In diesem Beitrag geben wir Ihnen einen kurzen Überblick darüber, was seit dem Inkrafttreten der EU-Verordnung zu ausländischen Subventionen 2022/2560, der „Foreign Subsidies Regulation“ (FSR VO) geschehen ist.
Die neue EU-Verordnung zu ausländische Subventionen 2022/2560 „Foreign Subsidies Regulation“ gewinnt seit ihrem Inkrafttreten immer mehr an Bedeutung in der europäischen Wirtschaft. Im Zentrum stehen neue Anmeldepflichten und Vollzugsverbote für M&A-Transaktionen sowie Eingriffe in Angebote in öffentlichen Vergabeverfahren. Die FSR VO soll verhindern, dass ausländische Subventionen den Wettbewerb in der EU verfälschen. Dies liegt vor, wenn Unternehmen (unabhängig von ihren Eigentumsverhältnissen, ihrer Rechtsform oder ihrem Ursprung) Subventionen von Nicht-EU Staaten gewährt werden und die Übernahme von Unternehmen oder die Angebote für öffentliche Aufträge dadurch „erleichtert“ werden. Die neue Verordnung ergänzt die Regeln für den Ausgleich von Beihilfen bei der Einfuhr subventionierter Waren.
Die Zahl der Fälle, die bisher untersucht bzw. angemeldet wurde, ist beachtlich. Die Aufmerksamkeit galt zuallererst Unternehmensübernahmen. Die Europäische Kommission ging einmal von 30 anzumeldenden Fällen für 2024 aus. In den ersten 100 Tagen wurden aber schon mehr als 50 Fälle angemeldet. Die untersuchten Fälle reichten von Fusionen von Unternehmen innerhalb desselben Mitgliedstaates bis hin zu Fusionen von Unternehmen zwischen EU- und Nicht-EU-Ländern. Die Fälle stammen aus einer Vielzahl von Sektoren, die von der Energiewirtschaft über den Modeeinzelhandel bis hin zum High-Tech-Sektor reichen, wie etwa eine eingehende Untersuchung bzgl. einer Übernahme im Telekommunikationssektor durch einen staatlich kontrollierten Telekommunikationsbetreiber mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Die Kommission hebt die Tatsache hervor, dass in etwa einem Drittel der Fälle ein Investmentfonds als Anmelder beteiligt war. Anzumerken ist hierbei, dass M&A-Vorhaben auch unter EU- oder nationalem Fusionskontrollrecht geprüft werden können. Des Weiteren unterliegen sie möglicherweise einer Kontrolle betreffend Übernahmen durch Nicht-EU-Unternehmen vor allem in sensiblen Bereichen.
Die zweithäufigste Zahl der bisher zu untersuchenden Fälle war die Beteiligung von insbesondere chinesischen Unternehmen an Angeboten für öffentliche Aufträge. Beispielsweise wurden eingehende Untersuchungen im Anschluss an öffentliche Ausschreibungen für die Lieferung von Photovoltaikanlagen in Rumänien und von elektrischen „Push-Pull“-Zügen in Bulgarien eingeleitet. Darüber hinaus gab es eine Untersuchung von Amts wegen, die sich auf die Lieferung von Windturbinen für Windparks in Rumänien, Griechenland, Bulgarien, Spanien und Frankreich bezog. In einem Fall hat die Kommission sogar vor Ort eine Untersuchung, einen sog. „dawn raid“ wie aus Kartellverfahren bekannt, durchgeführt; der Kommissionsbeschluss zur Anordnung der Durchsuchung wird gerichtlich angefochten.
Für eine Bewertung der Effektivität und der Wirkung des neuen Instruments ist es noch zu früh. Jedoch zeigen sich – jedenfalls im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens – erste Wirkungen: Im März 2024 zog sich der chinesische Zughersteller CRRC von einer öffentlichen Ausschreibung für ein bulgarisches Eisenbahnprojekt im Wert von EUR 610 Mio. zurück, nachdem die Europäische Kommission eine Untersuchung des Angebots eingeleitet hatte. Des Weiteren zogen chinesische Unternehmen ihre Angebote zur Lieferung von wesentlichen Teilen von Photovoltaikanlagen zurück.
Was Unternehmensübernahmen betrifft, wurde im Juli 2024 bekannt, dass eine Telekom-Gruppe aus den Emiraten eine Begrenzung ihrer zunächst unbegrenzten staatlichen Garantie für den Erwerb von Teilen eines tschechischen Pensionsfonds angeboten hat, um Bedenken zu zerstreuen, dass emiratische Beihilfen den Wettbewerb in der EU verfälschen.
Es ist auffällig, dass die meisten der angekündigten oder eingeleiteten Untersuchungen der Kommission chinesische, möglicherweise Beihilfen erhaltende, Unternehmen betreffen, obwohl die FSR VO länderneutral konzipiert ist. Jedoch ist in dieser Hinsicht anzumerken, dass China die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt ist und ihr Expansionsdrang ungebrochen erscheint. Dennoch haben chinesische Beamte und Industrieverbände wiederholt die FSR VO der EU kritisiert und behaupten die Verordnung sei nur ein weiteres protektionistisches Instrument der EU, das sich gegen chinesische Unternehmen richte. Im Juli 2024 kündigte das chinesische Handelsministerium an, dass es eine Untersuchung über Handels- und Investitionshemmnisse in Bezug auf die Praktiken der EU bei ihren Untersuchungen von chinesischen Unternehmen eingeleitet hat.
