Nach zähen Verhandlungen hat die Bundesregierung nun das lang erwartete Solarpaket I verabschiedet. Dieses Gesetz, das im Entwurf bereits im August 2023 vorlag und viele Hoffnungen auf eine Deregulierung im Bereich des Photovoltaikausbaus erweckte, war zuletzt zum Sorgenkind der einschlägigen Verbände geworden, die z. T. daran zweifelten, ob es überhaupt noch erlassen würde. Diese Befürchtungen haben sich nicht bestätigt, obgleich das jetzt verabschiedete Solarpaket I punktuell vom ursprünglichen Entwurf abweicht.
Im Fokus des Gesetzes stehen (auch) Verbesserungen beim Mieterstrom, die Einführung der "gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung" als neues Modell für die Stromlieferung von Photovoltaikanlagen ("PV-Anlagen") im Gebäude sowie die "unentgeltliche Abnahme" als neue Vermarktungsform. Durch diese Änderungen ist der gesetzliche Grundstein zur flächendeckenden autonomen Stromversorgung durch Photovoltaik auf Mehrfamilienhausdächern und in Gewerbegebäuden gelegt. Daraus ergeben sich neue Chancen für dezentrale Liefermodelle für Energieversorgungsunternehmen, aber auch die originären Teilnehmer des Immobiliensektors. Vermieter können selbst oder durch die Vermietung der Dachfläche weiteres Wirtschaftspotential ihrer Immobilie erschließen.
Im Einzelnen:
Während die Mieterstromförderung (§ 21 Abs. 3 EEG und 42a EnWG) nach derzeitiger Rechtslage nur für Solaranlagen auf Wohngebäuden zulässig ist, soll dies zukünftig auch auf gewerblichen Gebäuden und Nebenanlagen (wie Garagen) möglich sein. Der Ort, an dem Mieterstrom verbraucht wird, ist nicht mehr auf Wohngebäude beschränkt.
Außerdem wurde durch das Solarpaket die maximale Laufzeit der Mieterstromverträge geändert: Sie wurde von einem auf zwei Jahre angepasst. Begrüßenswert ist ebenfalls, dass die Maximalvertragsdauer nunmehr nur dann gilt, sofern es sich beim Stromkunden um einen Verbraucher handelt.
Kehrseite dieser Deregulierung ist, dass Anlagenbetreiber und Letztverbraucher fortan nicht einem Unternehmensverbund angehören dürfen (Anlagenbetreiber müssen diesbezüglich eine Eigenerklärung abgeben). Hiermit sollen etwaige Förderungsmissbräuche verhindert werden.
Sowohl im Rahmen der gewerblichen als auch der Wohnraumvermietung wurde bislang häufig aufgrund der bestehenden regulatorischen Hürden auf die Inanspruchnahme des Mieterstromzuschlags verzichtet. Der geringe Förderbetrag rechtfertigte oft nicht die damit einhergehenden Verwaltungs- und Beratungskosten. Durch die genannten Liberalisierungen wird das Mietstrommodell nun insgesamt attraktiver.
Ein neues Liefermodell ist mit der "Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung" (§ 42b Abs. 1 EnWG) eingeführt worden. Das Modell steht unabhängig neben dem Mieterstrommodell und soll aufgrund der Befreiung vieler Lieferantenpflichten eine bürokratiearme Lieferung von Solarstrom innerhalb eines Gebäudes ermöglichen. Insbesondere besteht für den Betreiber der Gebäudestromanlage (Solaranlage) keine Pflicht zur Reststromlieferung.
Allein aufgrund der viertelstündlichen Messung (Strombezugsmengen des Letztverbrauchers müssen viertelstündlich gemessen werden), der Bestimmung des Aufteilungsschlüssels und der Zuordnung der Mengen zu den einzelnen Kunden stellen sich aber durchaus komplexe Fragen der Umsetzung.
Die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (§ 42b EnWG) soll neben dem Mieterstrom (§ 42a EnWG) ein eigenständiges Modell für den erzeugungsnahen Verbrauch von Strom aus PV-Anlagen werden. Im Gegensatz zum Mieterstromlieferanten muss der Stromlieferant bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung keine Vollversorgung anbieten. Dadurch entfällt die Pflicht, einen Vertrag über den Bezug von Reststrom für die Mieter abzuschließen und über eine Mischkalkulation abzurechnen. Aufgrund dieser und der Befreiungen von einigen Lieferantenpflichten ist bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung – in Abgrenzung zum Mieterstrommodell – jedoch auch keine zusätzliche Förderung der gelieferten Strommengen vorgesehen. Die Einspeisung von Überschussstrom in das Netz wird dennoch wie gewohnt nach dem EEG vergütet, sofern nicht die unentgeltliche Abnahme gewählt wird.
Die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung könnte sich daher als unkompliziertere Versorgungsalternative, insbesondere in Wohn- oder gemischt genutzten Gebäuden, etablieren.
Die Direktvermarktung von Überschussstrom stellte bislang eine Hürde für viele Projektierer dar, die ihre Anlagen absichtlich unterdimensionierten, um die Pflicht zur Direktvermarktung zu umgehen. Diese Pflicht greift nunmehr erst bei Anlagen mit einer installierten Leistung ab 200 kWp.
Solaranlagen im Segment 100 – 200 kWp können nun der unentgeltlichen Abnahme als Vermarktungsform zugeordnet werden. Für den eingespeisten Strom erhalten die Anlagenbetreiber keine Vergütung, müssen ihn aber auch nicht direktvermarkten lassen. Es liegt auf der Hand, dass diese Vermarktungsform nur dann sinnvoll ist, wenn ein sehr hoher dezentraler Verbrauch des Solarstroms absehbar ist.
Insbesondere Gewerbeimmobilien bieten mit ihren großen Dachflächen ein bislang kaum ausgeschöpftes Flächenpotential für PV-Anlagen. Mit dem Solarpaket I werden wichtige Verbesserungen für die dezentrale Stromversorgung im Gebäudebereich umgesetzt. Es sorgt für eine Entbürokratisierung, öffnet weitere Dachflächenpotentiale und ermöglicht mehr Teilhabe durch Erweiterung der Lieferungsoptionen von Projektierern.
Dieses Potenzial kann jedoch noch weiter ausgeschöpft werden: So stehen, auch nach Meinungen der Verbände aus der jüngsten Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie am 22. April 2024, noch einige Weichenstellungen aus. Zu diesen gehört etwa ein Rechtsrahmen für das Energy-Sharing, die Bemessung der Direktvermarkungsgrenze nach eingespeister Strommenge und eine Konkretisierung der Voraussetzungen für das Gewerbesteuerprivileg.
Nach dem Solarpaket I das Solarpaket II!
Einen Beitrag zu weiteren Verbesserungen für Solaranlagen finden Sie hier.