Special Purpose Acquisition Companies („SPACs“) sind Akquisitionsvehikel, die als leere Hüllen an die Börse gebracht werden, dabei Kapital einsammeln und dieses irgendwann für die Verschmelzung mit einem operativen Unternehmen aufwenden, das sich so den für ein operatives Unternehmen aufwendigeren Börsengang spart. Im Jahr 2020 sind 248 SPACs an die US-Börsen gegangen und haben rund USD 83 Mrd. an Kapital eingesammelt, das ihnen nun für die Übernahme von (meist) Tech-Unternehmen zur Verfügung steht.
Befand sich der Schwerpunkt der SPAC-Aktivität bisher eindeutig in den USA, so ist seit Ende 2020 eine signifikante Zunahme der Aktivitäten auch in Europa festzustellen. Beispielhaft seien das SPAC von Rocket Internet, die Gründung eines SPAC durch HelloFresh-Gründer Dominik Richter zusammen mit einem weiteren Investor, sowie der Auf- und Ausbau eines auf SPACs spezialisierten Beraterteams bei der Bank J.P. Morgan Chase genannt, die sich damit auf den ihrer Meinung nach bevorstehenden Übernahmeboom in Europa durch SPACs vorbereitet (Börsen-Zeitung, 17.02.2021, S. 9 bzw. 16).
Für den VC-Sektor in Deutschland und Europa sind das zunächst gute Nachrichten, da neben einem Trade Sale an einen privaten Investor/Käufer und dem klassischen IPO (Initial Public Offering („IPO“), das erstmalige Anbieten einer Aktie am Kapitalmarkt im Rahmen einer Kapitalerhöhung) nun eine dritte Exitmöglichkeit von relevantem Umfang existiert. Das verbessert für Start-ups und Scale-ups den Kapitalzugang und für Investoren die Flexibilität ihrer Strategie, je mehr sich SPACs als eine akzeptierte Exitvariante etablieren. Da die Anteile an den SPACs an den Börsen von jedermann erworben werden können, demokratisieren sie sogar Venture Capital- und Private Equity-Investments. Solche Investmentmöglichkeiten und -strategien stehen einem klassischen VC- oder PE-Fondsanleger sonst erst ab hohen Mindestinvestitionssummen offen.
Vor diesem Hintergrund mag sich manch ein Gründer oder Frühphaseninvestor fragen, ob der SPAC-Boom Auswirkungen auf die Equity-Story des eigenen Unternehmens haben kann. Die einfache Antwort darauf wäre: sofern es nicht kurz vor einem Exit steht, nein. Jedoch lohnt es sich, genauer hinzusehen und mögliche mittelbare Auswirkungen sowie Handlungsempfehlungen herauszuarbeiten, damit das Start-up im Fall des Falles optimal aufgestellt ist, um von dem über SPACs verfügbaren Kapital zu profitieren.
Zunächst empfehlen wir Gründern und Early Stage-Investoren, sich grundsätzlich mit der Möglichkeit auseinanderzusetzen, an einem gewissen Punkt der Equity Story das Unternehmen in ein SPAC einzubringen. Damit meinen wir natürlich nicht, dass man sich während der Arbeit an einem Proof of Concept schon detailliert mit dieser neuen Exitvariante auseinandersetzen soll. Man sollte aber die Möglichkeit kennen, dafür offen sein und entsprechend handeln. Denn sollte es irgendwann einmal soweit sein, muss es oft schnell gehen, so dass für die Transaktionssicherheit, also die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verschmelzung mit einem SPAC erfolgreich abgeschlossen wird, von großer Bedeutung sein wird, ob das Unternehmen als Übernahmekandidat kompatibel ist. In diesem Zusammenhang kommt es auf die operative und die rechtliche/finanzielle Struktur des Start-ups an.
Mit operativer Kompatibilität meinen wir die Selbstverständlichkeit, dass das Produkt bzw. der Service des Start-ups das Vertrauen des SPAC-Managements genießen muss. Zusätzlich gilt es betriebswirtschaftlich solide organisiert zu sein, was für die meisten Gründer, die wir kennen, ohnehin eine Selbstverständlichkeit ist.
Auf der rechtlichen Ebene lauten die Empfehlungen zunächst wenig anders als sonst:
Wir empfehlen ohnehin fast jedem Start-up, die eigene Dokumentation primär in englischer Sprache aufzusetzen (abgesehen natürlich von der Satzung oder sonstigen Dokumenten, die aus zwingenden Gründen (auch) auf Deutsch vorliegen müssen), um für ausländische Investoren im Rahmen einer Due Diligence einfacher geprüft werden zu können und dadurch für solche Investoren attraktiver zu sein. Diese Empfehlung gewinnt vor dem Hintergrund einer potenziellen Übernahme durch ein SPAC an Gewicht, weil selbst europäische SPACs häufig eine ausländische Rechtsform haben und somit ihrerseits die gesamte rechtliche Dokumentation auf Englisch vorhalten müssen oder es aus eigener Entscheidung faktisch tun.
