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    20.09.2024

    Die BauGB Novelle 2024 – Überblick über die wichtigsten Neuregelungen


    Das Bauplanungsrecht ist derzeit aus unterschiedlichen Gründen einem hohen Reformdruck ausgesetzt: Zum einen ist der Wohnungsmarkt vor allem in vielen urbanen Räumen nach wie vor angespannt. Zum anderen ist die Neubautätigkeit infolge der wirtschaftlichen Entwicklungen im Immobilienbereich und auf den Finanzmärkten noch immer gedämpft. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hat hierzu schon Anfang 2022 das sog. „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ ins Leben gerufen. Aus diesem Bündnisprozess sind eine Reihe von Maßnahmen zur Senkung der Baukosten und zur Stärkung des Wohnungsneubaus hervorgegangen. Dazu gehören auch Neuregelungen im Baugesetzbuch (BauGB), die derzeit in der Verbändeanhörung diskutiert werden und die bis Ende des Jahres 2024 den Gesetzgebungsprozess durchlaufen haben sollen.

    Darüber hinaus besteht auch der Bedarf, die Folgen des Klimawandels in der Stadt- und Siedlungsentwicklung zu berücksichtigen, um diese zukunftsfest zu gestalten. Damit das Bauplanungsrecht für die Kommunen übersichtlich und handhabbar bleibt, soll die Berücksichtigung der Erfordernisse der Klimaanpassung eigenständig und abschließend im BauGB geregelt werden.

    Schließlich sollen die Neuregelungen auch helfen, die Transformation der Energieversorgung im Bundesgebiet weiter voranzubringen und die Ausbauziele für Erneuerbare Energien in der gebotenen Geschwindigkeit zu erreichen. Hierzu soll die Baunutzungsverordnung (BauNVO) geändert werden.

    Im Folgenden beleuchten wir die wichtigsten der geplanten Neuerungen:

    1. Schaffung von Wohnraum durch Aufstockung und Nachverdichtung im Innenbereich (§ 34 BauGB)

    Künftig sollen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne von § 201a BauGB Erweiterungen von Gebäuden möglich sein, insbesondere Aufstockungen, auch quartiersweise oder stadtweit, ohne dass ein Bebauungsplan geändert werden muss (vgl. § 31 Abs. 3 BauGB). Bisher gibt es diese Möglichkeit nur im Einzelfall. Für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile gestattete § 34 Abs. 3a BauGB schon bisher Abweichungen vom Erfordernis des Einfügens für Vorhaben im Bestand. Die Vorschrift war jedoch auf Wohngebäude im Bestand beschränkt; diese Einschränkung soll nun ebenfalls entfallen, um eine vereinfachte Aufstockung mit Wohnraum auch bei Nicht-Wohngebäuden, beispielsweise über Supermärkten oder anderen gewerblich genutzten Gebäuden, zu ermöglichen.

    Konkret soll die Ergänzung des § 34 Abs. 3a BauGB ermöglichen, dass nunmehr auch bei Errichtung einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken vom Erfordernis des Einfügens abgesehen werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass sich das Vorhaben seiner Art nach in die nähere Umgebung einfügt. Da sich somit das Maß der baulichen Nutzung nicht mehr einfügen muss, wird u. a. die Möglichkeit erweitert, hinterliegende Grundstücke oder Grundstücksteile „in zweiter Reihe“ oder Freiflächen („Höfe“) innerhalb von Wohnblöcken zu bebauen.

