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Durch das rechtliche Labyrinth der Videospielwelt: Entwicklungen aus 2023 und Ausblicke

Willkommen zurück im Games-Recht-Universum! Das Jahr 2023 liegt hinter uns, und was für ein Jahr es war! Wie schon im vergangenen Jahr wollen wir in einem juristischen "Speedrun" die prägendsten rechtlichen Entwicklungen im Bereich der Videospiele und des E-Sports beleuchten. Dabei fokussieren wir uns auf die Hauptquests und Easter-Eggs, zu welchen sich ein Abstecher (nach Auffassung unserer antagonistischen Avatare) am meisten lohnt.

Deutschland und Europa

Games-Recht setzt sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsmaterien zusammen. Insbesondere im digitalen Kontext stammen viele Vorschriften aus Europa. Dies führt zum Teil zu sehr komplexen rechtlichen Überlappungen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 9. November 2023 (Az. C-376/22) betont, dass EU-Mitgliedsstaaten im Anwendungsbereich der E-Commerce-Richtlinie (Richtlinie 2000/31/EG) – in diesem Fall Österreich mit dem Kommunikationsplattformgesetz – keine abstrakt generellen Maßnahmen erlassen können, die gegenüber Internetdiensten mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat greifen. Der E-Commerce-Richtlinie liegt das so genannte Herkunftslandprinzip zugrunde. Soll heißen: es gilt das Rechte des Landes, wo der Anbieter „herkommt“ (also seinen Unternehmenssitz hat). Das soll dem Ziel des Europäischen Binnenmarktes dienen, die Abschottung der Märkte verhindern und letztlich wohl auch das Leben erleichtern für Unter-nehmen in der EU, auch für Spieleentwickler und -publisher, da sie sich nicht mit allen EU-Rechtsordnungen befassen müssen, sondern nur mit ihrem „Heimatrecht“. Dieses Herkunftslandprinzip wurde in letzter Zeit immer wieder ausgehöhlt, weil Mitgliedsstaaten weitergehende Regelungen treffen wollten – einerseits, um ihre eigenen Bürger umfassend zu schützen, andererseits, damit die eigenen Unternehmen nicht gegenüber denen anderer EU-Staaten durch strengere Regeln benachteiligt werden. Dem hat der EuGH nun für die E-Commerce-Richtlinie Grenzen gesetzt, wobei gerade die E-Commerce-Richtlinie ohnehin durch den Digital Services Act in einen kohärenten und harmonisierten Rechtsrahmen überführt wird. Durchbrechungen des Herkunftslandprinzips befinden sich aber auch in einer Reihe nationaler Vorschriften wie solcher aus dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag, die dann ggf. auf den Prüfstand zu stellen sind (siehe nur VG Düsseldorf, Urt. v. 4.4.2023 – 27 K 3905/20)

Digitaler Safe Space

Die Harmonisierung der Rechte und Pflichten von Online-Spielen geht mit dem Gesetz über Digitale Dienste (Digital Services Act) mit großen Schritten voran. Im vergangenen Jahr standen viele Publisher vor der Herausforderung, ihre Spiele unter die Kategorien der Vermittlungsdienste des Digital Services Act zu subsumieren (beispielsweise Hosting-Dienst oder Online-Plattform). Dies ist schon deshalb ein Novum, weil mit der Eigenschaft als Vermittlungsdienst in der Vergangenheit vor allem Privilegierungen wie eine eingeschränkte Haftung durch das Host-Provider-Privileg einhergingen. Mit dem Digital Services Act greifen nun jedoch auch aktive Sorgfaltspflichten, bei deren Nichteinhaltung massive Bußgelder von bis zu sechs Prozent des Konzernjahresumsatzes verhängt werden können. Die Einordnung in die „richtige“ Kategorie ist dagegen alles andere als einfach. Neben einer technischen Betrachtung der einzelnen Funktionalitäten müssen fremde und eigene Informationen voneinander abgegrenzt werden. Ein besonderes Augenmerk liegt beispielsweise für Spiele mit nutzergenerierten Inhalten, Avataren oder serverseitig gespeicherten Replays auf der Frage, ob deren öffentliche Verbreitung eine untergeordnete Funktion darstellt. Ansonsten greifen eine Vielzahl zusätzlicher Pflichten, was mit personellem und technischem Mehraufwand verbunden sein wird. Im Einzelfall gibt es jedoch oft gute Argumente, dass ein Online-Spiel nicht direkt als eine Online-Plattform einzustufen ist.

