Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) hat am 22. November 2024 den Deutschen Bundesrat passiert, ohne dass der Vermittlungsausschuss angerufen wurde. Damit wird das Gesetz – wie vom Bundestag verabschiedet – am 1. Januar 2025 in Kraft treten. Im folgenden Beitrag fassen wir wesentliche Inhalte der Krankenhausreform zusammen. Dabei gehen wir insbesondere auf die arbeitsrechtlichen Herausforderungen ein, die aufgrund der Neuregelungen zu erwarten sind.
Die Inhalte der aktuellen Reform werden von den Beteiligten des deutschen Gesundheitssystems kontrovers diskutiert. Über das „Ob“ einer Reform herrscht jedoch bei den allermeisten Akteuren der Gesundheitswirtschaft Einigkeit. Hintergrund der Reform sind insbesondere eine im OECD-Vergleich sehr hohe Krankenhausdichte in Deutschland (aktuell: 1874 Krankenhäuser), eine hohe Bettenzahl bei gleichzeitig geringer Auslastung, eine trotz hoher Kosten als nicht optimal empfundene Versorgungsqualität, der Fachkräftemangel (vor allem im pflegerischen Bereich), die älter werdende Bevölkerung sowie die sich akut verschärfende Finanzierungslage vieler Krankenhäuser (Stichwort: steigende Insolvenzen).
Um den vorgenannten Herausforderungen zu begegnen, hat der Deutsche Bundestag das von der Bundesregierung eingebrachte „Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen“ (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – kurz: KHVVG) verabschiedet. Wesentliche Schwerpunkte der Reform sind:
Eine wesentliche Strukturänderung erfährt das Krankenhauswesen durch die Einführung der sogenannten Leistungsgruppen. Das medizinische Spektrum der Krankenhäuser wird infolge der Reform in
65 Leistungsgruppen, z.B. Leistungsgruppe 33 (= Pankreaseingriffe) und 35 (= Augenheilkunde) abgebildet.
Anders als bisher wird zukünftig nicht mehr jedes Krankenhaus alle Behandlungen anbieten und durchführen dürfen. Mit dem bisherigen Grundsatz „Alle machen alles“ ist es vorbei. Die Bundesländer und deren Planungsbehörden werden den Kliniken Leistungsgruppen zuweisen. Ob ein Krankenhaus eine bestimmte Leistungsgruppe erhält, hängt dabei maßgeblich von dessen technischer und – vor allem – fachärztlicher und pflegerischer Ausstattung ab.
Erfüllt ein Krankenhaus die Mindestanforderungen nicht (z.B. weil es zu wenig spezialisierte Fachärzte in der jeweiligen Leistungsgruppe beschäftigt) wird der Krankenhausträger diese Leistungen künftig nicht mehr durchführen können. Mit dieser Maßnahme soll die Qualität der Versorgung gestärkt werden. Es ist zu erwarten, dass sich damit der bereits bestehende Trend zur Spezialisierung fortsetzt.
Auf die Personalabteilungen der Kliniken kommt durch die Einführung der Leistungsgruppen vermutlich viel Arbeit zu. Kleinere, weniger spezialisierte Häuser werden einzelne Abteilungen umbauen oder gar schließen müssen. Die großen Versorger in den Ballungsräumen (insbesondere die Universitätskliniken) werden hingegen Patientinnen und Patienten hinzugewinnen und ihre hochspezialisierten Abteilungen weiter ausbauen. Arbeitsrechtlich wird dieser Prozess mit Aufhebungsverträgen und ggfs. (betriebsbedingten) Kündigungen auf der einen Seite sowie mit Einstellungen auf der anderen Seite einhergehen.
Wahrscheinlich sind zudem verstärkte Kooperationen zwischen einzelnen kleineren und größeren Häusern beim Personal. Bei derartigen Kooperationen sind arbeitsrechtlich stets die Anforderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) im Auge zu behalten.
In einigen Fällen wird es auch einen Totalumbau einzelner Häuser geben, z.B. in Form einer deutlichen Verkleinerung des bisherigen Krankenhauses hin zu einem Medizinischen Versorgungszentrum, welches sich auf bestimmte Fachrichtungen konzentriert. In manchen (vor allem ländlichen) Regionen werden zudem Krankenhäuser geschlossen, Kliniken fusioniert und neuere (größere und zentral gelegene) Krankenhäuser entstehen. Dieser Prozess wirft umfassende gesellschaftsrechtliche, aber auch arbeitsrechtliche Themen auf: z.B. Betriebs(teil)übergänge nach
§ 613a BGB, Zulässigkeitsfragen zu Versetzungen, Interessensausgleichs- und Sozialplanverhandlungen mit den Mitarbeitervertretungen (Betriebs-, Personalräte, MAV).