    2. Frist für die Aufstellung von Bebauungsplänen

    Viele Investoren kennen es: Die Aufstellung von Bebauungsplänen dauert häufig mehrere Jahre. Die Neureglung in § 4b BauGB soll zu einer Beschleunigung der Verfahren führen. Aufgrund der Komplexität planerischer Entscheidungen verbietet sich zwar aus Sicht des Gesetzgebers die Vorgabe starrer Fristen für die Gesamtdauer von Planverfahren. Nach Abschluss der Beteiligung nach § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 2 BauGB, für deren Einleitung der Planentwurf und die Begründung – einschließlich des Umweltberichts (soweit nicht die §§ 13 und 13a BauGB Anwendung finden) – bereits vorliegen müssen, kann jedoch grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Prüfung und Umsetzung eines sich aus der Beteiligung ergebenden Anpassungsbedarfs in einem überschaubaren Zeitrahmen erfolgen können. Vor diesem Hintergrund sieht der neue § 4b Abs. 2 BauGB vor, dass zwischen dem endgültigen Abschluss der Verfahren zur Beteiligung und der Veröffentlichung des Bauleitplans nicht mehr als zwölf Monate liegen sollen. Die Regelung ist als Soll-Vorschrift ausgestaltet; eine Überschreitung der Frist führt daher nicht zur Fehlerhaftigkeit des Bauleitplans. Gleichwohl handelt es sich um eine gesetzgeberische Vorgabe, aufgrund derer die Kommunen gehalten sind, ihre Bauleitplanverfahren im Rahmen des Möglichen vor Ablauf von zwölf Monaten abzuschließen.

    3. Stärkung der kommunalen Vorkaufsrechte

    Die im besonderen Städtebaurecht bereits vorhandenen Instrumente sollen zum effektiveren Einsatz für die Schaffung von Wohnraum erweitert und verbessert werden. Dies umfasst etwa die Einbeziehung einer bestimmten Konstellation des sogenannten „Share Deals“ in die Vorkaufsrechtsausübung. Bisher finden die Vorkaufsrechte gemäß §§ 24 ff. BauGB grundsätzlich keine Anwendung auf die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft. Eine Ausnahme stellen eindeutige Umgehungsgeschäfte dar, wobei die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Voraussetzungen nach Auffassung des Gesetzgebers hierfür nur einen engen Anwendungsbereich bieten. In der Praxis führt die Einbringung von Grundstücken in Gesellschaften in einer Vielzahl von Fällen zu einer Nichtanwendbarkeit der kommunalen Vorkaufsrechte trotz städtebaulicher Relevanz. Die Neuregelung soll diese Lücke schließen, soweit dies ohne grundlegende Veränderungen des Gesellschaftsrechts möglich ist.

    Der neue § 24 Abs. 2a BauGB stellt daher nun die Einbringung von Grundstücken in eine Gesellschaft dem Grundstückserwerb gleich. Durch die Gleichstellung bedarf es für die neuen Übertragungstatbestände, um ein Vorkaufsrecht zu begründen, eines Grundstücks im Sinne des § 24 Abs. 1 BauGB (z. B. im Geltungsbereich einer Sanierungs- oder Erhaltungssatzung) oder eines besonderen Vorkaufsrechts in § 25 BauGB sowie der weiteren Voraussetzungen in § 24 Abs. 3 BauGB. Die Ausübung des Vorkaufsrechts muss also nach wie vor durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt sein, wobei diesem insbesondere die Deckung eines Wohnbedarfs in der Gemeinde dienen kann. Auch die Ausschlussgründe des § 26 BauGB und die Abwendungsmöglichkeit nach § 27 BauGB finden Anwendung.

    Außerdem sollen die kommunalen Vorkaufsrechte nach BauGB zukünftig auch dann ausgeübt werden können, wenn ein in Eigentumswohnungen geteiltes Gebäude als Ganzes veräußert wird. Der Verkauf von allen auf einem Grundstück liegenden Eigentumseinheiten in einer Transaktion an einen Käufer entspricht nach Ansicht des Gesetzgebers wirtschaftlich dem Verkauf eines Grundstücks, sodass die Gleichsetzung mit einem Grundstücksverkauf gerechtfertigt ist. Im Übrigen bleibt es aber dabei, dass der Gemeinde in Bezug auf einzelne Eigentumswohnungen und beim Verkauf von Erbbaurechten weiterhin kein Vorkaufsrecht zusteht.

