht sind.

     

    Carbon Leakage bezeichnet das problematische Phänomen, dass Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern, insbesondere in Länder mit geringerem Umweltschutz als in der EU. Das CBAM versucht diese Regelungslücke zu schließen, damit die Bemühungen der EU zur Verringerung der Treibhausgasemissionen nicht dadurch unterlaufen werden, dass Produktionsverlagerungen erhöhte Emissionen im nicht-europäischen Ausland verursachen oder dadurch, dass CO₂-intensivere Produkte importiert werden.

     

    Bereits ohne Berücksichtigung der durch Importe verursachten Emissionen, entfallen auf die EU rund 8 % der weltweiten Kohlendioxidemissionen. Es wäre kontraproduktiv und widerspräche dem Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Emissionen in der EU zu senken und gleichzeitig CO₂-intensivere Produkte aus Drittländern zu importieren.

     

    Die Funktionsweise des CBAM

     

    Im Rahmen des CBAM erfolgt die CO₂-Bepreisung über das Instrument der CBAM-Zertifikate, ähnlich den ETS-Zertifikaten. „CBAM-Zertifikate“ sind elektronische Zertifikate, die jeweils einer Tonne in Waren eingebetteter Emissionen entsprechen. Importeure bestimmter energieintensiver Waren müssen CBAM-Zertifikate erwerben, um diese Waren in die EU importieren zu dürfen. Die erforderliche Anzahl von CBAM-Zertifikaten entspricht den gesamten Emissionen, die im Zusammenhang mit den importierten Waren entstehen.

     

    Für den Fall, dass ein Unternehmen in dem Ursprungsland für seine Emissionen bereits einen CO₂-Preis entrichtet hat, sieht Art. 9 der Verordnung die Möglichkeit einer Verrechnung mit der Anzahl der abzugebenden CBAM-Zertifikate vor.

     

    Auch können Drittländer nach Art. 2 der Verordnung eine Ausnahme vom CBAM beantragen, sofern sie über einen gleichwertigen inländischen Kohlenstoffpreismechanismus verfügen oder wenn eine Verknüpfung mit dem EU-Emissionshandel vorliegt. Warenimporte aus diesen Drittländern fallen dann nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Dies gilt bereits für Waren mit Ursprung in Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz.

     

    Eine solche Verknüpfung kommt zudem künftig zwischen der EU und Großbritannien in Betracht. Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU hat Großbritannien ein eigenes Emissionshandelssystem eingeführt. Derzeit ziehen Großbritannien und die EU in Erwägung, ihre Emissionshandelssysteme zu verbinden. Eine endgültige Entscheidung steht allerdings noch aus.

     

    Im Rahmen des ETS wird die Ausgabe kostenloser Emissionszertifikate für einige EU-Erzeuger stufenweise eingestellt. Zugleich soll der Produktumfang des ETS und der CBAM konvergieren. Zunächst wird die Ausgabe kostenfreier Emissionszertifikate ab 2026 stufenweise auslaufen und ab 2034 vollständig eingestellt. Darüber hinaus wird ab 2024 der Anwendungsbereich des ETS auf den Luft- und Schiffverkehr und ab 2027 auf den Straßenverkehr und Gebäude erweitert. Für den Luftfahrtsektor werden dabei bereits ab 2026 keine kostenlosen Zertifikate mehr zur Verfügung gestellt. Zudem ist eine Verknappung der Zertifikate vorgesehen, um nach den Grundsätzen des Marktmechanismus die Preise für die Emissionszertifikate zu erhöhen.

     

    Übergangsphase des CBAM

     

    Die CBAM-Verordnung gilt seit dem 1. Oktober 2023, wobei die Art. 32 ff. der Verordnung (EU) 2023/956 eine schrittweise Umsetzung vorsehen. Die Rechtsgrundlage des CBAM ist Art. 192 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV), der es der Union erlaubt, Maßnahmen zu ergreifen, um die in Art. 191 Abs. 1 AEUV genannten Umwelt- und Klimaziele zu erreichen.

