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    24.09.2019

    Das Luxemburger Gericht bestätigt die Linie der Kommission, gegen selektive Steuervorteile als Beihilfen vorzugehen


    Das Gericht der Europäischen Union (EuG) urteilte am 24. September 2019 über die Gewährung von Steuerbeihilfen und bestätigte die Kommission in ihrem Vorgehen gegen selektive Steuervorteile als verbotene Beihilfen. Die Urteile waren mit Spannung erwartet worden, da sie als richtungsweisend für künftige Urteile über Steuernachzahlungen internationaler Konzerne angesehen werden. Das Gericht bestätigte die Entscheidung der Europäischen Kommission, dass ein von Luxemburg an den Autobauer Fiat Chrysler (Verbundene Rechtssachen T-755/15 und T-759/15) gewährter Steuervorteil als unionsrechtswidrige Beihilfe anzusehen sei. Allerdings prüfte das Gericht die von der Kommission in ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen und gab in den beiden anderen verbundenen Rechtssachen, den Klagen der Niederlande und der Starbucks wegen der an die Kaffeehauskette Starbucks gewährten Vergünstigung statt (Verbundene Rechtssachen T-760/15 und T-636/16); die Kommission habe das Vorliegen eines selektiven Vorteils nicht nachgewiesen.

     

    Geklagt hatten in den vorliegenden Fällen sowohl die beiden Mitgliedstaaten Luxemburg und die Niederlande als auch die jeweils betroffenen Unternehmen Fiat Chrysler und Starbucks. Den Sachverhalten ist gemeinsam, dass die Kläger sich jeweils gegen Entscheidungen der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2015 wehren. Die Kommission war damals im Rahmen ihrer unter anderem durch Lux Leaks ermöglichten Untersuchungen zu dem Ergebnis gelangt, bei den von Luxemburg bzw. den Niederlanden gewährten Steuervorbescheiden („advance tax rulings“) handele es sich um unzulässige Beihilfen, die gegen Art. 107 AEUV verstießen. Nach dieser Vorschrift sind Beihilfen von EU-Mitgliedstaaten an einzelne Unternehmen grundsätzlich verboten, da sie den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerren können. Zwar erklärt die Norm ausnahmsweise auch Beihilfen für zulässig – doch selbst in einem solchen Fall hätte ein Mitgliedstaat vor der Gewährung einer Beihilfe die Kommission darüber nach Art. 108 Abs. 3 AEUV in Kenntnis setzen müssen, damit diese ihrerseits die Zulässigkeit der Beihilfe hätte prüfen können. Stellt die Kommission die Rechtswidrigkeit einer Beihilfe nach den Vorschriften des AEUV fest, so sind die Mitgliedstaaten zu einer Rückforderung von den Unternehmen verpflichtet. Die begünstigten Unternehmen müssen also eine Steuernachzahlung leisten. Auf Vertrauensschutz können sich dabei nicht berufen, da sonst die effektive Durchsetzung des Unionsrechts unterlaufen würde.

     

    Um eine Steuernachzahlung zu verhindern, reichten die Betroffenen Klagen zur Aufhebung der Kommissionsentscheidung beim EuG ein. Damit hatte nun das Gericht zu überprüfen, ob die Kommission die Steuervorbescheide zu Recht als unvereinbar mit europäischem Recht angesehen hatte. Bereits in einer Entscheidung aus dem Februar 2019 hatte sich das Gericht zwar mit der Frage beschäftigt, ob Steuervorbescheide illegale Beihilferegelungen darstellen – allerdings hatte das Gericht damals nur festgestellt, dass die Kommission das Bestehen einer „Regelung“ nicht bewiesen habe, sodass es zu der Frage nach dem Vorliegen einer Beihilfe keine Stellung mehr nehmen musste. Bei den nun zur Debatte stehenden „advance tax rulings“ handelt es sich um verbindliche Auskünfte, die ein Staat einem Unternehmen über die von ihm künftig zu zahlenden Steuern erteilt. Die Steuerbehörde ist also bei einer späteren Besteuerung an ihre ursprüngliche Aussage über die prognostizierten Steuern gebunden. Durch diese Vorgehensweise sei es internationalen Konzernen möglich gewesen, so die Kommission, eigentlich steuerpflichtige Gewinne mithilfe verschiedener Tochtergesellschaften so innerhalb der Union zu verlagern, dass nur noch in demjenigen Mitgliedstaat Steuern zu zahlen waren, in dem bereits entsprechend günstige Vereinbarungen mit den Steuerbehörden getroffen worden waren. Außerdem bestand der Verdacht, Mitgliedstaaten könnten gegen das Gleichbehandlungsverbot verstoßen haben, indem sie nur gegenüber einzelnen, ausgewählten Großkonzernen vorteilhafte Steuervorbescheide erließen. Aufgrund einer fehlenden Verpflichtung der Staaten zur Veröffentlichung von Steuervorbescheiden bestand in dieser Hinsicht große Intransparenz.