In einer Rede im April 2024 skizzierte die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager eine neue Richtung für die Durchsetzungsbemühungen der Kommission und kritisierte Wettbewerbsverfälschungen durch von Nicht-EU-Ländern gegebenen Beihilfen. Sie betonte, dass es auf einigen Märkten immer wieder vorkomme, dass chinesische Unternehmen deutlich günstigere Preise als EU-Unternehmen anbieten, die angeblich durch staatliche Beihilfen aus Drittländern finanziert werden und häufig Zahlungsaufschübe beinhalten, die EU-Unternehmen nicht gewährt werden. Diese Praxis führe zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für EU-Unternehmen, insbesondere in Sektoren wie der Solar- oder Windenergie.
Um das Vorgehen der Europäischen Kommission unter der FSR VO zu erläutern, wurde im Juli 2024 ein Arbeitspapier zur FSR VO veröffentlicht. Hier stellte die Kommission folgendes klar: Um eine ausländische Subvention als wettbewerbsverzerrend zu betrachten, müsse sie potenziell negative Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt haben. Obwohl dieses Kriterium der Vorgehensweise in den EU-Verordnungen über staatliche Beihilfen entspricht, erläuterte die Kommission, dass es wichtige Unterschiede zwischen diesen gibt. Zum Beispiel muss die Kommission in Fällen staatlicher Beihilfen in der Regel keine detaillierte Bewertung der Auswirkungen der Subvention auf den Markt vornehmen, wenn der Empfänger einen selektiven finanziellen Vorteil auf einem Wettbewerbsmarkt hat. Die Kommission erläuterte auch, dass die Beurteilung, ob eine ausländische Subvention den Binnenmarkt beeinträchtigt, nach der FSR VO erfordert, dass die Kommission einen Kausalzusammenhang zwischen der Subvention und der Wettbewerbsposition des Empfängers auf dem EU-Markt herstellt. Die Kommission wird jedoch auch prüfen, ob Subventionen durch Quersubventionierung indirekt den Tätigkeiten im Binnenmarkt zugutekommen. Folglich wird die Kommission die negativen und positiven Auswirkungen auf den Binnenmarkt (einschließlich Quersubventionierungsstrategien) untersuchen und abwägen.
Abschließend wurde im Arbeitspapier der Kommission noch die Unterscheidung zwischen den Regeln für M&A-Transaktionen und für das öffentliche Auftragswesen näher beschrieben. Die Kommission prüft bei M&A-Transaktionen zusätzlich noch die Auswirkungen auf den Markt, auf dem das fusionierte Unternehmen tätig ist. Bei öffentlichen Aufträgen liegt hingehen der Fokus darauf, ob das Angebot selbst unverhältnismäßig günstig ist und ob ein Zusammenhang zwischen der Subvention und dem Angebot besteht. Marktteilnehmer sollten diese unterschiedliche Fokussierung berücksichtigen. Ansonsten brachten die Klarstellungen durch die Kommission nichts Neues.
Eine Herausforderung für Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten stellt die Beschaffung und Handhabung von Informationen dar. Insbesondere müssen Unternehmen aus Drittländern, die sich an Angeboten für öffentliche Aufträge beteiligen bzw. europäische Unternehmen oder Teile davon übernehmen wollen, bereits im Vorhinein eine umfassende und komplexe Informationserfassung vorbereiten und einrichten, um die erforderlichen Daten auf globaler und konzernweiter Basis für die letzten drei Jahre zu erheben. Die korrekte Identifizierung meldepflichtiger ausländischer Finanzbeiträge, ihre genaue Unterscheidung von den Kategorien, die den Wettbewerb am ehesten verzerren können, sowie eine umsichtige Auslegung der gewährten Ausnahmeregelungen sind in diesem Zusammenhang unerlässlich. Legal Tech-Lösungen und die frühzeitige Einbindung von Experten können hier weiterhelfen.
Da die FSR VO einen neuen Rechtsrahmen schafft, besteht für die Unternehmen weiterhin Unsicherheit bei der Beurteilung, wann Nicht-EU-Subventionen problematisch sein könnten. In Erwartung weiterer Leitlinien ist es wahrscheinlich, dass bestimmte Fallmerkmale eine detaillierte Befragung oder eine langfristige Überprüfung auf der Grundlage der Durchsetzungspraxis der EU erfordern.
Die Einrichtung von Informationssystemen wird die Unternehmen weiterhin vor Herausforderungen stellen. An dieser Stelle empfehlen wir den betroffenen Unternehmen, die Sammlung und Organisation von Informationen frühzeitig zu planen. Wir werden derweil die weiteren Entwicklungen im Bereich der FSR für Sie im Auge behalten.
Prof. Dr. Rainer Bierwagen
Lucas Nowottny