Der Digital Services Act fungiert dabei auch als Grundgerüst für weitere Spezifikationen durch den Unionsgesetzgeber, etwa durch zusätzliche Regelungen zum Schutze Minderjähriger vor Cybergrooming.

Cheats, Hacks und Exploits

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Fall einer "Cheat-Software", die Spielabläufe auf Konsolen manipuliert, den EuGH um Klärung gebeten. Im Kern geht es darum, ob solche Software, die zwar nicht den Code des Spiels, aber Daten im Arbeitsspeicher verändert, als unzulässige Umarbeitung nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz gilt. Nachdem das Landgericht Hamburg bereits im Jahr 2012 der klagenden Spielevertriebsgesellschaft zunächst Recht gab, hob das Oberlandesgericht dieses Urteil im Jahr 2021 auf. Der BGH sucht nun beim EuGH nach Antworten, ob diese Eingriffe in den Schutzbereich des Urheberrechts fallen und als rechtswidrige Umarbeitungen anzusehen sind. Der BGH hat in der Vergangenheit bereits bestätigt, dass das Anbieten von Cheat-Software für Massively Multiplayer Games einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann. Diese Entscheidungen bleiben von dem laufenden Verfahren unberührt.

Auch darüber hinaus beschäftigten uns im vergangenen Jahr diverse Cheats, Hacks und Exploits in Videospielen. Das Thema ist für Publisher von massiver wirtschaftlicher Bedeutung und wird auch in Zukunft ein Dauerbrenner sein.

„Pastiches“ und nutzergenerierte Inhalte

In einem langwierigen Urheberrechtsstreit hat der Bundesgerichtshof (BGH) im September 2023 den EuGH um Klärung des Begriffs "Pastiche" gebeten. Dieser Begriff bezieht sich auf § 51a UrhG und Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe k) der Infosoc-Richtlinie (Richtlinie 2001/29/EG), wonach die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers möglich sein kann. Der Begriff wird dort aber nicht genauer definiert. Der EuGH muss nun entscheiden, ob auch das Sampling unter diese Ausnahmeregelung fällt und ob eine konkrete Absicht für die Nutzung vorausgesetzt wird. Eine genauere Konturierung des Begriffs "Pastiche" kann auch für Fan-Fiction oder nutzergenerierte Inhalte rund um Videospiele aufschlussreich sein, da dieser eine Nachahmung fremder Werke unter bestimmten Voraussetzungen gestattet.

Die wachsende Bedeutung nutzergenerierter Inhalte in Online-Spielen bringt sowohl Herausforderungen in der Plattformregulierung, wie bereits beim Digital Services Act (siehe oben unter "Digital Safe Space") diskutiert, als auch urheberrechtliche Fragestellungen mit sich. Rechtsverletzungen durch Nutzer auf Online-Spielplattformen rücken zunehmend in den Fokus. Auch ist es denkbar, dass ein nutzergenerierter Inhalt in einem Spiel eine Nachahmung einer Schöpfung eines anderen Nutzers darstellt. Auch dabei geht es oft um wirtschaftlich bedeutsame Positionen. Diese Entwicklungen erfordern eine verstärkte Überwachung von relevanten Kreativplattformen.

E-Sport

Im Bereich des E-Sports hat die Esports Integrity Commission (ESIC) aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen den ESIC-Verhaltenskodex und den Anti-Korruptions-Kodex disziplinarische Maßnahmen gegen mehrere E-Sport-Profis ergriffen, einschließlich lebenslanger Sperren.

