Noch vor dem „Ampel Aus“ kursierten Referentenentwürfe für ein Gesetz „zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes“ (Tariftreuegesetz), so zuletzt der Referentenentwurf der Bundesministerien für Arbeit und Wirtschaft vom 24. Oktober 2024. Nach Durchführung der Länder- und Verbändebeteiligung liegt nun ein entsprechender Regierungsentwurf (Gesetzentwurf vom 27. November 2024) vor. Die Umsetzung dieses Vorhabens in der laufenden Legislaturperiode erscheint mehr als fraglich. Aber angesichts der unklaren Prognosen über eine künftige Zusammensetzung von Bundestag und Bundesregierung sollte das Thema nicht schlicht „ad acta“ gelegt werden. Im Folgenden geben wir einen kurzen Überblick zu den Regelungsinhalten der aktuellen Gesetzesinitiative.
Tariftreueregelungen verpflichten Arbeitgeber, die an öffentlichen Vergabeverfahren erfolgreich teilnehmen wollen, gewisse tarifvertragliche Standards (insbesondere hinsichtlich Vergütung, Arbeitszeiten und Urlaubsansprüchen) einzuhalten, auch wenn keine originäre Bindung an ein spezifisches Tarifwerk besteht (der Arbeitgeber also nicht selbst Tarifpartei ist und der Tarifvertrag auch nicht für allgemeinverbindlich erklärt ist). In mehreren Bundesländern bestehen Tariftreuegesetze, die von Teilnehmern an öffentlichen Vergabeverfahren die Einhaltung bestimmter Tarifstandards einfordern. Zu nennen ist beispielsweise das „Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Mindestlohn bei der Vergabe öffentlicher Aufträge“ in Nordrhein-Westfalen (2018) oder das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz aus 2021. Bayern und Sachsen dagegen verfügen nicht über entsprechende Landesgesetze. Die mit solchen Regelungen verfolgten sozialen Schutzgedanken stehen im Spannungsfeld einerseits mit den grundgesetzlich verbürgten Rechten der (negativen) Koalitionsfreiheit und der Berufsfreiheit, und ferner mit den europäischen Vorgaben, insbesondere denen zur Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und den Regelungen der Arbeitnehmerentsenderichtlinie (96/71/EG). Das Bundesverfassungsgericht (11. Juli 2006 – 1 BvL 4/00) hat im Jahr 2006 die Verfassungsmäßigkeit des Berliner Vergabegesetzes festgestellt. Der EuGH hat in mehreren Entscheidungen Grenzlinien für eine europarechtskonforme Ausgestaltung entsprechender Regelungen aufgezeigt (insb. „Rüffert-Urteil“, EuGH 3. April 2008 – C-346/06; „Bundesdruckerei“, EuGH 18. September 2014 – C-549/13; „RegioPost-Entscheidung“, EuGH 17. November 2015 – C-115/14).
Der vorliegende Gesetzentwurf regelt, dass der Bundesauftragsgeber bestimmte Leistungen nur an solche Auftragnehmer vergeben darf, die sich zur Gewährung gewisser tariflicher Mindestbedingungen gegenüber ihren Arbeitnehmern sowie zur Einhaltung dieser Mindeststandards gegenüber Nachunternehmern und einzusetzenden Verleihunternehmen verpflichten. („Tariftreueversprechen“, § 3 des Gesetzentwurfs). Hierzu im Einzelnen:
Die aktuellen Mehrheitsverhältnisse auf Bundesebene dürften der Umsetzung des Gesetzesprojekts in dieser Legislatur entgegenstehen. Das Thema als solches wird aber auch nach der Bundestagswahl weiter relevant bleiben. Im Gesetzgebungsverfahren sind gegen das Bundestariftreuegesetz Bedenken grundsätzlicher Art (unzulässiger Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit der Unternehmen, Schaffung zusätzlicher Bürokratie) u.a. vom BDA erhoben worden. Aber auch von Gewerkschaftsseite bleibt Kritik nicht aus. So bemängelt u.a. der DGB, dass niedrigere Schwellenwerte erforderlich seien, um das Gesetz wirksam auszugestalten. Auch stellt sich der DGB dem Erfordernis entgegen, beim Antrag auf Verbindlichkeitserklärung die Zahl der von einem Tarifvertrag erfassten Gewerkschaftsmitglieder zu benennen. Im Einzelnen gibt es erheblichen Klärungsbedarfs, dem sich der neue Gesetzgeber, sollte dieser das Thema „Bundestariftreue“ wieder aufnehmen, früher oder später wird stellen müssen.