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    23.06.2025

    Der Urlaub – Größte Freude und größtes Ärgernis im Arbeitsverhältnis


    Nordsee, Kreta, Gardasee, Mallorca, La Gomera, Sardinien… geflogen, gebadet, gefeiert, geflirtet, gegessen, geschlafen, getrunken, gestritten… haben Sie rund um Pfingsten Bade-Urlaub gehabt? Oder steht der Sommerurlaub noch bevor? So oder so…, wenn der Urlaub tatsächlich gewährt und genommen wird - egal ob er erholsam war, das Essen lecker, das Hotel in die Jahre gekommen, der Pool zu kalt, die Wellen zu hoch, die Mini-Disco zu laut oder der Flug verspätet - macht er im Arbeitsverhältnis die wenigsten Probleme. Problematisch wird es häufig, wenn der Urlaub nicht gewährt wird, nicht genommen wird oder nicht genommen werden kann. Das BAG hat im Urteil vom 03.06.2025 - 9 AZR 104/24 eine aus Arbeitgebersicht unschöne Entscheidung getroffen.

    Liebe Leserin, lieber Leser, 

    wenn Arbeitsverhältnisse enden, dann stellt sich auch die Frage nach dem Urlaub. In der Vergangenheit wurde bei einvernehmlichen Regelungen in Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen sowie in gerichtlichen Vergleichen häufig eine pragmatische Lösung angewendet. Das BAG lehnt eine solche pragmatische Lösung – in bestimmten Fällen - ab.

    Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – gesetzliche Regelung

    Das Bundesurlaubsgesetz regelt in § 7 Abs. 4 BurlG "kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten". In Verbindung mit der "Unverzichtbarkeitsregelung" hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs kann auf (gesetzlichen) Urlaub während des laufenden Arbeitsverhältnisses zum Schutz der Arbeitnehmer nicht wirksam verzichtet werden. In guten arbeitsvertraglichen Regelungen gilt das strenge Bundesurlaubsgesetz nicht auch für den üblichen zusätzlichen vertraglichen Urlaub.

    Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Regelungen in der Praxis

    Wenn Arbeitsverhältnisse enden, stellt sich immer die Frage nach dem Urlaub. Insbesondere bei unterjährigem Ausscheiden ist die rechtlich zutreffende Feststellung, wie viel Urlaub dem Arbeitnehmer im Kalenderjahr des Ausscheidens tatsächlich noch zusteht, nicht einfach. Gesetzlicher Urlaub, vertraglicher Urlaub, Resturlaub aus dem Vorjahr, Ausscheiden in der ersten Hälfte des Kalenderjahres, Ausscheiden in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres, Verfall von Urlaub, Gewohnheitsrechte zur Übertragung des Urlaubs sind bei der Berechnung zu berücksichtigen.

    Wenn der dem Arbeitnehmer bis zum Beendigungstermin zustehende Urlaub berechnet ist, gibt es folgende Möglichkeiten der Urlaubsabgeltung:

    • Urlaub wird tatsächlich gewährt und genommen
    • Arbeitnehmer wird unwiderruflich freigestellt unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen
    • Urlaub, der zum Beendigungstermin nicht gewährt und genommen wurde oder nicht verfallen ist, muss finanziell abgegolten werden. Die finanzielle Abgeltung von Urlaub ist sozialversicherungs- und einkommenssteuerpflichtig.
    • Bei einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvertrag, gerichtlicher Vergleich) wurde in der Vergangenheit häufig ein sog. "Tatsachenvergleich" geschlossen. Es wurde vereinbart, dass der etwaige Urlaub vollständig in natura gewährt und genommen wurde, als Gegenleistung wurde die Abfindung ggf. erhöht. Das hatte Vorteile für Arbeitgeber (Sicherheit, dass der Urlaub finanziell nicht mehr abgegolten werden muss, auch wenn der Arbeitnehmer bis zum Beendigungstermin krank ist, keine Sozialversicherungsbeiträge) und für Arbeitnehmer (keine Sozialversicherungsbeiträge). Ein Tatsachenvergleich ist auch bei der Unverzichtbarkeit des Urlaubs zulässig, wenn Streit über den Umfang des Urlaubs besteht. 

    BAG, Urteil vom 03.06.2025 - 9 AZR 104/24 

    Das BAG macht den Tatsachenvergleich in Zukunft nicht mehr so leicht möglich: In dem konkreten Fall klagte der Arbeitnehmer die Abgeltung von sieben Tagen gesetzlichen Mindesturlaub aus dem Jahr 2023 ein, die er aufgrund einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Ende April 2023 nicht nehmen konnte. Zu Recht, wie das BAG entschied. 

    Zwar wurde das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch einen gerichtlichen Vergleich beendet. Der Arbeitnehmer könne jedoch durch einen solchen Prozessvergleich nicht wirksam auf seinen gesetzlichen Urlaubsanspruch verzichten. Denn auch wenn der Vergleich (neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung) die Regelung "Urlaubsansprüche sind in natura gewährt" beinhaltete, sei der Urlaub durch den Vergleich nicht erloschen. Die Vereinbarung sei insoweit gemäß § 134 BGB unwirksam, als sie einen unzulässigen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs regele und damit im Widerspruch zu der Norm des § 13 Abs. 1 S. 3 BurlG (Unabdingbarkeit des Mindesturlaubs) stehe. 

    Das BAG stellt damit klar, dass der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub – ebenso wie der mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehende Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BurlG – weder im Voraus ausgeschlossen noch beschränkt werden darf. Dies gelte selbst dann, wenn bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit den gesetzlichen Mindesturlaub gar nicht mehr nehmen kann. 

    Die getroffene Regelung stelle auch keinen Tatsachenvergleich dar, auf den § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nicht anzuwenden wäre. Ein Tatsachenvergleich liegt vor, wenn zwischen den Parteien Unsicherheiten über das Bestehen oder den Umfang eines Anspruchs bestehen und diese durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden sollen. Angesichts des Umstands, dass der Arbeitnehmer im konkreten Fall jedoch seit Anfang 2023 durchgehend arbeitsunfähig gewesen war, bestehe kein Grund zu zweifeln, dass der Urlaubsanspruch tatsächlich bestand.

    Zudem scheide eine finanzielle Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs auch unter Berücksichtigung von Art. 7 Abs. 2 der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) aus. Danach darf eine finanzielle Abgeltung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Folglich ist eine finanzielle Abgeltung während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses unzulässig, erst recht, wenn der Arbeitnehmer – wie im konkreten Fall – auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub ohne finanziellen Ausgleich verzichtet.

    Im vorliegenden Fall stand dem Arbeitnehmer daher mit Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 7 Abs. 4 BurlG ein Anspruch auf Abgeltung seines nicht genommenen gesetzlichen Mindesturlaubs zu. Dieser Anspruch bestand damit neben dem Abfindungsanspruch aus Prozessvergleich. 

    Mit seinem Urteil unterstreicht das BAG erneut die hohe Bedeutung und den besonderen Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs. Während vertraglicher Zusatzurlaub grundsätzlich abbedungen werden kann, ist ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub – selbst im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs – unzulässig. 

    Deshalb umso mehr: Genießen Sie den Urlaub in natura und nicht als finanzielle Abgeltung.

    Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße
    Ihr Dr. Erik Schmid 

    Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.Rehm-Verlag.de) erschienen.

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