Zusätzlich zu den Maßnahmen der ESIC gab es signifikante Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Louvre Agreement, einer wichtigen Vereinbarung im Bereich des professionellen Counter-Strike: Global Offensive (CS:GO). Das Team Astralis wurde von der ESL mit einer Geldstrafe von 100.000 US-Dollar belegt, weil es im Jahr 2021 gegen die Regeln des Louvre Agreement verstoßen hatte, indem es einen zukünftigen Mitarbeiter um Dienstleistungen bat, der zu diesem Zeitpunkt noch eine führende Position bei einem Mitbewerber innehatte.

Riot Games veröffentlichte im Dezember 2023 einen neuen E-Sports-Verhaltenskodex, der ab Januar 2024 für alle professionellen und semiprofessionellen Spieler, Trainer, Teambesitzer und für alle Wettbewerbe von Riot Games gilt. Der Verhaltenskodex enthält unter anderem Regelungen zur Gewährleistung der Integrität im eSport, indem Interessenkonflikte verhindert werden und ein sicheres Umfeld für alle Beteiligten geschaffen wird.

Die im Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien versprochene Gemeinnützigkeit des E-Sport wurde auch im Jahr 2023 trotz anderslautender Versprechen nicht umgesetzt.

Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) hat Stakeholder und Gesetzgeber im vergangenen Jahr massiv beschäftigt und wird dies auch weiterhin tun. Im Jahr 2023 war aus Sicht von Spieleunternehmen der Einsatz von generativer KI zur Erzeugung von Spielinhalten das zentrale Thema: Die Verringerung von rechtlichen Risiken einerseits (weil KI generierte Inhalte auch Rechte Dritter verletzen können), die Frage der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von KI-generierten Inhalten andererseits (die bisherige Rechtsprechung von US-Gerichten ist hier sehr zurückhaltend).

Im Dezember 2023 haben sich dann die Institutionen der Europäischen Union in den Trilogverhandlungen auf eine KI-Verordnung geeinigt, deren Veröffentlichung mit Spannung erwartet wird. Die KI-Verordnung verfolgt das Ziel, dass auf dem europäischen Markt eingesetzte KI sicher ist und mit den Grundwerten der EU im Einklang steht. Hieraus folgen auch für Publisher, die sich künstlicher Intelligenz bedienen wollen, Sorgfaltspflichten. Relevant kann im Spielebereich u.a. sein, dass „emotional recognition“ als Hochrisiko qualifiziert und einer besonders strengen Regulierung unterworfen wird.

Zudem können sich aus Spielen mit generativer KI neue jugendschutzrechtliche Risiken ergeben: Wenn Spielinhalte „on the fly“ durch generative KI erzeugt werden, können damit potenziell auch unvorhergesehene Inhalte entstehen.

Jugendschutz

Jugendschutz in Spielen war auch 2023 ein wichtiges Thema. Durch die überarbeiteten Prüfkriterien der USK zur Prüfung von digitalen Spielen, die auf das zuletzt im Jahr 2021 novellierte Jugendschutzgesetz zurückgehen, sind nunmehr auch sog. Nutzungsrisiken wie In-Game-Käufe oder Chatfunktionen bei der Überprüfung eines Spiels zu berücksichtigen. Dies hatte zur Folge, dass die jährliche Fußball-Sportsimulation von Electronic Arts (EA Sports FC24) erstmalig mit einer Altersfreigabe „Ab 12 Jahren“ versehen wurde. Dies ist auf die im Spiel enthaltenen Lootboxen zurückzuführen.

Die rechtliche Bewertung von Lootboxen ist bekanntlich seit Jahren ein Diskussionsthema. Für Schlagzeilen sorgten in diesem Zusammenhang diverse Urteile aus Österreich, wonach die Lootboxen u.a. von FIFA 23 als illegales Glücksspiel einzustufen seien. Ob dies auf die Rechtslage in Deutschland zu übertragen ist, ist fraglich, aber die Diskussionen über bezahlpflichtige Beutekisten wird auch im neuen Jahr nicht abreißen.