    4. Sozialer Flächenbeitrag

    Mit der Novelle soll auch der soziale Wohnungsbau gestärkt werden. Bevölkerungsanstieg, der Zuzug aus dem ländlichen Raum, die Zuwanderung aus dem Ausland sowie der anhaltende Trend zu kleineren Haushalten auf mehr Wohnfläche hat dazu geführt, dass die Wohnungsmärkte gerade in den Ballungsräumen eng geworden sind und stetig angespannter werden. Die absehbar verstärkt eintretende Entlassung von bisher sozial gefördertem Wohnraum aus der Sozialbindung und unzureichende Neubauzahlen verschärfen die Wohnungsmarktsituation für Menschen mit niedrigen Einkommen. Hier Abhilfe zu schaffen, gelingt nach Auffassung des Gesetzgebers auf Grundstücken im Eigentum der öffentlichen Hand besonders effektiv, denn dort sind die Gestaltungsspielräume der Entwicklungsträger am größten und die Grundstücke können dauerhaft mit sozialem Wohnraum belegt werden.

    Mit Hilfe der sog. Baulandumlegung können Gemeinden Grundstücke entsprechend der Vorgaben eines Bebauungsplans und nach Maßgaben des BauGB neugestalten oder vorbereiten. Aktuell ist es bei der Umlegung nach den §§ 45 ff. BauGB aber nicht möglich, Gemeinden Flächen zuzuteilen, die diese für den sozialen Wohnungsbau oder für andere Nutzungen zum Wohl der Allgemeinheit verwenden könnte, wenn sie nicht auch eigene Flächen in die Umlegungsmasse einbringt. Künftig soll bei der Baulandumlegung ein sog. sozialer Flächenbeitrag eingeführt werden (§ 58a BauGB). Die Neuregelung gilt nur in Gemeinden, für die im Rahmen einer Rechtsverordnung oder Satzung nach § 201a BauGB ein angespannter Wohnungsmarkt festgestellt worden ist. Die damit bestehende Störung von Wohnungsangebot und -nachfrage, die sich auf die Sozialbindung des Eigentums auswirkt, rechtfertigt es nach Auffassung des Gesetzgebers, den Gemeinden hier einen weiteren Handlungsspielraum einzuräumen, solange dieser Zustand anhält und die entsprechende Rechtsgrundlage in Kraft ist.

    Praktisch bedeutet das: Ergibt sich in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Ergebnis einer Baulandumlegung ein Anspruch der Gemeinde gegen die Eigentümer auf Wertausgleich in Geld, kann sie statt der Zahlung auch eine Fläche verlangen. Dann muss sie jedoch im Gegenzug auf dieser Fläche sozialen Wohnungsbau errichten. Sie muss willens und in der Lage sein, den sozialen Wohnungsbau auf eben dieser Fläche binnen angemessener Frist zu realisieren, damit der Zweck der Linderung akuter Wohnungsnot in der Gemeinde auch tatsächlich erreicht wird. Die Länge der Frist hängt u. a. von der Komplexität des Vorhabens ab. Die Gemeinde kann die Realisierung auch Dritten überlassen, wobei die Verwirklichung des sozialen Wohnungsbaus entsprechend dem Umlegungsplan dann bei der Überlassung durch entsprechende Regelungen (z. B. in einem Kauf- oder Erbbaurechtsvertrag) sichergestellt werden muss.

    Alternativ hat die Gemeinde nach dem neuen § 9 Abs. 1 Nr. 7b BauGB nunmehr auch die Möglichkeit, in einem Bebauungsplan die Nutzung von Wohngebäuden nach den Vorgaben der Wohnungsbauförderung verbindlich festzusetzen. In der Umlegung kann die Umsetzung des sozialen Wohnungsbaus gegebenenfalls mittels eines Baugebots nach § 59 Abs. 7 BauGB gesichert werden.

    5. Umwandlungsschutz

    Das Instrument des Umwandlungsschutzes nach § 250 BauGB wird bis Ende 2027 verlängert. Mit diesem Instrument können die Länder in besonders ausgewiesenen Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt einen Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen einführen. Die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach § 1 WEG bedarf dann der Genehmigung.

