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    18.01.2022

    Die neue Auskunftspflicht für Verwerter im Urheberrecht


    Der deutsche Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 7. Juni 2021 die §§ 32d, 32e UrhG geändert und dabei insbesondere gesetzliche Auskunftspflichten von Vertragspartnern gegenüber Urhebern festgelegt. Ab 2023 wirkt sich die Regelung auch auf Verträge aus, die vor Juni 2021 abgeschlossen worden sind. Die Neuregelung setzt die EU-rechtlich vorgegebene Transparenzpflicht aus Art. 19 der DSM-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG.) um. Die Gesetzesänderung bringt wesentliche Neuregelungen für die Vertragspartner von Urhebern mit sich und ist damit relevant für alle Unternehmen, die mit Kreativen arbeiten – beispielsweise mit Textautoren, Fotografen, Grafikern oder ausübenden Künstlern. Dieser Beitrag beleuchtet die Neuregelungen im Detail und beschäftigt sich mit möglichen Auswirkungen auf die Praxis.

     

    1. Anlasslose Auskunft statt aktive Geltendmachung

     

    Bisher mussten Urheber ihren Auskunftsanspruch gegenüber dem Vertragspartner geltend machen. Nach Art. 19 der DSM-Richtlinie sollen Urheber und ausübende Künstler regelmäßig – mindestens einmal jährlich – aktuelle Informationen über die Verwertung ihrer Werke und Darbietungen erhalten. Dies umfasst unter Berücksichtigung von branchenspezifischen Besonderheiten vor allem Auskunft über die erzielten Einnahmen von denjenigen, denen sie Lizenzrechte erteilt haben. Diese Pflicht besteht jedoch lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit

     

    Die Erwägungsgründe 75 bis 77 zur DSM-Richtlinie erläutern diese Transparenzpflicht. So sollen die zur Verfügung gestellten Informationen so umfassend sein, dass alle relevanten Einnahmequellen abgedeckt sind.

     

    Die Neuregelung in § 32d UrhG folgt diesen Anforderungen an die Umsetzung und weitet nun die Pflichten für Vertragspartner erheblich aus. Die bisherigen Auskunftsansprüche der Urheber werden zu unverlangt zu erfüllenden Auskunftspflichten der Vertragspartner. Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass die Auskunft des Vertragspartners künftig nicht mehr von einer vorherigen Aufforderung abhängig gemacht werden darf. Vielmehr muss der Vertragspartner dem Urheber jetzt aktiv Auskunft erteilen (BT-Drs. 19/27426, 51, 81).

    Nach § 32e UrhG bleibt es gegenüber Dritten in der Lizenzkette jedoch bei Auskunftsansprüchen. Eine gesetzliche Pflicht zur Auskunftserteilung besteht hier nicht.

     

    2. Umfang der Neuregelungen

     

    2.1 Die neue Auskunftspflicht, § 32d UrhG

     

    Die Auskunftspflicht nach § 32d UrhG gilt im Verhältnis des Urhebers zu seinem jeweiligen Vertragspartner. Auch der ausübende Künstler wird durch die neue Transparenzpflicht geschützt. Überträgt dieser sein Aufnahme-, Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht oder das Recht auf öffentliche Wiedergabe nach §§ 77 f. UrhG oder räumt er anderen Nutzungsrechte ein, so ist die neue Regelung gemäß § 79 Abs. 2a UrhG entsprechend anzuwenden.

     

    Inhaltlich statuiert die Neuregelung eine anlasslose jährliche Auskunftspflicht des Vertragspartners über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile. Diese hat mindestens einmal jährlich zu erfolgen. Dabei müssen insbesondere Informationen darüber zur Verfügung gestellt werden, in welchen Medien und auf welchen Kanälen das Werk jeweils genutzt wurde.

