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    24.02.2021

    Das neue Kartellrecht: Was ist drin für Start-ups und VC?


    Seit Mitte Januar 2021 gilt in Deutschland ein reformiertes Kartellrecht, um der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft Rechnung zu tragen. Für Start-ups bedeutet das neue Kartellrecht einen einfacheren Zugang zu Daten, einen besseren Schutz vor den digitalen Giganten und weniger Bürokratie bei Investments und Exits.

     

    Die digitalen Giganten werden gezähmt

     

    Der öffentlichkeitswirksame Kern der sogenannten 10. GWB-Novelle sind besondere Verhaltensregeln für Unternehmen mit „überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“. Wen das Bundeskartellamt so einstuft, der unterliegt einer verschärften Marktmissbrauchsaufsicht. Der Gesetzgeber hat dabei vor allem große Plattformbetreiber im Visier.

     

    Das Bundeskartellamt kann den führenden Online-Plattformen eine große Bandbreite an wettbewerbsschädlichen Verhaltensweisen untersagen. Dazu zählen die Bevorzugung eigener Angebote bei der Darstellung, die exklusive Vorinstallation eigener Apps und die Kopplung von mehreren Angeboten. Auch bei der Interoperabilität und der Datenportabilität dürfen Konkurrenten keine Steine in den Weg gelegt werden.

     

    Damit bekommt das Bundeskartellamt ein Werkzeug an die Hand, um die digitalen Giganten zu zähmen. Deren Wettbewerbsverzerrungen kann es künftig einfacher und schneller bekämpfen. Dafür wird sogar der Rechtsweg gegen die entsprechenden Entscheidungen des Bundeskartellamts verkürzt.

     

    Von der Neuregelung profitieren insbesondere Start-ups, die in der sogenannten „kill zone“ rund um „GAFA“ (Google, Amazon, Facebook und Apple) operieren. Ihr Risiko, von diesen mit unlauteren Mitteln verdrängt zu werden, ist künftig geringer. Das gilt freilich nur, wenn das Bundeskartellamt sein neues Instrumentarium auch ausgiebig nutzt.

     

    Weniger Fusionskontrolle für Investments und Exits

     

    Um das zu ermöglichen, wird das Bundeskartellamt bei der Fusionskontrolle entlastet. Die Umsatzschwellen, ab denen eine Unternehmenstransaktion beim Bundeskartellamt angemeldet werden muss, steigen deutlich. Die neuen Schwellenwerte sind: (i) weltweiter Gesamtumsatz aller Beteiligten über EUR 500 Mio., (ii) deutscher Umsatz eines Beteiligten (z. B. Erwerber) über EUR 50 Mio. und (iii) deutscher Umsatz eines weiteren Beteiligten (z. B. zu veräußerndes Start-up) über EUR 17,5 Mio.

     

    Daneben bleibt die Anmeldepflicht für bestimmte Unternehmenskäufe mit einem Gegenwert über EUR 400 Mio. erhalten. Sie war in der letzten Gesetzesreform als Reaktion auf die fehlende Anmeldepflicht für den Erwerb von WhatsApp durch Facebook eingeführt worden. Völlig neu ist dagegen eine Anmeldepflicht für bestimmte Zusammenschlüsse nach vorheriger Aufforderung durch das Bundeskartellamt. Indes setzt eine solche Aufforderung unter anderem eine vorherige Sektoruntersuchung voraus. Schon alleine deswegen wird die neue Anmeldepflicht nur sehr wenige Deals betreffen.

     

    Im Ergebnis werden künftig nur noch große Exits einer vorherigen Anmeldung beim Bundeskartellamt bedürfen. Demgegenüber wird die gleichzeitige oder sukzessive Übertragung von großen Anteilspaketen an mehrere Investoren weiterhin fusionskontrollrechtliche Fallstricke bergen. Denn bei einer Beteiligung von beispielsweise einem größeren strategischen Investor und einem größeren Finanzinvestor werden die Umsatzschwellen der Fusionskontrolle schnell gerissen.

     

    Besserer Zugang zu den Datenschätzen von großen Unternehmen

     

    Eine weitere Neuerung der 10. GWB-Novelle sind kartellrechtliche Datenzugangsansprüche. Marktbeherrschende Unternehmen müssen Daten übermitteln, „wenn die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht“. Auch ohne Marktbeherrschung müssen Unternehmen Daten übermitteln, wenn ein anderes Unternehmen darauf für seine Tätigkeit angewiesen ist und ansonsten unbillig behindert würde.

     

    In beiden Fällen müssen sogar Daten herausgegeben werden, die vorher noch nie verwertet wurden. Allerdings sind immer auch die Interessen des Dateninhabers in den Blick zu nehmen: Er kann seine Verweigerung mit sachlichen Gründen rechtfertigen – zum Beispiel bei personenbezogenen Daten mit der DSGVO. Auch darf er ein Entgelt verlangen.

     

    Die neuen Datenzugangsansprüche können für manche Start-ups ein regelrechter „game changer“ sein. Man denke an innovative, datengetriebene Geschäftsmodelle, bei denen bislang ungenutzte Datenreservoirs angezapft oder verschiedene externe Datenquellen zusammengeführt werden sollen.

     

    Doch seien wir realistisch: Zur Durchsetzung seiner Ansprüche müsste ein Start-up hohe Hürden überwinden. Viele große Unternehmen werden nicht bereitwillig Zugang zu ihren Daten gewähren. Zumindest bis die Rechtsprechung klare Leitlinien entwickelt hat, werden daher nur Start-ups mit dickem Finanzpolster einen kartellrechtlichen Zugang zu den Datenschätzen von großen Unternehmen erhalten. Spezialgesetzliche Zugangsansprüche, wie etwa PSD2 für FinTechs, bleiben also wichtig.

     

    Christoph Heinrich

     

    Cathleen Laitenberger

     

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