     

    Die klagenden Unternehmen argumentierten hingegen, die Steuervorbescheide erfüllten gleich aus mehreren Gründen nicht den Verbotstatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Es fehle zunächst an der dafür benötigten Selektivität der staatlichen Maßnahmen, also an einer speziellen Begünstigung bestimmter Marktteilnehmer gegenüber anderen. Vorbescheide hätten die Steuerbehörden nach eigenem Ermessen mit allen Unternehmen schließen können. Außerdem hätten die Empfänger der Steuervorbescheide gar keinen erkennbaren finanziellen Vorteil erhalten. Damit liege schon begrifflich gar keine Beihilfe im europarechtlichen Sinne vor.

     

    Im Falle des vom Großherzogtum Luxemburg an Fiat Chrysler erteilten Steuervorbescheids wies das Gericht die Argumentation der Kläger zurück und bestätigte die von der Kommission geforderte Steuernachzahlung. Das EuG begründete eingehend, dass die Methodik der Kommission zur Feststellung eines finanziellen Vorteils durch einen Steuervorbescheid korrekt gewesen sei. Dazu sei die finanzielle Situation eines Unternehmens nach der üblichen gesetzlichen Besteuerung mit jener nach Erhalt eines Steuervorbescheids zu vergleichen. Die Kommission habe mit Recht das sogenannte „arm's length principle“ angewandt, um festzustellen, ob Verrechnungspreise innerhalb einer Unternehmensgruppe vergleichbar festgesetzt worden seien wie zwischen unabhängigen Marktteilnehmern. Ebenso seien alle Kriterien erfüllt gewesen, um die Selektivität des vom Unternehmen erhaltenen Vorteils vermuten zu können.

     

    Denselben Maßstab legte das Gericht in seiner Argumentation im Urteil zur Klagen der Niederlande und Starbucks an. Allerdings kam es auf deren Basis diesmal zum gegenteiligen Ergebnis, dass die Steuernachforderung der Kommission unrechtmäßig gewesen sei. Deren Begründung habe für die Annahme eines finanziellen Vorteils nicht ausgereicht.

     

    Abzuwarten bleibt, ob gegen die Urteile des Gerichts Rechtsmittel eingelegt werden. In diesem Fall würde sich der EuGH in letzter Instanz mit den Fällen beschäftigen. Das EuG wird sich jedoch auch in der Zukunft noch weiter mit der Frage der Rechtmäßigkeit von Steuerbeihilfen auseinander setzen. Insbesondere steht im Prozess des US-Tech-Unternehmens Apple gegen die von der Europäischen Kommission verhängte Rückzahlung von Steuervergünstigungen in Höhe von 13 Milliarden Euro das Urteil an; das Gericht hatte in den letzten Tagen über die Klagen Irlands und des Unternehmens mündlich verhandelt. Die nunmehrigen Urteile bedeuten, dass das Gericht im Grunde dem Ansatz der Kommission folgt.

     

    Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben, wenden Sie sich gerne an Dr. Rainer Bierwagen und Ramona Tax.

     

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