Am 20. November 2020 fand im Deutschen Bundestag die erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche statt. Mit diesem Gesetzentwurf will die Bundesregierung den Geldwäschestraftatbestand umfassend reformieren. Dabei geht sie weit über die Vorgaben der zugrunde liegenden EU-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2018/1673) hinaus. Statt einer Ergänzung des Vortatenkatalogs des § 261 StGB will sie diesen in Gänze streichen und wählt damit einen „All-crimes approach“.
Erhebliche Auswirkungen hat dies nicht nur mit Blick auf eine ausufernde Geldwäschestrafbarkeit, sondern vor allem auch für die Compliance-Anforderungen, die sich den nach dem Geldwäschegesetz (GwG) Verpflichteten, aber auch sonstige Unternehmen stellen.
Die Strafbarkeit der Geldwäsche dient in erster Linie der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, aber auch „anderer schwerwiegender Kriminalität“ (BT-Drucks. 19/24180, S. 2 und 11). Die Geldwäsche selbst „schadet der Integrität, Stabilität und dem Ansehen der Finanzbranche und gefährdet den europäischen Binnenmarkt sowie die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union“ (BT-Drucks. 19/24180, S. 1 und 11).
Der vorliegende Regierungsentwurf eines neugefassten § 261 StGB-E soll die „materiell-rechtlichen Grundlagen für eine Intensivierung der strafrechtlichen Geldwäschebekämpfung“ schaffen (BT-Drucks. 19/24180, S. 11 f.). Insbesondere sollen Geldwäschetaten „stärker in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden […] rücken und eine noch intensivere Verfolgung“ ermöglicht werden (BT-Drucks. 19/24180, S. 19).
Dass jedenfalls dieses Ziel erreicht wird, sollte der Regierungsentwurf Gesetz werden, ist so gut wie sicher. Denn der Straftatbestand des § 261 StGB wird deutlich erweitert. Ob diese Erweiterung aber auch zu einer Förderung der ursprünglichen Ziele, also der Bekämpfung organisierter und sonstiger schwerwiegender Kriminalität führt, erscheint fraglich.
1.1 „All-crimes approach“ – die Abschaffung des Vortatenkatalogs
Die wohl wesentlichste Änderung des § 261 StGB-E ist die Streichung des Vortatenkatalogs des derzeit (noch) geltenden § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB. Dieser sieht als taugliche Vortaten einer Geldwäsche allein Verbrechen (Straftaten mit einer Mindeststrafe von 1 Jahr, § 12 Abs. 1 StGB) und bestimmte näher definierte Vergehen an.
Mit dem im Entwurf vorgesehenen Entfallen dieses Katalogs wählt die Bundesregierung einen sog. „All-crimes approach“. Dies bedeutet, dass dem Entwurf zufolge zukünftig alle Straftaten als Anknüpfungstat einer Geldwäsche dienen können. Insofern kann auch ein einfacher Diebstahl, etwa eines Schokoriegels, zu einer Geldwäschestrafbarkeit führen. Dies verdeutlicht, dass Geldwäschetaten in Zukunft viel häufiger vorkommen und dadurch auch verstärkt „in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden […] rücken“ werden. Es erscheint fraglich, ob die organisierte Kriminalität oder sonstige schwerwiegende Kriminalität dadurch effektiver bekämpft werden. Vielmehr wird eine Vielzahl von Bagatelldelikten kriminalisiert.
1.2 „Leichtfertige“ Geldwäsche
Dies gilt umso mehr, als dass auch weiterhin die „leichtfertige“ Geldwäsche strafbar sein soll (§ 261 Abs. 6 Satz 1 StGB-E), also der Fall des leichtfertigen, also grob fahrlässigen, Verkennens, dass der betroffene Vermögensgegenstand aus einer Vortat und damit künftig Straftat stammt. Angesichts der Ausweitung des Tatbestands durch das Entfallen des Vortatenkatalogs wäre es begrüßenswert gewesen, wenn diese – wie zunächst im Referentenentwurf (RefE, S. 11 und 19) – gestrichen worden wäre.
Während im Referentenentwurf (S. 19) die unerwünschte ausufernde Kriminalisierung alltäglichen Verhaltens noch hervorgehoben wurde,
„Nach dem geltenden § 261 Absatz 5 StGB macht sich auch strafbar, wer leichtfertig nicht erkennt, dass der Gegenstand aus einer Katalogtat herrührt. Infolge der erheblichen Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 261 StGB soll jedoch an diesem Regelungskonzept nicht länger festgehalten werden, weil andernfalls der Tatbestand eine nahezu uferlose Anwendungsbreite erhielte.
