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    16.09.2024

    Die Probezeit und das Probezeitchen im (befristeten) Arbeitsverhältnis


    Das Kind – das Kindlein, der Baum - das Bäumchen, die Puppe – das Püppchen, die Blume – das Blümelein, die Probezeit – das Probezeitchen. Die Verkleinerungs- oder Verniedlichungs-formen "…lein" und "…chen" sind rhetorisches Stilmittel. Damit wird besonders Kleines oder Niedliches benannt. Das "Probezeitchen" klingt etwas seltsam und ist sinnlos, oder gibt es eine kleine Probezeit?

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    jeder Arbeitgeber und jeder Arbeitnehmer kennt die Probezeit. Sechs Monate ist das Maximum. Die Vereinbarung einer kürzeren Probezeit ist zulässig. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen kann das Maximum der Probezeit auch weniger als sechs Monate betragen, wie das LAG Berlin-Brandenburg, im Urteil vom 02.07.2024 (19 Sa 1150/23) festgestellt hat.

    Grundsatz der Probezeit

    Die Probezeit ist in § 622 Abs. 3 BGB geregelt. Danach kann ein Arbeitsverhältnis während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

    Während der Probezeit sind Arbeitsverhältnisse außerordentlich und ordentlich kündbar. Es gelten die gesetzlichen Kündigungsregelungen, soweit nicht längere Kündigungsfristen vertraglich vereinbart sind. Mit der Vereinbarung einer Probezeit beträgt die Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung für die Dauer der Probezeit einheitlich zwei Wochen. Es gilt auch nicht – wie sonst üblich – eine Kündigung nur zu einem bestimmten Beendigungstermin (Monatsende, Quartalsende, Jahresende). Eine ausdrückliche Vereinbarung der kurzen Kündigungsfrist ist nicht erforderlich. Längere Kündigungsfristen während der Probezeit können vereinbart werden.

    Probezeit während der Kündigungsfrist

    Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Die ordentliche Kündigungsmöglichkeit gilt nur bei ausdrücklicher Vereinbarung. Mit ausdrücklicher Vereinbarung ist auch eine Probezeit und damit eine verkürzte Kündigungsfrist von zwei Wochen zulässig. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen muss die Dauer der Probezeitdauer im angemessenen Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrags und der Art der Tätigkeit stehen. Beispielsweise wäre es offensichtlich unangemessen, bei einem befristeten Arbeitsverhältnis von sechs Monaten eine gleichlange Probezeit zu vereinbaren.

    LAG Berlin-Brandenburg vom 02.07.2024 (19 Sa 1150/23)

    In dem Rechtsstreit ging es um die Wirksamkeit und den Beendigungstermin einer ordentlichen Kündigung eines auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitsvertrag sah eine Probezeit von vier Monaten vor, während der die beide Parteien das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen kündigen konnten. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis „innerhalb der Probezeit ordentlich zum nächstzulässigen Zeitpunkt“. Nach Auffassung der Arbeitgeberin endete das Arbeitsverhältnis aufgrund der zweiwöchigen Kündigungsfrist in der Probezeit. Die Arbeitnehmerin behauptete, dass eine viermonatige Probezeit gemäß § 15 Abs. 3 TzBfG unwirksam sei. 

    Im Tenor führt das LAG Berlin-Brandenburg aus:

    „Jedenfalls in einem für ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag ist eine Probezeit von 25 % der vereinbarten Gesamtbefristungsdauer regelmäßig zulässig gem. § 15 Abs. 3 TzBfG.“

    Das LAG Berlin-Brandenburg ist mit einer Probezeit von einem Viertel der vereinbarten Befristungsdauer eher streng. Andere Gerichte sind hinsichtlich der zulässigen Dauer einer Probezeit bei einem befristeten Arbeitsverhältnis großzügiger. Beispielsweise führt das LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.10.2023 – 3 Sa 81/23 in einem Fall mit vergleichbarer Thematik folgendes aus:

    "Nach § 15 IV TzBfG unterliegt ein befristetes Arbeitsverhältnis nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn diese einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.

    Gemäß § 15 III TzBfG muss eine Probezeitvereinbarung bei befristeten Arbeitsverhältnissen im Verhältnis zu der erwarteten Befristungsdauer (zeitliche Relation) und der Art der Tätigkeit stehen.

    3. Bezüglich der zeitlichen Relation ist – angesichts des unionsrechtlichen Geltungs-bereichs (,,Befristungen mit einer Dauer von weniger als zwölf Monaten“) und der uni-onsrechtlich akzeptierten Probezeitdauer von sechs Monaten – eine Probezeit ange-messen, die die Hälfte der Befristungsdauer umfasst."

    Die Dauer der Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen sind nicht pauschal sechs Monate. Es muss ein angemessenes Verhältnis zwischen Probezeit und Befristungsdauer bestehen. Die gerade noch zulässige Frist ist dabei nicht einfach zu ermitteln, pendelt sich nach der Rechtsprechung zwischen ¼ und ½ der Gesamtbefristung ein.

    Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße aus München 
    Ihr Dr. Erik Schmid

    Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.Rehm-Verlag.de) erschienen.

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