Geoblocking

Im September 2023 bestätigte das Gericht der Europäischen Union ein durch die Europäische Kommission verhängtes Bußgeld gegen Valve, den Betreiber der bekannten Spieleplattform Steam wegen unzulässigen Geoblockings. Geoblocking beschreibt die Praxis, den Zugang zu digitalen Inhalten aufgrund des geografischen Standorts des Nutzers zu beschränken. Im Falle von Valve bestätigte das Gericht die Auffassung der EU-Kommission, dass Valve zusammen mit anderen Anbietern bilateral ein Geoblocking vereinbart und durch die geografische Beschränkung von Spielaktivierungsschlüsseln Verbraucher daran gehindert hatte, das beste Angebot in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zu wählen.

Der EuGH hat mit Urteil vom 7. Dezember (Az. C-634/21) entschieden, dass eine Kreditwürdigkeitsprüfung durch die SCHUFA eine automatisierte Entscheidung im Sinne von Art. 22 DS-GVO darstellt, die grundsätzlich rechtswidrig ist. Laut EuGH ist ein Scoring nur dann zulässig, wenn es notwendig ist, eine Rechtsgrundlage besteht oder der Betroffene seine Einwilligung gibt. Der EuGH hat entschieden, dass eine Entscheidung im Sinne von Art. 22 DSGVO auch dann vorliegt, wenn diese automatisierte Bewertungsmaßnahmen enthalten kann, die die eigentliche Entscheidung erheblich beeinflussen. Das Urteil kann über den Einzelfall hinausgehende gravierende Auswirkungen (z.B. auf das automatisierte Bannen von Spielern) haben.

Verbraucherschutz

Im Verbraucherschutz ist immer was los. Bußgelder wurden trotz erster Untersuchungen durch die EU-Kommission nicht bekannt. Gleichwohl beschäftigen die Instanzgerichte oftmals verbraucherrechtliche Themen wie etwa Preisanpassungsklauseln, Widerrufsrechte und In-Game-Käufe Minderjähriger.
Der "Kündigungsbutton" bei Online-Verträgen war auch im Jahr 2023 ein Dauerbrenner bei den Verbraucherzentralen. Wir erinnern uns :

Auf nationaler Ebene gilt seit dem 1.7.2022 § 312k BGB nF, der vorsieht, dass für Verbraucher bei entgeltlichen Dauerschuldverhältnissen im elektronischen Geschäftsverkehr ein Kündigungsbutton bereitgehalten werden muss.

Aus einer Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) im vergangenen Jahr folgte, dass die Umsetzung auch weiterhin mangelhaft war. Mittlerweile existieren auch die ersten rechtskräftigen Urteile, die eine leichte Auffindbarkeit und eine Möglichkeit zur Kündigung ohne Login fordern.

More Mana more Problems

Das Landgericht Hamburg hatte es im Jahr 2023 mit einem Energydrink-Pulver für Gamer zu tun. Dieses wurde von dem Anbieter damit beworben, dass Gamer bessere Leistungs- und Konzentrationsfähigkeiten erhalten können. Verbraucherschützer und das Landgericht sahen hierin einen Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung (Verordnung 1924/2006/EG) und untersagten die Bewerbung.

Fazit

Die rechtliche Beratung und Betreuung bei Videospielen und im E-Sport war auch im Jahr 2023 wieder geprägt von einem dynamischen, komplexen, aber insbesondere farbenfrohen Umfeld mit stetig neuen Herausforderungen. Im Kontext sich stetig weiterentwickelnder Unionsrechtsakte gilt es, den Überblick zu behalten und das passende Loadout für den Run zu wählen. Angesichts der raschen technologischen Entwicklungen und der ständigen Veränderungen im digitalen Raum bleibt die Rechtslandschaft der Spielewelt ein spannendes und herausforderndes Feld, das kontinuierliche Aufmerksamkeit und Anpassungsfähigkeit erfordert.

P.S.: Wir suchen stets Referendare (w/m/d), die sich für diesen dynamischen Themenkomplex interessieren und Teil unseres Teams in Frankfurt werden wollen. Die Systemvoraussetzungen sowie aktuelle Angaben zum Loot befindet sich hier.

Dr. Andreas Lober
Daniel Trunk

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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