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    25.09.2025

    Anwaltshaftung bei Cum-Ex-Geschäften


    Der Ausschlusstatbestand der wissentlichen Pflichtverletzung, die bei der Managerhaftpflicht und der Berufshaftpflicht für Rechtsanwälte eine zentrale Ausschlussklausel darstellt, wurde in den vergangenen Jahren vor allem im Bereich der Managerhaftpflicht durch zahlreiche Gerichtsentscheidungen verschärft. Nun erfuhr er auch im Bereich der Anwaltshaftung eine Konkretisierung durch eine Entscheidung des Landgerichts München I im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften.

    Die Managerhaftpflicht (D&O) und die Berufshaftpflicht für Rechtsanwälte dienen dazu, existenzbedrohende Haftungsrisiken abzusichern. Doch beide Versicherungstypen enthalten eine zentrale Ausschlussklausel: die wissentliche Pflichtverletzung. Dieser Ausschlusstatbestand wurde in den vergangenen Jahren vor allem im Bereich der Managerhaftpflicht durch zahlreiche Gerichtsentscheidungen verschärft.

    Nun erfuhr er auch im Bereich der Anwaltshaftung eine Konkretisierung. Das Landgericht München I (4. April 2025, Az. 23 O 15360/21) hat im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften entschieden: Der Anwalt muss darauf hinweisen, dass die Finanzbehörden bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Steuererstattung als rechtswidrig und Steuerstraftat bewerten könnten. Das Unterlassen eines solchen Hinweises stellt die Verletzung einer elementaren Berufspflicht dar, die zum Verlust des Versicherungsschutzes führt.

    Anwaltshaftung bei Cum-Ex-Geschäften

    Streitgegenständlich waren Ansprüche aus einer deutschen Vermögenschadenhaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte. Der beklagte Versicherer gewährte einer Rechtsanwaltskanzlei (Versicherungsnehmerin) Versicherungsschutz nach deutschem Recht, für den Fall, dass die Versicherungsnehmerin für einen Vermögensschaden wegen eines Verstoßes verantwortlich gemacht wird, der bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit begangen wurde (eine sogenannte lokale Police). 

    In den Versicherungsbedingungen fand sich eine Regelung über den Ausschluss des Versicherungsschutzes bei wissentlichen Pflichtverletzungen. Für Schadensfälle, die nicht unter die lokale Police fallen oder deren Deckungssumme überschreiten, hatte die Versicherungsnehmerin ein globales Versicherungsprogramm abgeschlossen, das aus einer Grundpolice und mehreren Exzedenten-Policen bestand (eine sogenannte globale Police). 

    In den Geschäftsjahren 2006 bis 2010 beriet die Rechtsanwaltskanzlei im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften. Einen Hinweis auf das Risiko, dass die mehrfache Erstattung der nur einmal abgeführten Steuer rechtswidrig sein und damit eine Steuerstraftat darstellen kann, enthielten die verschiedenen rechtlichen Stellungnahmen der Versicherungsnehmerin nicht. 

    Die Aufdeckung der Hintergründe der Geschäfte durch die Finanzbehörden führte zu Steuerrückforderungen, welche die Insolvenz einiger Mandanten der Versicherungsnehmerin bewirkten. Die Insolvenzverwalter zweier dieser ehemaligen Mandanten nahm die Versicherungsnehmerin auf Schadenersatz in Anspruch. Die Rechtsstreitigkeiten endeten in einem Vergleich, der eine Zahlung in Höhe von 50 Mio. Euro an den Insolvenzverwalter vorsah. 

    Während sich die Versicherer der globalen Police an diesem Vergleich beteiligten, lehnte der Versicherer der lokalen Police eine Beteiligung mit dem Einwand des Vorliegens wissentlicher Pflichtverletzungen ab. Die Versicherer der globalen Police verklagten daraufhin den Versicherer der lokalen Police auf eine Beteiligung an dem Vergleich.

    Hinweispflicht als elementare Berufspflicht eines Anwaltes?

