Seit dem 8. Mai 2019 liegt der Referentenentwurf des "Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" (kurz "Jahressteuergesetz 2019") des Bundesfinanzministeriums vor, der unter anderem Verschärfungen des Grunderwerbsteuerrechts bei sogenannten Share Deals vorsieht. Dieser entspricht im ganz Wesentlichem dem Gesetzesentwurf, den die Finanzministerkonferenz am 29. November 2018 beschlossen hatte. Neben den bereits viel diskutierten Neuregelungen lässt sich nun auch ein Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelungen entnehmen. Zudem wurde der Gesetzesentwurf um Übergangsregelungen ergänzt.
Zwischenzeitlich liegen dem Bundesfinanzministerium die bis Anfang Juni angeforderten Stellungnahmen der verschiedenen Verbände zum Referentenwurf vor. Wie zu hören ist, setzen sich die Stellungnahmen, wie nicht anders zu erwarten, kritisch mit dem Referentenentwurf auseinander. Insbesondere werde bemängelt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen weit über die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, "missbräuchliche Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer mittels Share Deals zu beenden", hinausgehen.
Aufgrund der Komplexität der angedachten Reform der Grunderwerbsteuer im Zusammenhang mit den Share Deals halten wir es nicht für ausgeschlossen, dass diese Regelungen aus dem Entwurf des Jahressteuergesetzes herausgelöst und in einen separaten Gesetzesentwurf aufgenommen werden. Bei dem Jahressteuergesetz 2019 handelt es sich um ein sog. Reparaturgesetz, das sicherlich nicht der geeignete Rahmen für die Reform der Grunderwerbsteuer ist.
Nach der derzeitigen Rechtslage fällt Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Gesellschaften nur in eingeschränktem Umfang an.
Grundsätzlich wird Grunderwerbsteuer bei Übergang eines Grundstücks auf einen neuen Rechtsträger ausgelöst. Gehören Grundstücke zum Vermögen einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, ändert sich bei Anteilsübertragungen an der Gesellschaft (sog. Share Deals) an den zivilrechtlichen Eigentumsverhältnissen jedoch nichts.
Um solche Vorgänge grunderwerbsteuerlich zu erfassen, wird bei einer unmittelbaren oder mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes dergestalt, dass innerhalb von fünf Jahren mindestens 95 % der Anteile an dem Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft mit Grundbesitz auf Neugesellschafter übergehen, ein Eigentumsübergang des Grundvermögens auf eine neue Personengesellschaft fingiert. Folglich kann nach der derzeitigen Rechtslage bei Anteilsübergängen unterhalb der Schwelle von 95 % und Beibehaltung der Gesellschafterstruktur für fünf Jahre die Gewerbesteuer reduziert oder der Erwerbsvorgang sogar vollständig steuerneutral gestaltet werden.
Übertragungen von jeweils weniger als 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft sind nach der aktuellen Rechtslage ebenfalls grunderwerbsteuerneutral möglich, ohne dass es der Einhaltung von Haltefristen bedarf.
Um Grunderwerbsteuer bei Share Deals, an denen grundbesitzende Gesellschaften beteiligt sind, nicht auszulösen, wurden bislang häufig steuerliche Gestaltungen durch sog. "RETT-Blocker" (Real-Estate-Transfer-Tax-Blocker) gewählt. Im Rahmen dieser steuerlichen Gestaltung ist es möglich, durch Zurückbehalten von Anteilen eines Altgesellschafters an der Gesellschaft von über 5 % oder durch eine entsprechende Aufteilung der Beteiligungsquoten an der Gesellschaft auf mehrere, voneinander unabhängige Gesellschafter von weniger als 95 % und mehr als 5 %, den Anfall von Grunderwerbsteuer zu vermeiden.
Um die aufgezeigten steuerlichen Gestaltungen zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer einzuschränken, sind folgende wesentliche Änderungen beabsichtigt:
Neben den vorstehenden Regelungen, die ab dem 1. Januar 2020 gelten sollen, sieht der Referentenentwurf Übergangsvorschriften vor.
Sind Anteilsübertragungen an Gesellschaften mit Grundbesitz geplant, ist unbedingt zu empfehlen, die Transaktionen hinsichtlich der Auswirkungen, die eine Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes mit sich bringen kann, nochmals zu überprüfen und durch eine zeitnahe Umsetzung der Umstrukturierung ggf. die derzeit noch möglichen steuerlichen Rahmenbedingungen zu nutzen. Zudem sollten vor dem Hintergrund, dass in dem Referentenentwurf – obwohl als maßgeblicher Stichtag derzeit auf den Eingang des Gesetzesentwurfs beim Bundestag abgestellt wird – auch auf den Eingang des Gesetzesentwurfs beim Bundesrat Bezug genommen wird, beide Stichtage bei der Prüfung beachtet werden.
Letztendlich bleibt der Gesetzesentwurf der Bundesregierung für das Jahressteuergesetz 2019 und der Umgang mit der geplanten Reform der Grunderwerbsteuer abzuwarten. Wir gehen davon aus, dass der Gesetzesentwurf noch im Juni 2019 von der Bundesregierung beschlossen und anschließend in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wird. Erfolgt eine Einbringung erst nach der parlamentarischen Sommerpause, besteht insofern ein entsprechend kurzes Handlungsfenster zur Nutzung der derzeit noch bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Sobald uns der Gesetzesentwurf bekannt wird, werden wir Sie selbstverständlich über die aktuellen Entwicklungen informieren.
Fragen zu diesem Thema beantworten Ihnen Volker Szpak und Chiara Stubenrauch gerne.
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