Die Krankenhausreform schafft zudem erhebliche Änderungen bei der Krankenhausfinanzierung. Das seit der letzten großen Reform 2003 geltende DRG-System wird dahingehend verändert, dass die bisherigen Fallpauschalen (Beispiel: Krankenhaus erhält Betrag X für eine bestimmte OP) durch eine sog. Vorhaltevergütung ergänzt werden. Die Krankenhäuser erhalten hierbei einen bestimmten Betrag dafür, dass sie feststehende Behandlungen innerhalb einer ihnen zugeordneten Leistungsgruppe abstrakt anbieten („vorhalten“). Fehlanreizen im bisherigen System (möglichst viele „teure“, ggfs. aber nicht notwendige Eingriffe) soll auf diese Weise begegnet und die Effizienz gesteigert werden.
Der strukturelle Umbau der Krankenhäuser wird außerdem durch die Schaffung des sog. Transformationsfonds unterstützt. Dieser soll über 10 Jahre hinweg insgesamt EUR 50 Mrd. bereitstellen und Vorhaben der Kliniken absichern.
Die Reform bei der Finanzierung und den Entgelten kommt jedoch erst schrittweise. Weder die Vorhaltefinanzierung noch der Transformationsfond wird die akute finanzielle Schieflage einzelner Krankenhäuser beheben. Dies ist unter anderem ein Kritikpunkt an Professor Lauterbachs Reformpaket. Für Arbeitsrechtler und insbesondere Insolvenzarbeitsrechtlerinnen heißt das: die derzeit um sich greifende Schließungs- und Restrukturierungswelle wird erst einmal weitergehen. Viele kleinere, nicht zuletzt kommunale/freigemeinnützige Träger können sich kaum noch über Wasser halten. An diesem Zustand wird das KHVVG kurzfristig, also in den nächsten Monaten und im Jahr 2025 nichts ändern.
Hier gilt weiterhin: Die Geschäftsführungen der Krankenhäuser sollten frühzeitig Sanierungsmaßnahmen einleiten. Einen möglichen Sanierungsweg (z.B. bei der Spezialisierung auf bestimmte Behandlungen und Eingriffe) bietet dabei das sogenannte Schutzschirmverfahren. Dabei handelt es sich um einen besonderen Fall der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren. Der große Vorteil: Das Management bleibt im Amt und handlungsfähig. Es wird kein (!) Insolvenzverwalter bestellt, sondern lediglich ein Sachwalter. Arbeitsrechtlich steht für den notwendigen (Personal)umbau der gesamte Instrumentenkasten der Insolvenzordnung (also insbesondere Insolvenzgeld, verkürzte Kündigungsfristen, Beschränkung des Sozialplanvolumens) zur Verfügung.
Das KHVVG setzt auch in anderen Bereichen auf strukturelle Veränderungen. So sind sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen geplant. Ebenso wird die Ambulantisierung von Krankenhäusern vermutlich zunehmen. Das für das deutsche Gesundheitswesen typische duale System – d.h. die Trennung zwischen Krankenhausversorgung einerseits und ambulanter ärztlicher Versorgung andererseits – wird durchlässiger. In diesem Zusammenhang ist aus arbeitsrechtlicher Sicht wiederum auf die Einhaltung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zu achten.
Das KHVVG wird die deutsche Krankenhauslandschaft verändern. Diese Veränderung ist bereits im Gange (Stichwort: kalte Marktbereinigung). Durch das Gesetz wird im Idealfall ein unkontrolliertes Krankenhaussterben verhindert. Fest steht aber auch: die Zahl der Einrichtungen wird abnehmen und das Leistungsspektrum der Krankenhäuser wird sich ändern. Dieser Umbauprozess betrifft ganz maßgeblich das ärztliche Personal. Für die Pflege steht eine große Gesetzesreform noch aus. Aus arbeitsrechtlicher und HR-Sicht gibt es daher in den kommenden Jahren mit Sicherheit viel zu tun.
Das KHVVG steckt für die angedachten Reformen zudem in weiten Bereichen nur den Rahmen ab. Die Details werden noch durch diverse Verordnungen und insbesondere die weitere Krankenhausplanung der Länder konkretisiert. In gesundheitspolitischer Hinsicht ist außerdem damit zu rechnen, dass es – unabhängig vom Ausgang der nächsten Bundestagswahl – weitere Veränderungen geben wird. Hier gilt es, die kommenden Entwicklungen aufmerksam zu beobachten.