Unabhängig von der gegenwärtigen Covid-19-Pandemiesituation ist der essentiellste Faktor bei der Suche nach neuen Investoren und/oder Business Angels der der Zeit: Nur der Zeitfaktor bestimmt, wann und ob überhaupt Geld fließt. Zeitliche Unwägbarkeiten können das benötigte Investment verhindern, dieses zumindest aber (schwerwiegend) verschleppen. Diese Verzögerung wird zwangsläufig die Verhandlungsposition des Ventures verschlechtern, da potentiellen Investoren der benötigte Finanzbedarf bekannt sein wird.
Trotz zahlreicher Vorteile ist im deutschen Venture Capital Sektor der Geldmittelzufluss durch die gesellschaftsvertragliche Schaffung sog. genehmigten Kapitals (vgl. § 55 GmbHG), sollte das benötigte Finanzierungsvolumen der „ersten“ Finanzierungsrunde noch nicht erreicht werden, weiterhin selten zu sehen.
Im Rahmen einer Venture Capital Beteiligung von bereits beteiligten Investoren sowie bei der Suche nach neuen Investoren bis zu einer bestimmten Deadline bietet es sich an, zusätzliche Investoren den Beitritt zum Beteiligungsvertrag und damit zur Gesellschaft vorzubehalten. Dies geschieht bei der GmbH durch ein sog. Second Closing, welches durch genehmigtes Kapital umgesetzt wird. Hier wird der GmbH benötigte Liquidität zur Verfügung gestellt, und im Gegenzug findet in simplifizierter Form eine Anteilsausgabe an den (Neu-)Investor statt.
Wenngleich zeitliche Vereinfachungen für alle Beteiligten die Folge sind, bedarf es in einem ersten Schritt eines aufmerksamen und akkuraten Vertragsdraftings.
Dem Grunde nach vereinbaren die Gesellschafter des ersten Finanzierungsvollzugs (Closing), dass weitere Investoren oder solche aus dem bereits existierenden Gesellschafterbestand neue Anteile zeichnen können, ohne dass dies später weiterer Gesellschafterbeschlüsse bedarf. Als Folge dessen wird (zumeist) die Geschäftsführung der GmbH ermächtigt, nach den von den Gesellschaftern gesetzten Bedingungen, innerhalb der nächsten – höchstens – fünf Jahre, das Stammkapital der Gesellschaft um – maximal – 50 Prozent des bisherigen Stammkapitals zu erhöhen. Dieser satzungsändernde Gesellschafterbeschluss (notarielle Beurkundung sowie satzungsändernde Mehrheit erforderlich, vgl. § 53 Abs. 2 GmbHG) wird zum Handelsregister angemeldet und folglich neuer Bestandteil des dann geltenden Gesellschaftsvertrages.
Flankiert wird die Schaffung des genehmigten Kapitals bei Venture Capital Finanzierungen durch die Platzierung weiterer Regelungen in der gesamten Beteiligungsdokumentation, u. a. dem Investor Agreement und/oder dem Shareholders' Agreement. Dabei sollte der gesamte von den Gesellschaftern gewollte Inhalt abschließend Eingang in die Beteiligungsdokumentation finden. Dies erfordert sorgsames Vorgehen beim Vertragsdrafting, um spätere (gesellschaftsvertragliche) Änderungen möglichst auszuschließen.
Was sollte daher unbedingt – vorab – geregelt werden?
Der Vollzug des Second Closing erfolgt sodann durch die Geschäftsführung oder benannte Investoren. Die Übernahme der neuen Geschäftsanteile erfolgt aus der notariell beglaubigten Übernahmeerklärung des (Neu-)Investors und einer Annahmeerklärung der Gesellschaft (formlos). In der Folge wird die Kapitalerhöhung durch die Geschäftsführung zum Handelsregister angemeldet sowie eine Liste der Übernehmer und neue Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht. Parallel wird durch diese Anmeldung, eine Änderung des Gesellschaftsvertrages vorgenommen, da sich das Stammkapital folglich erhöht.
Vorteile
Die Schaffung der Möglichkeit eines Second Closing zu wirtschaftlich identischen bzw. bereits festgelegten Bedingungen lässt Foundern und ihren Investoren die notwendige Zeit zur Auswahl und Verhandlung mit (Neu-)Investoren. Da die entscheidenden Parameter bereits in Stein gemeißelt sind, besteht Planungssicherheit, und die Founder haben die Möglichkeit ohne Beteiligung des gesamten Gesellschafterkreises ihre Auswahl des Neuinvestors zu treffen. Der (Neu-)Investor müsste nachverhandeln bzw. von einer Beteiligung Abstand nehmen, wäre er mit den Bedingungen des genehmigten Kapitals nicht einverstanden. Die Möglichkeiten, hier bereits (Notar-)Kosten einzusparen verglichen mit dem Venture Capital Beteiligungsprozess einer gewöhnlichen Beteiligungsrunde, sind enorm.
Nachteile
Demgegenüber steht die Sorge, die Bedingungen in der ersten Runde nicht richtig eingeschätzt zu haben oder schlichtweg falsch entworfen zu haben. Das genehmigte Kapital und das Wording seiner Bedingungen bedarf äußerster Sorgfalt bei der Bewertung des Ventures sowie im Vertragsdrafting, da die wirtschaftlichen Parameter später nicht oder nur mit größerem Aufwand änderbar sind.
Wenngleich die tatbestandlichen Voraussetzungen eines genehmigten Kapitals von Gesetzes wegen klar zu sein scheinen, sind bei der Schaffung die genauen Intentionen der Gesellschafter wiederzugeben. Dies erfordert gute Beratung im Vorhinein und als Folge eine gute vertragliche Umsetzung. Ferner sind bereits vor Schaffung des genehmigten Kapitals die Formvorschriften zu beachten, die mit einer möglichen Änderung des Gesellschaftsvertrages verbunden sind. Nur wenn dies alles beachtet wird, kann das Second Closing eine Chance sein, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Dr. Sebastian Weller / Markus Schönherr