Vor wenigen Tagen ist die 10. GWB-Novelle in Kraft getreten. Damit werden sich deutsche Krankenhäuser und deren Fachrichtungen bis mindestens Ende 2027 deutlich leichter zusammenschließen können als bislang.
Die Fusionskontrolle im Krankenhausbereich zielt darauf ab, den Wettbewerb um die Qualität der Patientenversorgung zu erhalten. Das Bundeskartellamt beanstandet Krankenhausfusionen regelmäßig, wenn die Beteiligten gemessen an den Fallzahlen in der betroffenen Region einen gemeinsamen Marktanteil ab 50 Prozent haben. Den Beteiligten bleibt dann die Wahl, ob sie ihr Vorhaben "freiwillig" aufgeben oder eine Untersagung des Vorhabens riskieren.
In den letzten 15 Jahren scheiterte im Schnitt eine Krankenhausfusion pro Jahr am Bundeskartellamt. Zuletzt traf es die Vorhaben Ameos/Sana Kliniken Ostholstein und Cellitinnen Süd/Cellitinnen Nord. Selbst wenn das Bundeskartellamt im Ergebnis keine Bedenken äußert, so gehen dem oft aufwändige Untersuchungen der betroffenen regionalen Märkte für akutstationäre Krankenhausleistungen voraus.
Die 10. GWB-Novelle nimmt nun standortübergreifende Konzentrationen von mehreren Krankenhäusern oder einzelnen Fachrichtungen bis Ende 2027 von der deutschen Fusionskontrolle aus. Die Beteiligten vermeiden also nicht nur das Risiko einer Untersagung, sondern sogar die Anmeldung und das anschließende Verfahren beim Bundeskartellamt. Notwendig ist lediglich eine kurze Nachricht an das Bundeskartellamt nach Vollzug.
Dieses Privileg genießen Zusammenschlüsse von akutstationären Versorgungseinrichtungen allerdings nur, soweit sie aus dem Krankenhausstrukturfonds gefördert werden. Erforderlich ist dabei eine tatsächliche Förderung (Auszahlungsbescheid); eine bloße Förderungsfähigkeit genügt nicht.
Auch sonst bringt die 10. GWB-Novelle keine allgemeine Bereichsausnahme für Krankenhäuser. Sie unterliegen daher bei sonstigen Zusammenschlüssen weiterhin der Fusionskontrolle, bei Kooperationen weiterhin dem Kartellverbot und, im Fall von Marktbeherrschung, bei ihrem Verhalten gegenüber Lieferanten, Kunden und Wettbewerbern dem Missbrauchsverbot.
Insbesondere lässt sich aus der neuen Ausnahme von der Fusionskontrolle für Konzentrationen nicht in einer Art Erst-Recht-Schluss eine Ausnahme vom Kartellverbot für Kooperationen ableiten. Vielmehr müssen Krankenhäuser auch künftig im Wettbewerb selbstständig auftreten. Kooperationen, etwa beim Einkauf oder bei der Nutzung von medizinischen Großgeräten, sollten vorab kartellrechtlich belastbar geprüft werden. Das gilt selbst für Bereiche, in denen eine Förderung aus dem Krankenhausstrukturfonds möglich ist, wie Ausbildung und IT.
Die neue Ausnahme löst den Widerspruch bei der Konsolidierung der deutschen Krankenhauslandschaft zwischen staatlicher Förderung und staatlichem Verbot. Sie bringt aber keinen kartellrechtlichen Freifahrtschein mit sich. Im Gegenteil: Wir erwarten, dass das Bundeskartellamt künftig seine übrigen Instrumente stärker nutzen wird, um so weiterhin wirksamen Wettbewerb bei akutstationären Krankenhausleistungen zu gewährleisten. Schließlich fällt auch die fusionskontrollrechtliche Regulierung durch das Bundeskartellamt nicht ersatzlos weg; vielmehr verlagert sie sich faktisch hin zu einer Regulierung durch die Landesbehörden im Rahmen der Förderbewilligung aus dem Krankenhausstrukturfonds.