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    25.02.2021

    EU First – Venture Capital Fonds, Start-ups und die Investitionskontrolle


    Der Referentenentwurf des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWi“) vom 22. Januar 2021 zur 17. Novelle der Außenwirtschaftsverordnung macht deutlich, dass die Bundesregierung in Zukunft insbesondere ausländische Investitionen in Unternehmen zukunftsträchtiger Branchen im Rahmen der Investitionskontrolle geprüft sehen möchte. Die geplanten Verschärfungen zur Investitionskontrolle dürften dabei auch für Venture Capital Fonds und Start-ups von besonderem Interesse sein. Was die Novelle für diese im Einzelnen bedeutet, erläutern Ihnen im nachfolgenden Beitrag unsere Rechtsanwälte Dr. Christian von Wistinghausen und Dr. Patrick Alois Hübner, die zu einer kleinen Gruppe von Experten im Investitionsprüfrecht zählen, mit denen das BMWi derzeit die Entwurfsfassung diskutiert.

     

    I. Investitionskontrolle

     

    Die Außenwirtschaftsverordnung unterscheidet zwischen zwei Prüfverfahren: (i) der sektorspezifischen Prüfung und (ii) der sektorübergreifenden Prüfung, die sich wie folgt darstellen lassen:

     

    Alle ausländischen Investoren (inklusive EU-Ausland)

     

    • Sektorspezifische Prüfung: Meldepflichtiger Erwerb von 10 Prozent oder mehr der Stimmrechte an einem deutschen Unternehmen mit Geschäftstätigkeiten im unmittelbar sicherheitsrelevanten Bereich (z. B. Rüstungsgüter aber auch bestimmte Verschlüsselungssoftware) durch einen Ausländer.

     

    Alle Investoren aus Drittstaaten (Nicht-EU/Nicht-EFTA-Ausländer)

     

    • Sektorübergreifende Prüfung: Meldepflichtiger Erwerb von 10 Prozent oder mehr der Stimmrechte an einem deutschen Unternehmen mit Geschäftstätigkeiten in kritischen Sektoren durch einen Drittstaatler;
    • Sektorübergreifende Prüfung: Nicht-meldepflichtiger (aber grundsätzlich prüfbarer) Erwerb von 25 Prozent oder mehr der Stimmrechte an einem deutschen Unternehmen durch einen Drittstaatler.

     

    Venture Capital Fonds, die sich unmittelbar oder mittelbar an deutschen Unternehmen beteiligen, müssen sich also grundsätzlich die Frage stellen, ob diese Beteiligungen in den Anwendungsbereich der Außenwirtschaftsverordnung fallen. Seit dem 1. Januar 2021 dürfte die Antwort auf diese Frage insbesondere auch für Investoren mit Sitz im Vereinigten Königreich als frisch gebackene Drittstaatler maßgeblich an Bedeutung gewinnen.

     

    II. Meldepflicht

     

    Mit Blick auf Venture-Capital Fonds und Start-ups werden insbesondere die kritischen Sektoren der sektorübergreifenden Prüfung von tragender Bedeutung sein, also solche Sektoren, die von der deutschen Bundesregierung als besonders sicherheitsrelevant eingestuft werden. Die Novelle sieht eine erhebliche Ausweitung dieser Sektoren insbesondere auf Bereiche besonders zukunftsträchtiger Technologien vor, in denen erfahrungsgemäß viele Start-ups unterwegs sind.

     

    In diesen kritischen Sektoren besteht bereits bei einem Stimmrechtserwerb ab 10 Prozent eine Meldepflicht, das heißt der unmittelbare Erwerber muss den Beteiligungserwerb dem BMWi anzeigen, und der Erwerb darf bis zur Freigabe nicht vollzogen werden. Für VC-Fonds bedeutet dies, dass in meldepflichtigen Fällen die Beteiligungsrunden nicht abgeschlossen werden können. Der Vollzug des Rechtsgeschäfts bleibt bis zur Freigabe durch das BMWi schwebend unwirksam.

