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    04.08.2022

    Bundeskabinett beschließt Hinweisgeberschutzgesetz


    Hintergrund

     

    Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz soll die europäische Whistleblower-Richtlinie umgesetzt werden, die erstmals EU-weit einen standardisierten Schutz für Hinweisgeber festlegen will. Dies ist lange überfällig, denn die Frist für die Umsetzung der Direktive in nationales Recht endete bereits am 17. Dezember 2021. In Deutschland gab es zwar bereits 2019 mit dem "Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen" einen ersten Versuch, Hinweisgeber zu schützen, der jetzige Gesetzentwurf geht jedoch weit darüber hinaus.

     

    Inhalt des Gesetzes

     

    Die Whistleblower-Richtlinie und das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz bezwecken einen umfassenden Schutz von Whistleblowern. Dieser basiert auf folgenden Komponenten:

     

    • Unternehmen und Organisationen ab 50 Beschäftigten müssen sichere interne Hinweisgebersysteme installieren und betreiben. Kleineren Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten wird dafür eine "Schonfrist" bis Dezember 2023 eingeräumt.
    • Whistleblower müssen die Möglichkeit erhalten, Hinweise mündlich, schriftlich oder auf Wunsch auch persönlich abzugeben.
    • Wird ein Hinweis abgegeben, muss die interne Meldestelle dies dem Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen bestätigen.
    • Binnen drei Monaten muss die Meldestelle den Whistleblower über die ergriffenen Maßnahmen informieren, z.B. über die Einleitung interner Compliance-Untersuchungen oder die Weiterleitung einer Meldung an eine zuständige Behörde, etwa eine Strafverfolgungsbehörde.
    • Als zweite, gleichwertige Möglichkeit zur Abgabe von Hinweisen wird beim Bundesamt für Justiz eine externe Meldestelle eingerichtet. Die Bundesländer können darüber hinaus eigene Meldestellen einrichten.
    • Whistleblower können sich frei entscheiden, ob sie eine Meldung an die interne Meldestelle ihres Unternehmens abgeben oder die externe Meldestelle nutzen möchten. 
    • Zum Schutz der Whistleblower vor "Repressalien" enthält das Gesetz eine weitgehende Beweislastumkehr: Wird ein Whistleblower im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit "benachteiligt", wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. Zudem kommen Schadensersatzansprüche des Whistleblowers aufgrund (vermuteter) Repressalien in Betracht.

     

    Bedeutung für die Praxis

     

    Insbesondere das professionelle Installieren und Betreiben der internen Meldestellen sollte rechtzeitig vorbereitet und organisiert werden, da ansonsten nicht unerhebliche Bußgeld-Sanktionen drohen. Ist ein Hinweisgebersystem innerhalb eines Compliance-Management-Systems bereits vorhanden, sollten Unternehmen dieses auf die Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes überprüfen und rechtzeitig anpassen.

     

    Besondere Vorsicht ist mit Hinblick auf die Beweislastumkehr zudem geboten, wenn im Umfeld eines Whistleblowers Personalmaßnahmen umgesetzt werden. Dies betrifft zum Beispiel die Fälle, in denen der Whistleblower selbst seine Identität preisgibt (er ist nicht verpflichtet, anonym zu bleiben), wenn für die Meldestelle ein Ausnahmetatbestand von der Vertraulichkeitspflicht vorliegt (§ 9 des Regierungsentwurfs) oder wenn die Meldestelle selbst gegen die Vertraulichkeitspflicht verstößt. In all diesen Fällen ist die Identität des Whistleblowers ausnahmsweise bekannt. So kann u.U. bereits die Nichtberücksichtigung eines Whistleblowers bei einer anstehenden Beförderung, bei einer Versetzung oder auch die bloße Nicht-Verlängerung seines befristeten Arbeitsvertrags als "Repressalie" gewertet werden, mit der Folge, dass der Arbeitgeber beweisen muss, dass dies gerade keine Benachteiligung des Whistleblowers wegen einer von ihm abgegebenen Meldung war. Gelingt dieser Entlastungsbeweis nicht, drohen Schadensersatzansprüche des Whistleblowers und Bußgelder. Arbeitgeber sollten sich auch auf die Gefahr einstellen, dass die Beweislastumkehr ausgenutzt wird, um in Kündigungsschutzverfahren eine zusätzliche "Waffe" in Stellung zu bringen, gegen die eine Verteidigung mitunter schwierig werden kann.

     

    Fazit

     

    Das kommende Hinweisgeberschutzgesetz verlangt von allen Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten, ihre internen Meldesysteme zu überprüfen, anzupassen oder ein solches Meldesystem erstmalig einzuführen. Unternehmen sollten dabei auch erwägen, ihre Meldestelle auf Dritte auszulagern und von diesen betreiben zu lassen. In jedem Fall sind die Unternehmen aber verpflichtet, Meldungen nachzugehen, Maßnahmen zu ergreifen und Verstößen abzuhelfen. Schließlich müssen Arbeitgeber einerseits den Schutz der Whistleblower vor Repressalien sicherstellen, andererseits aber auch die Möglichkeit eines Missbrauchs der neuen Beweislastumkehr im Auge behalten.

     

    Dr. Anne Dziuba, Maike Pflästerer, Dr. Michael Matthiessen

     

    Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

     

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