     

    Die Begrifflichkeiten Erträge und Vorteile sind nicht gesetzlich definiert. Unter Erträgen versteht man die direkt aus der Werknutzung erzielten Vermögensvorteile. Dabei kann es sich um eine Nutzung des Werkes durch den Vertragspartner oder um die Lizenzierung an Dritte handeln. Vorteile sind demgegenüber alle Verwertungshandlungen, die nicht unmittelbar auf die Umsatzerzielung ausgerichtet sind, sich aber daraus ergeben und einen geldwerten Vorteil mit sich bringen (vgl. Schulze in: UrhG, 6. Auflage 2018, § 32a Rn. 28 f.). Hier kann es sich z. B. um Vorteile durch den Einsatz des Werkes in der Werbung handeln, unter anderem bei der urheberrechtlich geschützten Gestaltung eines Firmenlogos.

     

    Von der anlasslosen Auskunftserteilung in § 32d Abs. 1 UrhG ist die Auskunftspflicht nach dem ebenfalls neuen § 32d Abs. 1a UrhG zu unterscheiden. Danach muss der Vertragspartner nur auf Verlangen des Urhebers über Namen und Anschriften von Unterlizenznehmern Auskunft gemäß § 32d Abs. 1 UrhG erteilen sowie Rechenschaft ablegen. Die Rechenschaft umfasst dabei insbesondere die Vorlage von Rechnungsbelegen.

     

    Die Pflicht zur Auskunftserteilung besteht im Verhältnis des Vertragspartners zum Urheber. Aus diesem Grund wäre dann beispielsweise ein Unternehmen, das eine Werbeagentur beauftragt und deren Mitarbeiter in diesem Kontext kreative Leistungen erbringt, der Werbeagentur nicht zur Auskunft verpflichtet.

     

    2.2 Umgang mit vertraulichen Informationen

     

    Vertragspartner können sich in diesem Kontext die berechtigte Frage stellen, wie mit vertraulichen Informationen umzugehen ist. Dazu heißt es in Erwägungsgrund 76 der DSM-Richtlinie:

     

    „Urheber und ausübende Künstler und ihre Vertragspartner sollten sich bereiterklären können, die übermittelten Informationen vertraulich zu behandeln, jedoch sollten Urheber und ausübende Künstler immer die Möglichkeit haben, die übermittelten Informationen für die Ausübung ihrer Rechte gemäß dieser Richtlinie zu nutzen“.

     

    Für die Praxis bedeutet das: Urheber können grundsätzlich zur Vertraulichkeit verpflichtet werden, jedoch muss ihnen die Durchsetzung ihrer Rechte nach wie vor möglich sein. Bereits in seiner bisher geltenden Fassung hatte die Gesetzesbegründung ausdrücklich Geheimhaltungsinteressen als Grenzen der Auskunftserteilung angesehen, so dass die Auskünfte bereits bisher unter dem Vorbehalt des § 242 BGB standen (RegE UrhVG 2016 – BT-Drs. 18 / 8625, 27). Unternehmen können deshalb die Erteilung von vertraulichen Auskünften davon abhängig machen, dass der Urheber sich vertraglich zum Stillschweigen verpflichtet.

     

    2.3 Auskunftsansprüche gegen Dritte, § 32e UrhG

     

    Während sich die Auskunftsansprüche gegenüber Vertragspartnern zu Auskunftspflichten gewandelt haben, bleibt es im Verhältnis zu Dritten in der Lizenzkette bei Auskunftsansprüchen. Neu ist jedoch die Subsidiarität der Regelung. So können Urheber ihren Anspruch nur geltend machen, soweit der Vertragspartner des Urhebers seiner Auskunftspflicht nach § 32d UrhG nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit nachgekommen ist oder der Vertragspartner den Urheber nicht hinreichend über die Werknutzung Dritter und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile informiert.

     

    3. Zeitlicher Anwendungsbereich;

     

    Die Neuregelungen gelten grundsätzlich für alle ab dem 7. Juni 2021 geschlossenen Verträge (Neuverträge). Für vor dem 7. Juni 2021 geschlossene Altverträge folgt aus der Übergangsvorschrift des § 133 Abs. 3 S. 1 UrhG, dass ab dem 7. Juni 2023 erstmals Auskunft in Bezug auf Nutzungshandlungen und Einnahmen ab dem 7. Juni 2022 zu erteilen ist.