     

    Im Oktober 2023 traten zunächst Berichtspflichten für Einführer in Kraft. Unternehmen müssen nun Zugang zum CBAM-Übergangsregister beantragen, um dort vierteljährlich Berichte einzureichen. Nach einer im August verabschiedeten europäischen Durchführungsverordnung4 müssen die Unternehmen Ende Januar 2024 den ersten Bericht vorlegen. Tun sie dies nicht, werden Sanktionen zwischen 10 EUR und 50 EUR für jede nicht gemeldete Tonne Emissionen verhängt. Die tatsächliche Sanktion wird gemäß Art. 16 Abs. 3 der Durchführungsverordnung festgelegt und kann sich erhöhen, wenn die Dauer der Nichtberichterstattung sechs Monate überschreitet.

     

    Der im Bericht erforderliche Inhalt umfasst insbesondere die Menge der eingeführten Waren in Tonnen, die Gesamtmenge der direkten und indirekten CO₂e-Emissionen pro Tonne jeder Warenart und der CO₂-Preis, der gegebenenfalls im Ursprungsland für die eingeführten Waren entrichtet worden ist.

     

    Der vorgelegte Bericht kann bis zwei Monate nach Ablauf des einschlägigen Berichtsquartals geändert werden. Für die ersten beiden Berichtszeiträume ist eine Abänderung bis zum 31. Juli 2024 möglich.

     

    Die Berichtspflicht obliegt grundsätzlich dem Importeur der CBAM-Waren in die EU. Der Importeur kann allerdings die Berichtspflicht auf einen indirekten Zollvertreter (z.B. das Transportunternehmen) mit dessen Zustimmung übertragen. Darüber hinaus gilt die Meldepflicht unmittelbar für den indirekten Zollvertreter, wenn der Importeur außerhalb der EU ansässig ist.

     

    CBAM ab 2026 vollständig anwendbar

     

    Wenn der CBAM ab dem 1. Januar 2026 vollständig anwendbar ist, müssen sowohl EU- als auch Nicht-EU-Unternehmen, die unter den CBAM fallende Waren in die EU einführen, den Status eines zugelassenen CBAM-Anmelders beantragen und CBAM-Zertifikate erwerben. Der Preis für CBAM-Zertifikate wird auf der Grundlage des durchschnittlichen wöchentlichen Auktionspreises für Zertifikate im Rahmen des EU-ETS berechnet, ausgedrückt in €/Tonne emittiertes CO₂. Kann ein EU-Importeur nachweisen, dass er bei der Herstellung der importierten Ware bereits einen Preis für die Emittierung von Kohlenstoff gezahlt hat, muss er nur die Differenz zwischen dem gezahlten Betrag und dem Preis für ein CBAM-Zertifikat bezahlen.

     

    Wirtschaftliche Folgen and rechtliche Fragen

     

    Die europäische emissionsintensive Industrie kritisiert vor allen Dingen die fehlende Entlastung des ETS für Exporte bei gleichzeitigem Auslaufen der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten. Dies führe zu Ungleichgewichten und einem erhöhten Risiko der Verlagerung von Industrien. Während in der EU ansässige Hersteller von emissionsintensiven Rohstoffen vor Importen aus Ländern mit niedrigeren Kohlendioxidpreisen geschützt seien, sei der Export von emissionsintensiven Rohstoffen aus der Union kaum noch wirtschaftlich, da die Produktionskosten ohne kostenlose Zuteilung von Zertifikaten im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig seien. Der im August 2022 erlassene US-amerikanische "Inflation Reduction Act" (IRA) hat zusätzlich Sorgen um ein neues Subventionswettrennen sowie eine Debatte über die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union ausgelöst.