[…]
Gegenüber der künftig sehr weitreichenden Vorsatzstrafbarkeit würde die Ausweitung der Strafbarkeit auf das leichtfertige Verkennen der rechtswidrigen Herkunft eines Gegenstands hingegen eine Kriminalisierung alltäglichen Verhaltens befürchten lassen.“
wird diese Sichtweise nun im Gesetzesentwurf vollständig aufgegeben. Für die Annahme von Leichtfertigkeit soll künftig zudem die Überzeugung des Gerichts genügen, „dass der fragliche Vermögensgegenstand Tatertrag oder Tatprodukt irgendeiner Straftat – auch außerhalb des bisherigen Katalogs – oder ein entsprechendes Surrogat ist“ (BT-Drucks 19/24180, S. 33).
1.3 Selbstanzeige
Zu begrüßen ist jedoch, dass die im Referentenentwurf zunächst gestrichene Möglichkeit der Selbstanzeige – derzeit § 261 Abs. 9 Satz 1 StGB – wieder in den Regierungsentwurf aufgenommen wurde (§ 261 Abs. 8 StGB-E).
1.4 Zwischenfazit
Die geplante Ausdehnung der Geldwäschestrafbarkeit führt dazu, dass der Tatbestand des § 261 StGB-E in einer Vielzahl von Konstellationen zur Anwendung kommen wird, die bisher nicht strafbar sind. Gerade mit Blick auf die Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche (§ 261 Abs. 6 Satz 1 StGB-E) besteht insoweit die Gefahr, dass es künftig vielfach zu Ermittlungsverfahren kommen wird. Dies werden auch Unternehmen jeder Größe zu spüren bekommen, wenn bzgl. eingegangener Geschäfte der Anfangsverdacht einer Geldwäsche nunmehr wegen des deutlich ausgeweiteten Tatbestands in deutlich häufigeren Fällen als früher bejaht werden kann.
Gerade wegen dieser Gefahr sollten Unternehmen generell vorsorgen und zwar auch dann, wenn sie nicht zu den Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz (GwG) gehören. Gerade die Einführung, Anpassung und Berücksichtigung von Maßnahmen der Geschäftspartner-Compliance (Stichwort: „Know your customer“) können in der Praxis dazu führen, dass ein Vorsatzvorwurf, aber vor allem auch ein Leichtfertigkeitsvorwurf i.S.d. § 261 Abs. 6 Satz 1 StGB-E bzw. derzeit noch § 261 Abs. 5 StGB zu verneinen sind.
Die Ausdehnung des Geldwäschestraftatbestands hat zudem erhebliche Auswirkungen für Verpflichtete nach dem GwG. Denn insb. die Pflicht zur Geldwäscheverdachtsmeldung des § 43 Abs. 1 Nr. 1 GwG knüpft an Tatsachen an, die auf eine Vortat der Geldwäsche hindeuten. Geldwäsche wird durch § 1 GwG gerade als eine Straftat nach § 261 StGB definiert. Insofern wären durch den Wegfall des Vortatenkatalogs im Regierungsentwurf künftig sämtliche Straftatbestände als potentielle Vortaten bei der Prüfung, ob eine Meldepflicht besteht, zu berücksichtigen, was den Prüfungsumfang und damit den Prüfungsaufwand weit erhöhen wird. Auch insofern wären die Prozesse anzupassen, um auch künftig mit den Regelungen des GwG „compliant“ zu sein.
Die geplante Neuregelung des Geldwäschestraftatbestandes (§ 261 StGB-E) führt zu einer erheblichen Kriminalisierung von Bagatelldelikten und Alltagskriminalität. Der ursprüngliche Zweck der Geldwäschestrafbarkeit, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und sonstiger schwerwiegender Kriminalität wird dadurch nicht gefördert. Vielmehr werden Verhaltensweiten kriminalisiert, die von diesen weit entfernt sind. Die Bundesregierung geht damit in ihrem Vorschlag zur Reform der Geldwäschestrafbarkeit weit über die europarechtlichen Vorgaben hinaus.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre Anstrengungen zur Verhinderung von Geldwäsche anpassen müssen. Denn anstelle eines klar umgrenzten Vortatenkatalogs kommen mit der Neuregelung sämtliche Straftaten als Vortaten einer Geldwäschetat in Betracht. Hierauf müssen zum einen die nach dem GwG Verpflichteten, aber auch sonstige Unternehmen ihre Regelungen zur Geldwäscheprävention bzw. ihre Anti-Money-Laundering-Compliance (AML-Compliance) einrichten.