Eine weitere bekannte Empfehlung ist, den Gesellschafterkreis klein oder zumindest leicht verwaltbar zu halten. Wenn bereits viele Gesellschafter existieren, angefangen von mehreren Gründern über Family & Friends, den ersten Business Angels und ggf. mehreren VC-Fonds, so kann man über Stimmenpools und entsprechende Sprecher und Vollmachten einem Käufer oder eben Übernehmer signalisieren, dass man daran gedacht hat, den eigenen Gesellschafterkreis so zu organisieren, dass die Übernahmegespräche effizient geführt werden können.
Ein weiteres Thema, das unabhängig vom Phänomen SPAC bei VC-Investoren und Start-ups bereits immer mehr Berücksichtigung findet, ist ESG. Unter Environmental, Social, and Corporate Governance („ESG“) werden im Grunde Nachhaltigkeitskriterien zusammengefasst, die bei der Tauglichkeit eines Unternehmens für ein Investment immer häufiger eine Rolle spielen, wenn nicht sogar schon entscheidend sind, zumindest wenn der Befund negativ ausfällt. Schließlich konnten ESG-konforme Unternehmen in der jüngeren Vergangenheit eine bessere Eigenkapitalrendite vorweisen als nicht ESG-konforme Unternehmen, so dass sich der Sinn von ESG nicht nur in einer besseren Reputation erschöpft. Da SPACs (1) börsennotierte und damit öffentliche Unternehmen sind, die (2) meist in einer angelsächsischen Rechtsform auftreten, und (3) der Übernahmekandidat nach abgeschlossener Übernahme automatisch ebenfalls ein öffentlich gehandeltes Unternehmen ist, stellt die Erfüllung der ESG-Kriterien eine zwingende Bedingung dar. Entscheidend kann in diesem Zusammenhang das Zeitmoment bei der Übernahme durch ein SPAC sein: Zumindest nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht (und die meisten derzeit aktiven SPACs unterliegen diesem) hat ein SPAC nur ein Zeitfenster von 18 Monaten ab seinem Börsengang, um eine Investition in ein geeignetes Unternehmen abzuschließen. Einen großen Teil dieses Zeitraums wird die Suche nach einem geeigneten Target einnehmen, so dass die Dauer des Transaktionsprozesses sehr relevant werden kann. Müssen ESG-Kriterien dann erst aufwendig implementiert werden, kann das aus Zeitnot ein Dealbreaker sein. Andererseits werden die Chancen eines Exits über ein SPAC sehr positiv beeinflusst, wenn ESG von Anfang an im Unternehmen gelebt und umgesetzt wird.
Es bedarf keiner ganz neuen Maßnahmen, um ein Start-up für die Übernahme durch ein SPAC „fit“ zu machen, sondern der bedachten Umsetzung von größtenteils bekannten Empfehlungen.
In einem Punkt sind SPACs schließlich selbst einem operativen Start-up sehr ähnlich: Da es sich um reine Akquisitionsvehikel handelt und zum Zeitpunkt des Börsengangs, also dann, wenn sich die Anleger zum ersten Mal entscheiden, ob sie Geld in das jeweilige SPAC investieren, überhaupt nicht feststeht, ob und wann die Übernahme eines vielversprechenden Unternehmens gelingt, kommt es für den Erfolg des SPAC fast ausschließlich auf die Fähigkeiten und das Netzwerk seines Managements bzw. der Initiatoren des SPAC an. Aus diesem Grund sind SPACs, die von erfolgreichen Unternehmern oder Investoren gegründet und an die Börse gebracht werden, besonders begehrt, sammeln überdurchschnittlich viel Geld ein und haben letztlich durch die größeren Mittel auch eine größere Auswahl an potenziellen Übernahmezielen. Für SPAC-Investoren gilt somit wie bei Investments in Start-ups, dass sie vor allem Vertrauen in das Team haben müssen.
Optimistisch könnte man mutmaßen: Vielleicht sorgt diese gemeinsame Benchmark, an der sich ein SPAC-Management und ein Gründerteam messen lassen müssen, dafür, dass ein vergleichbarer Mindset existiert und sich SPACs so über die Zeit zur idealen Exitvariante für Start-ups entwickeln.