    6. Klimaanpassung

    In den Expertengesprächen zur Vorbereitung der vorliegenden Novellierung des BauGB wurde deutlich, dass der Handlungsbedarf in Bezug auf die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels im Innenbereich besonders hoch ist. Der regelmäßig hohe Versiegelungsgrad verstärkt die Hitzebelastung und führt dazu, dass bei Starkregenereignissen oft nicht genügend versickerungsfähige Fläche vorhanden ist. Mit der Ergänzung von § 34 Abs. 1 BauGB sollten bei einer Genehmigung von Bauvorhaben im Innenbereich nun auch planungsrechtlich Anforderungen an die Klimaanpassung gestellt werden können. Dies lässt bestehende Baurechte sowie den geltenden Zulässigkeitsmaßstab unberührt, ermöglicht aber gleichzeitig die Berücksichtigung der Erfordernisse der Klimaanpassung im unbeplanten Innenbereich, ohne dass es hierzu der Aufstellung eines Bebauungsplans bedarf. Als zusätzliche Anforderungen kommen aus Sicht des Gesetzgebers beispielsweise die Schaffung von Versickerungsanlagen, Dachbegrünung, Baumpflanzungen oder die Verwendung hochwasserresistenter Baustoffe in Betracht.

    Die ergänzenden Anforderungen stehen neben dem Erfordernis des Einfügens in die nähere Umgebung, sodass beispielsweise eine zur Klimaanpassung erforderliche Dachbegrünung unabhängig davon verlangt werden kann, ob sie sich einfügt oder nicht. Für die an ein Vorhaben gestellten ergänzenden Anforderungen gilt im Übrigen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

    Nach dem neuen § 34 Abs. 1 Satz 4 BauGB kann die Gemeinde den Inhalt der ergänzenden Anforderungen auch allgemein in einer Satzung regeln.

    7. Speicheranlagen für Wasserstoff

    8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO benennt Anlagen, die in Gewerbegebieten zulässig sind, § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO gilt für Industriegebiete. Die Auflistung umfasst derzeit Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe. Dort sollen jeweils Anlagen zur Herstellung und Speicherung von Wasserstoff ergänzt werden. Dies dient der Klarstellung, dass diese Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten allgemein zulässig sind. Damit soll der Praxis die Zulassung von Elektrolyseuren oder Anlagen zur Speicherung von Wasserstoff in Gewerbe- und Industriegebieten erleichtert werden. Daneben wird in § 11 Abs. 2 BauNVO die Auflistung der sonstigen Sondergebiete um die unmittelbare Nutzung erneuerbarer Energien durch Anlagen zur Herstellung und Speicherung von Wasserstoff ergänzt. Dies soll den Gemeinden verdeutlichen, dass bei der Ausweisung entsprechender Sondergebiete stets auch die Zulässigkeit dieser Anlagen mitgedacht werden soll.

    8. Ausblick

    Ob diese und weitere Regelungen so schließlich geltendes Recht werden und auch in der Praxis die gewünschten Effekte bringen werden, bleibt abzuwarten. Mit der Novelle kann eine weitere Vereinfachung der Schaffung von Wohnraum einhergehen, wenn auch die Genehmigungsbehörden von den geschaffenen Möglichkeiten Gebrauch machen – das war in der Vergangenheit, etwa bei der bereits bestehenden Möglichkeit gemäß § 34 Abs. 3a BauGB für die Erweiterung oder Änderung von Wohngebäuden, nicht immer der Fall. Häufig waren die Neuregelungen entweder bei den Behörden gar nicht „auf dem Schirm“ oder es bestanden erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf die Anwendung der neuen Möglichkeiten, was zu einer oft sehr restriktiven Handhabung geführt hat. Insoweit bleibt zu hoffen, dass Gemeinden und Investoren gemeinsam die neuen Instrumente nutzen, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern.

    Katrin Lüdtke