     

    In Bezug auf politische und rechtliche Erwägungen haben eine Reihe von Ländern Bedenken geäußert, die von der Verletzung von Handelsabkommen bis hin zur Verurteilung der Abgabe als eklatanten Protektionismus reichen. Brasilien, Südafrika, Indien and China haben die negativen Auswirkungen auf Entwicklungsländer betont.

     

    Insbesondere wurden viele Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des CBAM mit internationalem Recht geäußert. Ein mit dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) kompatibles CBAM ist jedoch nicht per se unmöglich und kann aus Umweltgründen gerechtfertigt sein. Der CBAM könnte als Steuer- oder abgabenausgleichende interne Maßnahme nach Artikel III des GATT gelten oder, wenn es als diskriminierend befunden wird, nach den allgemeinen Ausnahmen des Artikels XX des GATT in Bezug auf die Erhaltung erschöpfbarer natürlicher Ressourcen (Artikel XX(g) des GATT) gerechtfertigt sein oder seine Rechtfertigung in der Notwendigkeit zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen finden (GATT Artikel XX (b)).

     

    Anstehende Schritte

     

    Um die Berichtspflichten zu erfüllen, müssen Unternehmen zunächst überprüfen und identifizieren, ob und welche importierten Waren unter den CBAM fallen. Maßgeblich sind die im Anhang I der Verordnung aufgeführten KN-Codes der jeweiligen Waren; die Generaldirektion Steuern und Zollunion (TAXUD) der Europäischen Kommission hat für jeden betroffenen Sektor weitere Hinweise veröffentlicht.5

     

    In einem zweiten Schritt müssen von den Lieferanten alle CBAM-bezogenen Informationen angefordert werden. Auch dafür hat die Europäische Kommission Vorlagen und Hinweise veröffentlicht.6

     

    Eine vertragliche Übertragung der Berichtspflicht auf einen indirekten Zollvertreter und die dahingehende vertragliche Absicherung von Risiken (z. B. in Bezug auf einen verspäteten oder ungenauen Bericht) ist in Betracht zu ziehen. Bei einer eigenen Berichtspflicht ist der Zugang zum CBAM-Übergangsregister zu beantragen.

     

    Sodann sind die vierteljährlichen Berichte fertigzustellen und nicht später als einen Monat nach Ablauf des betreffenden Quartals einzureichen, das erste Mal Ende Januar 2024. Falls die benötigten Angaben noch nicht vorliegen, darf der jeweilige Importeur bis zum 31. Juli 2024 Standardwerte, die von der Europäischen Kommission für den Übergangszeitraum zur Verfügung gestellt und veröffentlicht werden, nutzen.

     

    Prof. Dr. Rainer Bierwagen

    Gábor Báthory

     

    1 Verordnung (EU) 2023/956 vom 10. Mai 2023 zur Schaffung eines CO₂-Grenzausgleichssystems, http://data.europa.eu/eli/reg/2023/956/oj , und Durchführungsverordnung (EU) 2023/1773 der Kommission vom 17. August 2023 mit Vorschriften über die Anwendung der Verordnung (EU) 2023/956 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die im Übergangszeitraum geltenden Berichtspflichten für die Zwecke des CO2-Grenzausgleichssystems, http://data.europa.eu/eli/reg_impl/2023/1773/oj

    2 Vgl. Europäische Kommission, COM/2021/550, 14. Juli 2021

    3 Siehe https://climate.ec.europa.eu/eu-action/eu-emissions-trading-system-eu-ets_de

    4 Durchführungsverordnung (EU) 2023/1773 der Kommission, http://data.europa.eu/eli/reg_impl/2023/1773/oj

    5 Siehe https://taxation-customs.ec.europa.eu/carbon-border-adjustment-mechanism/cbam-sectoral-factsheets_de

    6 Siehe https://taxation-customs.ec.europa.eu/carbon-border-adjustment-mechanism_en

     

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