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    14.02.2023

    IT-Panne legt den Flugverkehr lahm. Wer haftet?


    Ein klassischer Fall aus juristischen Prüfungen spielt derzeit in Frankfurt: Bei Bahnarbeiten wird ein Glasfaserkabel eines Telekom-Dienstleisters durchtrennt. Dies führt zu einem Ausfall der IT-Systeme der Lufthansa, so dass Flüge nicht durchgeführt werden können, ankommende Flüge umgeleitet werden und Passagiere Anschlussflüge verpassen. Voraussichtlich wird es Tage dauern, bis Flugzeuge, Crews und Passagier da sind, wo sie eigentlich hinwollten und sollten.

     

    Die typische Juristenfrage ist jetzt: wer kann von wem was verlangen?

     

    Fangen wir bei den Passagieren an: eine Entschädigung nach der Fluggastrechte-VO (EU-VO 261/04) wird es erst einmal nicht geben. Die Absagen und Ausfälle der Flüge, ebenso wie Verspätungen, sind derzeit durch unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände verursacht. Eine finanzielle Entschädigung fällt daher aus. Den Ticketpreis rückerstatten muss die Lufthansa indessen. Unterstützungsleistungen (das sind z.B. Übernachtungen, Essen und Telefonate) muss die betroffene Airline allerdings anbieten: die Verpflichtung hierzu besteht auch wenn die Ursache ein unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand ist. Sobald allerdings wieder der Flugverkehr aufgenommen wird, können auch Entschädigungsansprüche bestehen; denn dann wählt eine Airline bewusst aus, welche Flüge sie durchführt und welche nicht. Daher ist es eben nicht mehr ein völlig fremder Dritter, der die Ursache setzt, sondern die Airline. Ab wann das gilt, ist natürlich umstritten.

     

    Ist der Flug Teil einer Pauschalreise, kann sich der Passagier freuen und der Reisveranstalter darf sich ärgern: Ansprüche des Reisenden auf Minderung des Reisepreises, Umbuchungen, Aufwendungsersatz und auch ein kostenfreier Rücktritt (abhängig von zum Beispiel Verspätung und Reisedauer) sind möglich. Ausgeschlossen sind nur Schadensersatzansprüche, da diese nicht bestehen, wenn ein Dritter ohne Verbindung zum Reiseveranstalter den Schaden verursacht.

     

    Hat der Passagier Aufwendungen gemacht, die er nun nicht mehr nutzen kann (zum Beispiel ein nicht erstattungsfähiges Hotelzimmer gebucht), dann kann er keine Ansprüche gegen die Airline oder den Veranstalter stellen - diese haben ja keine Vertragspflicht fahrlässig oder vorsätzlich verletzt.

     

    Der Passagier sieht sich also der gleichen Frage wie Airline oder Veranstalter ausgesetzt. Kann man dann das Tiefbauunternehmen oder den Baggerfahrer auf Schadensersatz in Anspruch nehmen? Die kurze Antwort ist: Nein.

     

    Wo es keinen Vertrag zwischen Schädiger und Geschädigtem gibt, da kann nur das Deliktsrecht helfen. Normen, die letztlich besagen, dass die Verletzung von Rechten, die einen Schaden auslösen unter bestimmten Voraussetzungen den Schädiger zum Schadensersatz verpflichten. Eine der wesentlichen Voraussetzungen ist es, dass ein „absolutes“ Recht verletzt wird – also ein Recht, dass gegenüber jedermann gilt. Ein solches Recht ist das Eigentum – dies muss jeder andere respektieren. Nur: das Kabel gehörte weder einer Airline, noch dem Veranstalter noch dem Passagier. Neben dem Eigentum (und Rechten wie Gesundheit, Freiheit, Leben) haben die Gerichte aber auch weitere „absolute Rechte“ aufgezeigt: so etwa das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Wer also den Gewerbebetrieb schädigt, muss den Schaden ersetzen. Nur, ganz so einfach ist es nicht. Schon 1958 entschied nämlich der Bundesgerichtshof, dass ein durchtrenntes Kabel (damals gab es keine Glasfaser, es war ein Stromkabel) nicht ausreichen, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen. Der Eingriff muss nämlich betriebsbezogen sein, d.h. es müssen Eingriffe sein, die sich gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten. Das heißt, so ärgerlich die Kabeldurchtrennung ist, Ansprüche bestehen nicht, wenn es denn nicht gerade darum ging, den Flugbetrieb lahm zu legen.

     

    Und was ist mit dem Telekom-Dienstleister? Wenn dem Telekom-Dienstleister das Kabel gehörte, also Eigentum des Telekom-Dienstleisters war, dann ist der Materialwert zu erstatten und auch der Schaden, wenn der Telekom-Dienstleister wegen der Störungen weniger Einnahmen hatte. Denn jetzt ist es eben eine Verletzung des Eigentums, die zum Schadensersatz verpflichtet.

     

    Offen bliebt dann nur noch die Frage, ob es Verträge zwischen Airline und Telekom(-Dienstleister) und/oder zwischen Telekom(-Dienstleister) und IT-Dienstleister der Airline gibt und ob diese Klauseln enthalten, die einen Anspruch begründen.

     

    Prof. Dr. Hans-Josef Vogel

     

    Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

     

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