     

    4. Auskunftspflicht gegenüber Arbeitnehmern

     

    Im Grundsatz ist unklar, ob § 32d UrhG über § 43 UrhG auch für Arbeitnehmer gilt. Der BGH hatte dazu die Ansicht vertreten, dass der als Arbeitnehmer tätige Urheber für seine Leistung regelmäßig mit seinem Arbeitslohn abgegolten ist, sobald die Schaffung urheberrechtlich geschützter Werke zu seinen arbeitsrechtlichen Pflichten gehört (BGH GRUR 2002, 149, 151 – Wetterführungspläne II zu § 69b).

     

    Aufgrund der urheberfreundlichen Ausgestaltung des Urhebervertragsrechts und aufgrund der Tatsache, dass die Auskunftspflicht unter anderem dazu dienen soll, die Urheber über Nutzungshandlungen zu informieren, um mögliche Ansprüche auf eine weitere angemessene Vergütung gemäß § 32a UrhG durchzusetzen, ist aber nicht auszuschließen, dass sich die Gerichte auch für eine Anwendbarkeit der Auskunftspflicht auf Arbeitnehmer aussprechen werden.

     

    In bestimmten Konstellationen erscheint es jedoch grundsätzlich vertretbar, Angestellte aus dem Anwendungsbereich des § 32d UrhG herauszunehmen. So ist die Norm nach § 43 Hs. 2 UrhG nur dann anzuwenden, wenn sich aus dem Wesen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses nichts anders ergibt. Fertigt beispielsweise der Mitarbeiter einer Personalabteilung nur bei Gelegenheit Fotos für die Webseite des Unternehmens an, so ist die Vergütung dieses Mitarbeiters in der Regel erkennbar auf eine abschließende Abgeltung der Nutzung seiner kreativen Leistung gerichtet.

     

    5. Nichtanwendbarkeit der Neuregelungen

     

    Die Auskunftspflicht nach § 32d Abs. 1 UrhG und der Auskunftsanspruch nach § 32e Abs. 1 UrhG sind unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 32d Abs. 2 UrhG ausgeschlossen:

     

    Zunächst besteht gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG keine Auskunftspflicht und kein Auskunftsanspruch, wenn der Urheber einen lediglich nachrangigen Beitrag zu einem Werk, einem Produkt oder einer Dienstleistung erbracht hat. Von dieser Regelung wird eine Rückausnahme gemacht für Fälle, in denen der Urheber aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte dafür hat, dass er die Auskunft für eine Vertragsanpassung benötigt. Nachrangig ist ein Beitrag insbesondere dann, wenn er den Gesamteindruck eines Werkes oder die Beschaffenheit eines Produkts oder einer Dienstleistung wenig prägt, etwa weil er nicht zum typischen Inhalt gehört (vgl. § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG). Vergleicht man die Neuregelung mit der bisher geltenden Fassung, hat der Gesetzgeber bei dieser Schrankenregelung lediglich die Ausnahme von der Nichtanwendbarkeit neu hinzugefügt.

     

    Zudem sind Auskunftspflicht und Auskunftsanspruch gem. § 32d Abs. 2 Nr. 2 UrhG ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme des Vertragspartners aus anderen Gründen unverhältnismäßig ist. Beispielhaft führt das Gesetz für eine solche Unverhältnismäßigkeit auf, dass der Aufwand für die Auskunft außer Verhältnis zu den Einnahmen aus der Werknutzung steht. Ob ein Fall der Unverhältnismäßigkeit vorliegt, hängt von der Abwägung der jeweiligen Interessen des Urhebers sowie des Vertragspartners im Einzelfall ab. Für die relevanten Abwägungskriterien stellt der Erwägungsgrund 75 der DSM-Richtlinie gewisse Voraussetzungen auf und bestimmt, dass Urheber in die Lage versetzt werden sollen, den wirtschaftlichen Wert ihrer Rechte im Vergleich zu ihrer Vergütung für die Lizenzvergabe zu bewerten. Auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 19/27426, 51.) äußert sich zur Thematik der Unverhältnismäßigkeit. Dieser Ausschlussgrund diene dazu, den Aufwand der Vertragspartner zu begrenzen und grobe Missverhältnisse von Kosten und Nutzen zu vermeiden.