     

    III. Kritische Sektoren

     

    Zu den meldepflichtigen Sektoren gehören derzeit u. a. Betreiber von kritischer Infrastruktur, Softwareentwickler für den Betrieb kritischer Infrastrukturen, Cloud-Computing-Dienste, Dienste der Telekommunikationsüberwachung und Telematrikinfrastruktur, Medien sowie Teile des Gesundheitssektors. Auf die Vorgaben der im Oktober 2020 in Kraft getretenen EU-Screening-Verordnung, in Zukunft weitere kritische Technologien zu erfassen, sieht das BMWi eine erhebliche Erweiterung dieser meldepflichtigen Sektoren um nachfolgende Bereiche vor:

     

    Hochwertige Erdfernerkundungssysteme

     

    Quanten- und Nukleartechnologie

     

    Künstliche Intelligenz

     

    Additive Fertigung (3D-Drucker”)

     

    Automatisiertes Fahren bzw. Fliegen

     

    Netztechnologie

     

    Robotik

     

    Smart-Meter-Gateways

     

    Halbleiter/Optoelektronik

     

    IT und Telekommunkationsdiensleistungen

     

    Cybersicherheit/IT-Sicherheitsprodukte

     

    Kritische Rohstoffe

     

    Luft- und Raumfahrt

     

    Geheimgestellte Patente/Gebrauchsmuster

     

    Bestimmte Dual-Use-Güter

     

    Land- und Ernährungswirtschaft

     

    Diese Ausweitung der Meldepflicht wird – sollten die vorgeschlagenen Fallgruppen das Bundeskabinett ohne Kürzungen passieren – die Investitionshürde für Venture Capital Fonds aus Drittstaaten oder mit zurechenbarer Drittstaatbeteiligung ein ganzes Stück heraufsetzen. Mit Blick auf das Vollzugsverbot werden Investoren einer Auszahlung von Wagniskapital durch den VC-Fund vor Freigabe der Investition nicht zustimmen. Start-ups sollten dies bei der Finanzierung unbedingt beachten und die Verfahrensdauer der Investitionsprüfung bei der Planung einer neuen Investitionsrunde berücksichtigen.

     

    IV. Kontrollfreie Investitionen

     

    Lohnenswert dürfte deshalb der Blick auf die Fallgruppen sein, die (weiterhin) nicht in den Anwendungsbereich der Investitionskontrolle fallen. Das wären insbesondere:

     

    • Investitionen deutscher, und im sektorübergreifenden Verfahren europäischer VC-Fonds ohne zurechenbare Drittstaatbeteiligung;
    • Stimmrechtserwerbe unter der 10 Prozent-Schwelle (sofern kein atypischer Kontrollerwerb vorliegt);
    • Hinzuerwerbe von Stimmrechten oberhalb der Schwellenwerte zum Schutz vor Anteilsverwässerung, sofern die Stimmrechte nach Erwerb den Stimmrechtsanteil vor Erwerb nicht übersteigen;
    • (Hinzu-)Erwerb von stimmrechtslosen Beteiligungen.

     

    V. Fazit

     

    Die Ausweitung der Investitionskontrolle dürfte zu einem erheblichen Anstieg des Gesamtprüfaufkommens beim BMWi führen. Ob der Referentenentwurf in seiner derzeitigen Fassung tatsächlich verabschiedet wird, bleibt jedoch fraglich. Insbesondere mit Blick auf VC-Investitionen in Start-ups besteht noch großes Verbesserungspotential. So wäre etwa denkbar in Zukunft

     

    • Investitionen in Start-ups – nicht von der Meldepflicht, aber zumindest – vom Vollzugsverbot auszunehmen;
    • eine Erheblichkeitsschwelle für geringfügige Hinzuerwerbe von Stimmrechten einzuführen; oder
    • eine generelle „De-minimis-Schwelle“ für Investitionen in Start-ups (z. B. in Höhe von EUR 1 Million) mit aufzunehmen.

     

    Für Fragen rund um die Investitionskontrolle und Ihre Investitionen in Deutschland stehen Ihnen unsere Experten Dr. Christian von Wistinghausen und Dr. Patrick Alois Hübner jederzeit gerne zur Verfügung.

     

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