Corona hat die Durchsuchungsaktivitäten der Kartellbehörden deutlich eingebremst. Niedrige Inzidenzen lassen das Dawn-Raid-Risiko nun wieder steigen. Unternehmen und ihre Mitarbeiter werden dann mit den neuen Ermittlungsbefugnissen konfrontiert, die dem Bundeskartellamt seit Anfang 2021 zustehen.
Die bisherige Pflicht zur passiven Duldung einer kartellbehördlichen Durchsuchung ist von einer eingeschränkten Mitwirkungspflicht abgelöst worden. Zugang zur IT und analogen Dokumenten ist zu gewähren. Fragen der Durchsuchungspersonen sind in einem deutlich größeren Umfang zu beantworten, als dies bisher der Fall war.
Fragen während einer Dawn Raid können den Zugang zu Beweismitteln betreffen. Sie sind zu beantworten. Gleiches gilt für die kartellbehördliche Aufforderung, den Inhalt aufgefundener Unterlagen näher zu erläutern. Unternehmen haben nur noch ein begrenztes Geständnisverweigerungsrecht. Das Auskunftsverweigerungsrecht von Mitarbeitern wegen eines Selbstbelastungsrisikos kann durch kartellbehördliche Nichtverfolgungszusagen beseitigt werden; wobei diese Zusagen wirksam sein müssen, was u.a. voraussetzt, dass sie durch das Kollegialorgan der Beschlussabteilung (Vorsitzende/r + 2 Beisitzer) gefasst werden.
Die ECN+-Richtlinie überlagert die 10. GWB-Novelle: Art. 3 ECN+-Richtlinie garantiert die Verteidigungsrechte. Das Legal Privilege des EU-Kartellverfahrens wird hierdurch ins deutsche Kartellverfahren überführt. Geschützt ist zukünftig nicht mehr nur Verteidigerkorrespondenz nach Einleitung eines Kartellverfahrens, sondern auch jede Vorfeldkorrespondenz mit externen Rechtsanwälten, soweit sie „im Zusammenhang“ zu einem möglichen späteren Kartellverfahren steht.
Verstöße gegen Mitwirkungspflichten bei Dawn Raids sind bußgeldbewehrt. Die Obergrenze des Bußgeldrahmens liegt bei 1 % des Gesamtumsatzes der wirtschaftlichen Einheit (häufig: Konzernumsatz).