    Das Landgericht München I wies die Klage ab. Es gelangte zu der Auffassung, dass die Rechtsanwaltskanzlei wissentlich im Sinne der Versicherungsbedingungen gehandelt hat und daher unter der lokalen Police kein Versicherungsschutz besteht. Das Landgericht München I führt hierzu aus, dass wissentlich im Sinne der Versicherungsbedingungen handelt, wer die verletzte Pflicht positiv kennt. 

    Bedingter Vorsatz, bei dem der Versicherungsnehmer die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür ebenso wenig aus, wie eine fahrlässige Unkenntnis. Es muss feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat. Das Gericht stellte dabei klar, dass es für den Nachweis des Versicherungsausschlusses bei der Verletzung elementarer Berufspflichten ausreichend ist, wenn der Versicherer einen Sachverhalt vorträgt, der auf eine Wissentlichkeit der Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers zumindest hindeutet. 

    In seiner Entscheidung konkretisiert das Landgericht München I die elementaren Berufspflichten eines Anwalts. In Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften sei Gegenstand der Beratung nicht ein Marktgeschehen gewesen, bei dem es zufällig zu einer Steuererstattung kam, die zu einem Steuerausfall führte. Vielmehr war das Handeln aller Beteiligten zielgerichtet darauf angelegt, durch ein kollusives Zusammenwirken einen Gewinn zu generieren, der sich nur aus der mehrfachen Erstattung der nur einmal abgeführten Kapitalertragssteuer ergab. 

    Dabei war der wirtschaftliche und tatsächliche Hintergrund der Geschäfte dem beratenden Rechtsanwalt der Versicherungsnehmerin von Anfang an bekannt. Alle Beteiligten wussten von Anfang an um die Zielrichtung des Geschäfts. Dies leitete das LG München I unter anderem aus den Erkenntnissen des am Landgerichts Frankfurt am Main geführten Strafverfahrens ab. Nach Auffassung des Landgericht München I ist die Erstattung einer Steuer, die gar nicht abgeführt wurde, im deutschen Steuerrecht weder grundsätzlich noch in diesem besonderen Fall vorgesehen. 

    Der fehlende Hinweis eines Rechtsanwaltes, dass die Finanzbehörden bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Steuererstattung als rechtswidrig und als Steuerstraftat bewerten könnten, stellt vor diesem Hintergrund nach Auffassung des LG München I die Verletzung einer elementaren Berufspflicht dar. Diese Verletzung indiziert die Wissentlichkeit der Begehung. Mit dieser Begründung wies das Landgericht München I die Klage der übrigen Versicherer ab. 

    Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung bleibt scharfes Schwert

    Die Entscheidung des LG München I reiht sich in eine Vielzahl von Entscheidungen ein, die den Versicherern den Einwand wissentlicher Pflichtverletzung erleichtern. Sie dürfte allerdings für Gesprächsstoff sorgen, da sie Folgefragen auslöst. Die Berufsordnung der Rechtsanwälte sieht zahlreiche elementare Berufspflichten vor. Muss künftig bei einem Verstoß gegen solche immer eine wissentliche Pflichtverletzung angenommen werden? Dies dürfte wohl kaum der Fall sein. 

    Bei den bisherigen Gerichtsentscheidungen fällt auf, dass es jeweils Extremfälle waren, bei denen die Gerichte durchaus von einem Gerechtigkeitsdenken geleitet waren. Die Gerichte bejahten die wissentliche Pflichtverletzung nicht nur aus der bloßen Verletzung der jeweiligen Pflichtennorm, sondern infolge der Begleitumstände. Ein Versicherungsausschluss wegen Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung bleibt somit – auch bei Verstoß gegen elementare Berufspflichten – eine Frage der Beweiswürdigung.

    Dr. Florian Weichselgärtner

    Dieser Beitrag ist erstmals am 25. August 2025 im Versicherungsmonitor erschienen. Hier gelangen Sie zum Originalbeitrag.

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