     

    6. Vertragliche Abweichungen

     

    § 32b UrhG nennt die Voraussetzungen, unter denen die §§ 32d, 32e UrhG zwingendes Recht sind. Erforderlich ist, dass auf den Nutzungsvertrag mangels einer Rechtswahl deutsches Recht Anwendung findet oder aber Gegenstand des Vertrags maßgebliche Nutzungshandlungen im räumlichen Geltungsbereich des UrhG sind. Liegt eine dieser Voraussetzungen vor, können die §§ 32 d, 32 e UrhG gem. § 32 d Abs. 3 S. 1 UrhG nur durch eine Vereinbarung abbedungen werden, die auf einer gemeinsamen Vergütungsregel nach § 36 UrhG oder einem Tarifvertrag beruht. Gem. § 32 d Abs. 3 S. 2 UrhG wird vermutet, dass die kollektiven Vereinbarungen dem Urheber zumindest ein vergleichbares Maß an Transparenz wie die gesetzlichen Bestimmungen gewährleisten.

     

    Ausdrücklich heißt es dazu in Erwägungsgrund 77:

     

    „[…] Kollektivverhandlungen sollten im Hinblick auf die Transparenz als eine Möglichkeit für die jeweiligen Interessenträger gesehen werden, eine Einigung zu erzielen. Solche Einigungen sollten für Urheber und ausübende Künstler dasselbe Maß an Transparenz wie die in dieser Richtlinie vorgesehene Mindestanforderung oder ein noch höheres Maß sicherstellen.“

     

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist somit erforderlich, dass Transparenzpflichten in Kollektivvereinbarungen das gesetzlich festgelegte Maß an Transparenz nicht unterschreiten dürfen.

     

    7. Unterlassungsansprüche bei Missachtung der Neuregelungen

     

    Der Gesetzgeber hat auch Möglichkeiten geschaffen, um auf Verstöße gegen die §§ 32d, 32e UrhG zu reagieren. Urhebervereinigungen können nach § 36d UrhG Unterlassungsansprüche gegen Werknutzer geltend machen. Voraussetzung dafür ist, dass der Werknutzer Urhebern in mehreren gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen Auskünfte nach § 32d UrhG oder § 32e UrhG nicht erteilt. Es ist dabei für die Geltendmachung des Anspruchs ausreichend, dass aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte für seine Voraussetzungen vorliegen.

     

    8. Auswirkungen auf die Praxis

     

    Die Auswirkungen der Neuregelungen auf die Praxis können erheblich sein. In der Vergangenheit wurden nach Informationen des Statistischen Bundesamts Auskunftsansprüche nur selten geltend gemacht, der entsprechende Aufwand war gering (vgl. RegE eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes, veröffentlicht am 3. Februar 2021. S. 76). Durch die Unterrichtungspflicht könnte sich dieser Verwaltungsaufwand auf Seiten der Vertragspartner nun erhöhen. So sind beispielsweise Presseverlage, aber auch Filmproduktionsunternehmen besonders betroffen, da sie mit einer großen Zahl von Urhebern zusammenarbeiten. Insbesondere die Frage der Unverhältnismäßigkeit wird für die betroffenen Branchen von besonderer Relevanz sein und die Gerichte beschäftigen. Es bleibt abzuwarten, wie ehrgeizig die Urheber die Einhaltung der Transparenzpflichten verfolgen und in diesem Zusammenhang Unterlassungsansprüche geltend machen werden.

     

    Adrienne Bauer

     

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