Ein Unternehmer darf sich im Hinblick auf die aufsichtsrechtliche Zulässigkeit seines Handels auf den Rat eines Fachanwalts für Bank- und Kapitalmarktrecht verlassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) verneint einen Schadenersatzanspruch wegen unterlauter Handlung infolge fehlender KWG-Erlaubnis.
Der BGH entschied am 20.03.2025 (Az. III ZR 261/23) zu der Frage der Notwendigkeit eine Banklizenz und den Anforderungen an eine qualifizierte Nachrangabrede. Hintergrund war eine gescheiterte Kapitalanlage. Der Beklagte schloss mit interessierten Anlegern wie dem Kläger Darlehen ab, mit deren Valuta er Immobilien erwarb. Mit den damit erzielten Gewinnen sollten die Darlehen nebst Zinsen zurückgezahlt werden. Eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte der Beklagte nicht. Nachdem die Staatanwaltschaft Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz (KWG) aufnahm, erarbeitete der Beklagte ein neues Konzept der Anlageform auf Basis der grundsätzlich aufsichtsrechtlich erlaubnisfreien Nachrangdarlehen. Dabei wurde er von einem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht beraten. Das Berufungsgericht stufte auch die neu gestalteten Darlehensverträge mit der Nachrangklausel als unerlaubtes Einlagengeschäft im Sinne des von § 1 Abs. 1 Satz 1, § 32 Abs. 1 S. 1 Kreditwesengesetz (KWG) ein. Das Gericht führte dabei aus, die Nachrangabrede sei nach § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 S. 2 BGB unwirksam, weil die Voraussetzungen für deren Anwendung nicht klar umrissen seien.
Der BGH stellte fest, dass Einlagen und anderen unbedingt rückzahlbaren Geldern des Publikums im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG gemein sei, dass der Kapitalgeber die eingezahlten Gelder bei Fälligkeit ohne zusätzliche Voraussetzung jederzeit wieder zurückfordern kann. Hieran fehle es, wenn zwischen dem Kapitalgeber und dem Kapitalnehmer eine sogenannte qualifizierte Nachrangabrede des Inhalts getroffen wird, dass die Forderung des Kapitalgebers außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus ungebundenem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämtlicher normaler Insolvenzgläubiger befriedigt werden kann. Eine solche Abrede steht der Annahme einer Einlage oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums und damit eines Einlagengeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG entgegen.
Voraussetzung sei allerdings, dass die qualifizierte Nachrangabrede wirksam ist. Ist die Klausel zum Beispiel intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 BGB, bleibt es bei dem ohne einen solchen qualifizierten Rangrücktritt bestehenden unbedingten Auszahlungsanspruch und damit der Erlaubnispflicht nach § 32 KWG. Eine solche Klausel ist nur dann hinreichend transparent, wenn aus ihr
klar und unmissverständlich hervorgehen. Dies erfordert, dass die Voraussetzungen der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre hinreichend deutlich erläutert werden, insbesondere die Klausel klarstellt, inwieweit die Ansprüche aus dem Darlehen bereits dann nicht mehr durchsetzbar sind, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Leistungsverlangens bereits zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder dies zu werden droht.
Der BGH stellte zwar im Ergebnis fest, dass es nicht auf die Wirksamkeit der Nachrangklausel ankommt (siehe dazu unten), bestätigte aber grundsätzlich die Anwendung des AGB-Rechts und die oben dargestellten Kriterien für die AGB-rechtliche Kontrolle der vertraglichen Nachrangvereinbarungen. Grundsätzlich können ein Gläubiger und ein Schuldner den Inhalt und Umfang eines Rangrücktritts frei vereinbaren. Die Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts führt allerdings zu Schuldänderung (§ 311 Abs. 1 BGB). Diese ist insolvenzrechtlich darauf gerichtet, dass die Forderung des Gläubigers nicht mehr passiviert wird und nur im Falle eines die Verbindlichkeit übersteigenden Aktivvermögens befriedigt werden darf. Eine Aufhebung der Vereinbarung ab Insolvenzreife kann durch reine Abrede zwischen Gläubiger und Schuldner nicht mehr bewirkt werden, da diese Abrede andere Gläubiger begünstigt. Eine mit qualifiziertem Rangrücktritt versehene Forderung kann nach Zahlung als eine Leistung ohne Rechtsgrund zurückgefordert werden nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB und ist als unentgeltliche Leistung anfechtbar.
Die Besonderheit des Falles bestand allerdings darin, dass der Beklagte sich von einem Anwalt beraten ließ und davon ausging, dass seine Geschäfte rechtlich zulässig und nicht erlaubnispflichtig seien. Er war der Ansicht seiner Erkundigungspflicht nachgegangen zu sein, denn er konnte davon ausgehen, dass die vom Fachanwalt erteilte Auskunft objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtlage erfolgte. Welche Anforderungen an die Klärung der Erlaubnispflicht zu stellen sind und wie eine etwaige Rechtsauskunft oder -beratung ausgestaltet sein muss, damit der Handelnde sich darauf verlassen kann, ist vom Einzelfall abhängig. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass sich der Beklagte auf die vom Anwalt erteilte Auskunft verlassen konnte und keine eigenen weiteren Erkundigungspflichten, wie eine Anfrage bei der BaFin, unternehmen musste. Einer Plausibilitätskontrolle der rechtlichen Richtigkeit der Ausarbeitung des Anwalts, wie sie der Kläger mit Hinweis auf ein Urteil des BGH vom 20. September 2011 (Az. II ZR 234/09) fordert oder gar eines schriftlichen Gutachtens bedurfte es vorliegend nicht. Anlass, die zugrunde liegende Rechtslage zu überprüfen, hatte der Beklagte als rechtlicher Laie nicht. Dass es bei der Ausarbeitung eines Gestaltungskonzepts durch einen Rechtsanwalt stets einer detaillierten Darlegung des Beratungsgesprächs oder der Vorlage eines ergänzenden schriftlichen Gutachtens bedürfte, ist dem oben genannten Urteil nicht zu entnehmen. Dies würde die an den Mandanten zu stellenden Anforderungen überspannen.
Zusammenfassend ist das Urteil hinsichtlich zweierlei Gesichtspunkte interessant:
Zum einen wird der Umfang der Erkundigungspflicht eines Anbieters von Anlagegeschäften im Hinblick auf die aufsichtsrechtliche Zulässigkeit seines Handels umfassend erläutert. Eine Auskunft bei der BaFin ist dann nicht einzuholen, wenn sich der Anbieter auf seine Berater verlassen konnten und es keinen Anlass gab, die Kompetenz der Beratung in Frage zu stellen. Zum anderen werden nochmal die Anforderungen an einen qualifizierten Rangrücktritt zusammengefasst, insbesondere im Hinblick auf eine Kontrolle nach den Regelungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Dr. Nadejda Kysel