Am 17. Juni 2024 veröffentlichte der Rat der Europäischen Union seinen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung der Korruption ("Korruptions-RL-E"). Ziel des Korruptions-RL-E ist es, den bestehenden Rechtsrahmen zu aktualisieren und zu stärken, um so die Korruptionsbekämpfung zu erleichtern.
Mit Hilfe des Korruptions-RL-E sollen Hindernisse überwunden werden, die bei der Zusammenarbeit zwischen den Behörden der verschiedenen Mitgliedsstaaten zu erkennen sind. Die bestehenden Instrumente, also der Rahmenbeschluss 2003/568/JI des Rates und das Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaft oder der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beteiligt sind, sind nach Auffassung des Rats nicht umfassend genug, da Korruption von Mitgliedsstaat zu Mitgliedsstaat unterschiedlich verfolgt werde. Hierzu heißt es in den Erwägungsgründen des Korruptions-RL-E u.a.:
[…] Diese Instrumente sind jedoch nicht umfassend genug, und die derzeitige strafrechtliche Ahndung der Korruption ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich, was ein kohärentes und wirksames Vorgehen in der Union behindert.
"[…] Korruption ist eine grenzüberschreitende Erscheinung, von der alle Gesellschaften und Wirtschaftssysteme betroffen sind. Die auf nationaler Ebene oder auf Unionsebene getroffenen Maßnahmen sollten dieser internationalen Dimension Rechnung tragen. […]"
Der Korruptions-RL-E sieht in Kapitel 2 "Korruptionsdelikte" Mindeststandards für
Folgende Straftatbestände werden vorgeschlagen:
Die Art. 7 bis 9, Art. 12 und Art. 13 definieren Mindeststandards zu Straftatbeständen, die bereits im Strafgesetzbuch enthalten sind (§§ 331 ff., 299, 266, 246 Abs. 2, 240 und 261 StGB). Insofern sind allenfalls Anpassungen vorzunehmen. Hervorzuheben sind erforderliche Anpassungen hinsichtlich des Vorteilsbegriffs (siehe 1.1) und der Auswirkungen der Begriffsdefinition der "öffentlich Bediensteten" (siehe 1.2).
Die Art. 10 und 11 hingegen definieren Mindeststandards zu Straftatbeständen, die das deutsche Strafrecht bislang in dieser Form nicht kennt und deshalb neu einzuführen wären. Hervorzuheben ist hier insbesondere die unerlaubte Einflussnahme (Art. 10) (siehe 1.3). Anders als der Vorschlag der Europäischen Kommission vom 3. Mai 2023 sieht der Korruptions-RL-E keine Versuchsstrafbarkeit vor (siehe 1.4)
1.1 Der "ungerechtfertigte" Vorteil
Art. 7 definiert Vorteil anders als die §§ 299 und 331 ff. StGB. Während für eine Strafbarkeit nach §§ 299 und 331 ff. StGB jeder Vorteil ausreicht, fordert Art. 7 einen ungerechtfertigten Vorteil. Diesen Zusatz kennt das StGB bereits aus den §§ 108e und 108f StGB. Er soll nach der Gesetzesbegründung zu § 108e StGB der Besonderheit der Abgeordnetenbestechung Rechnung tragen, da es im politischen Raum Zuwendungen gebe, die nach allgemeinen parlamentarischen Gepflogenheiten zulässig erscheinen. Ob sich dieser Grundsatz allerdings auch auf die übrigen Korruptionsdelikte des StGB übertragen lässt, ist zweifelhaft.
1.2 Die Definition des "öffentlich Bediensteten"
In den Art. 7 ff. wird durchgehend der Begriff "öffentlich Bedienstete" verwendet, der in Art. 2 Abs. 2 legaldefiniert wird. Öffentlich Bedienstete sind danach Unionsbeamte oder nationale Beamte eines Mitgliedstaates oder eines Drittstaats sowie Personen, denen nach nationalem Recht öffentliche Aufgaben übertragen wurden und diese wahrnehmen bzw. Personen, denen für eine internationale Organisation oder internationalen Gerichtshof öffentliche Aufgaben übertragen wurden und solche wahrnehmen.
Der Begriff des "nationalen Beamten" nach Art. 2 Abs. 2 lit. a) ii) erfasst jede Person, die auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene ein Amt im Bereich der Exekutive, Verwaltung oder Justiz innehat. Damit stellt der Korruption-RL-E Mandatsträger und Amtsträger gleich. Der deutsche Gesetzgeber müsste nach diesen Vorgaben die bisherige unterschiedliche strafrechtliche Behandlung von Mandatsträgern und Amtsträgern aufgeben und einen Gleichlauf herstellen.
1.3 Unerlaubte Einflussnahme, Art. 10
Art. 10 den sog. Einflusshandel unter Strafe stellen. Anders als bei den Bestechungsdelikten des StGB soll ein Tatbestand eingeführt werden, bei dem der Vorteil nicht einem öffentlich Bediensteten versprochen oder gewährt wird. Der Vorteil wird einer Person versprochen, die "unerlaubt Einfluss hinsichtlich einer Entscheidung oder Maßnahme ausübt, die von einem öffentlichen Bediensteten in Ausübung seines Dienstes zu treffen ist", um von diesem einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen. Im Ergebnis wird eine Vorbereitungshandlung in einer dreiseitigen Personenkonstellation unter Strafe gestellt, die das StGB erstmalig seit der Einführung des § 108f StGB kennt und hier bereits von uns beleuchtet wurde.
1.4 Versuchte Veruntreuung
Anders als der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zur Bekämpfung der Korruption vom 3. Mai 2023 sieht der Korruptions-RL-E keine Versuchsstrafbarkeit vor. Grund hierfür könnte die Kritik an der Einführung einer versuchten Veruntreuung sein.
Für natürliche Personen sieht Art. 15 Mindeststandards für das Höchstmaß von Freiheitsstrafen vor (mindestens zwei Jahre bis vier Jahre als Höchstmaß). Zusätzlich soll es nach Art. 15 Abs. 4 möglich sein, weitere Sanktionen zu verhängen wie beispielsweise Geldbußen, Abberufung oder Suspendierung, den Ausschluss von der Ausübung eines öffentlichen Amtes oder die Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen für Tätigkeiten, die zu der entsprechenden Straftat geführt haben oder sie ermöglicht haben.
Für juristische Personen ist insbesondere die umsatzbezogene Geldbuße (Art. 17 Abs. 3) hervorzuheben. Hiernach soll das Höchstmaß der Geldbußen je nach Tat nicht 3% bzw. 5% des weltweiten Gesamtumsatzes des vorherigen Geschäftsjahres der juristischen Person oder alternativ mindestens EUR 24 Mio. bzw. EUR 40 Mio. betragen.
Art. 18a enthält einen Katalog von strafmildernden Umständen, die in das nationale Recht umgesetzt werden können. Hierzu zählen insbesondere die
Insbesondere die Berücksichtigung von Compliance-Programmen bei der Bußgeldbemessung entspricht inzwischen ständiger Rechtsprechung.
Im Ergebnis werden sich Unternehmen in Korruptionsfällen voraussichtlichen höheren Sanktionen gegenüber sehen. Unternehmen sollten die weiteren Entwicklungen beobachten, um erforderlichenfalls ihre Compliance-Vorgaben rechtzeitig anpassen zu können.
Dr. Oliver Ofosu-Ayeh